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Die Ikone und das Undarstellbare Ikonentheorien im bildtheoretischen Kontext
Die Ikone und das Undarstellbare
Ikonentheorien im bildtheoretischen Kontext




Janine Luge-Winter

Transcript
EAN: 9783837660876 (ISBN: 3-8376-6087-7)
230 Seiten, paperback, 15 x 22cm, Februar, 2022

EUR 45,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Worin begründet sich der ikonische Überschuss des christlichen Heiligenbildes? Janine Luge-Winter geht dieser Frage nach, indem sie die verschiedenen Argumente byzantinischer Bildapologien des 8. und 9. Jahrhunderts und der modernen Ikonentheorien des 20. Jahrhunderts erstmals versammelt, miteinander vergleicht und kontextualisiert. Sie zeigt, dass das Mehr der Ikone deren besondere Sichtbarkeit ist, die eine Überwindung der Undarstellbarkeit des Undarstellbaren evoziert, indem sie das Undarstellbare konkret als solches akzeptiert. Verständlich wird dies nur, wenn die Ikone als »etwas anderes« als ein repräsentationales oder mimetisches Bild anerkannt wird.

Janine Luge-Winter, geb. 1977, studierte Medienwissenschaften, Klassische Archäologie und Alte Geschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Sie promovierte an der Universität Potsdam im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgesellschaft geförderten Graduiertenkollegs »Sichtbarkeit und Sichtbarmachung. Hybride Formen des Bildwissens«. Die Medienwissenschaftlerin ist im Bereich Unternehmenskommunikation tätig.
Rezension
Die Geschichte der Ikone, die prägend und stilbildend für die Theologie und religiöse Kunst aller orthodoxen Kirchen ist, beginnt im zweiten Jahrhundert nach Christi. In der Regel in Enkaustik oder mit Eitempera auf eine Holztafel gemalt erfüllte sie verschiedene Funktionen: sie wurde als Andachtsbild zu Hause oder in der Öffentlichkeit verehrt, zur Verbreitung des Evangeliums eingesetzt, war fester Bestandteil des Gottesdienstes und öffnete dem Gläubigen ein Fenster in die göttliche Welt und trotzt allem Ikonoklasmus (Bilderstürmerei). Es sind diese modernen Bilderstürme (z.B. des sog. Islamischen Staates oder anderer radikal-islamistischer Gruppierungen), die eine seit Jahrhunderten gestellte Frage wieder auf den Plan rufen: Die Frage nach der Macht, die von Bildern ausgeht. Auflehnung beschwören jene Bilder herauf, die es wagen, das als undarstellbar Geltende zeigen zu wollen. Diese Bilderstürmerei kennt erstens zwischen Repräsentation und Repräsentiertem keinen Unterschied, und behauptet zweitens die Unmöglichkeit einer Darstellung des Göttlichen schlechthin; nach einer solchen Vorstellung vermag kein Wort, kein Bild, kein Artefakt die Größe des Göttlichen zu fassen. Das ist ein Verständnis, das nicht zuletzt in den Rufen der modernen Bilderzerstörer seinen Ausdruck findet: »Allahu akbar« – Gott ist größer. Das Ringen um die Darstellbarkeit des Undarstellbaren berührt uns bis heute. Doch es gibt Möglichkeiten, das als undarstellbar Geltende ins Bild zu setzen. Als besonderes Bild ist das christliche Heiligenbild, die Ikone, kein simples Anschauungsobjekt. Innerhalb der kirchlichen Liturgie fungiert sie vielmehr als Medium ,denn das entscheidende Motiv des christlichen Heiligenbildes ist es, dem Gläubigen mithilfe eines Bildträgers das göttlich Abwesende vor Augen zu führen. Die vorliegende Untersuchung wird zeigen, dass die Ikone ein Gegenentwurf zu einer ästhetischen Bildwelt darstellt, gerade weil sie nicht als Anschauungsobjekt konzipiert ist –sie also nicht bloßes Bild ist. Es ist die Ikone Christi, der es gelingt, das Undarstellbare auf besondere Weise auszustellen. Die zentrale Hypothese des Projektes besteht darin, die Ikone als einen eigenen Bildtyp anzuerkennen, der seinerseits die Frage nach der Repräsentationalität – und zwar in Ansehung des Nichtrepräsentierbaren – aufwirft. Im Kern geht es um die Frage dessen, was der »ikonische Überschuss« ist. Die Studie zeigt auf, dass die Ikonentheorien mit ihrer Bilddefinition eine Bildontologie eröffnen, die das Heiligenbild als ein besonderes Bild integriert.

Thomas Bernhard, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Schlagworte:
Ikone, Ikonentheorien, Bildtheorie, Phänomenologie, Bilderstreit, Sichtbarmachung, Heiligenbild, Christentum, Medien, Bild, Kunst, Medientheorie, Bildwissenschaft, Medienphilosophie, Mediengeschichte, Medienwissenschaft

Dissertation, Universität Potsdam, 2019
Gutachter: Prof. Dr. Dieter Mersch, Prof. Dr. Sybille Krämer

Inhaltsverzeichnis
Danksagung 7

1. Einleitung 9

2. Das Paradox der Ikone 15

2.1 Die ontologische Aufwertung der εἰκών 16
2.1.1 Das theologische Moment der εἰκών 16
2.1.1.1 Trinität 16
2.1.1.2 Die zwei Naturen des Sohnes 31
2.1.2 Das theologische Moment der materiellen Dinge 40
2.1.2.1 Schöpfungstheologie 40
2.1.2.2 Der Mensch als Bild Gottes 50
2.2 εἰκών und Ikone 54
2.2.1 Die Ikone als εἰκών von Gott 54
2.2.1.1 τί ἐστιν εἰκών; Was ist ein Bild? 54
2.2.1.2 Die relationalen Regeln der εἰκών 65
2.2.2 Die Offenbarung der Ikone 75
2.2.2.1 Sichtbarkeit 75
2.2.2.2 Sichtbarmachung 84

3. Der Handlungsraum der Ikone 91

3.1 Das spezifische performative Moment der Ikone 91
3.1.1 Das heilige Bild und seine Verehrung 91
3.1.2 Ikone als agierendes Bild 109
3.2 Namenseinschreibung 126
3.2.1 Der Name ist εἰκών 126
3.2.2 Der Name als Performativ 139

4. Der Bildraum der Ikone 161

4.1 Ikone: das objektive Bild 161
4.1.1 Der Kanon der Ikone 161
4.1.2 Ikone: Sehen lassen des Ungesehenen 170
4.2 Die Ikone und das Wieihrer Darstellung 180
4.2.1 Eine das Sehen betreffende Lehre 180
4.2.2 Eine Praxis ansichtigen Darstellens 189

5. Ikone: Die mögliche Antwort auf die negative Theologie 197

6. Quellen- und Literaturverzeichnis 205

Abkürzungen 205
Abkürzung der Quellen 205
Abkürzung für Zeitschriften und Körperschaften 205
Ikonentheorien 206
Byzantinische Ikonentheorien und ihre Übersetzungen 206
Moderne Ikonentheorien 206
Quellenverzeichnis 207
Originale 207
Übersetzungen 207
Sekundärliteratur 209

7. Kompendium 225