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Die Legitimität der Neuzeit  Erneuerte Ausgabe
Die Legitimität der Neuzeit


Erneuerte Ausgabe

Hans Blumenberg

Suhrkamp
EAN: 9783518288689 (ISBN: 3-518-28868-7)
712 Seiten, kartoniert, 11 x 18cm, September, 2017

EUR 24,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die bloße Feststellung, daß die moderne Welt, in der wir leben, außer sich selbst nicht viel – und auch dies immer weniger – im Sinne hat, würde nicht rechtfertigen, diese „Verweltlichung“ spezifisch mit Christentum im Zusammenhang zu bringen, das dann nur zufällig und beliebig die „Unweltlichkeit“ einer Religion in der Vergangenheit dieser Gegenwart repräsentierte. Der Satz, die gegenwärtige Welt sei als Ergebnis der Säkularisierung des Christentums zu verstehen, will sich sicher so wenig zu sagen nicht begnügen. Aber was muß er sagen, wenn er mehr sagen will?


Rezension
„Die Legitimität der Neuzeit“(1966), „Die Genesis der kopernikanischen Welt“(1975), „Arbeit am Mythos“(1979), „Die Lesbarkeit der Welt“(1981), „Lebenszeit und Weltzeit“(1986) oder „Höhlenausgänge“(1989) sind voluminöse Bücher des Philosophen Hans Blumenberg (1920-1996). Das Œuvre des von 1970 bis 1985 an der Universität Münster wirkenden Philosophieprofessors umfasst Bücher, Aufsätze und Artikel für Tageszeitungen. Außerdem liegen in seinem Nachlass im Deutschen Literaturarchiv Marbach u.a. 10000 Typoscriptseiten. Als Hauptthema des Blumenberg`schen Gesamtwerks lässt sich die Auseinandersetzung des neuzeitlichen Menschen mit der von Sinnverlusten geprägten Welt, mit der „Unweltlichkeit“ identifizieren. Ausgehend von tiefschürfenden geistes- und wissenschaftsgeschichtlichen Studien elaboriert der Philosoph eine Phänomenologie der Weltstellung des modernen Menschen.
In diesem Kontext ist auch sein erstes, zuerst 1966 im Suhrkamp Verlag publiziertes Hauptwerk, „Die Legitimität der Neuzeit“ zu verorten. 1988 erschien das Buch in einer erneuerten Ausgabe, von der 2017 die achte Auflage bei suhrkamp taschenbuch wissenschaft aufgelegt wurde. In dem Werk beleuchtet Blumenberg philosophisch tiefschürfend und ideengeschichtlich präzise kontextualisierend u.a. den Begriff „Säkularisierung“ mit seiner „Hintergrundmetaphorik“, die Entstehung des neuzeitlichen Geschichtsbewusstseins und der neuzeitlichen Fortschrittsidee, die „Verweltlichung durch Eschatologie“, den Zusammenhang zwischen „Ordnungsschwund“ und Selbstbestimmung, die Bedeutung der Neugierde als Aufklärungspropädeutik, den Epochenbegriff sowie die Differenzen zwischen Cusanern und Nolanern. Blumenbergs 700 Seiten Text umfassende Untersuchung kann als Klassiker der Begriffs- und Ideengeschichte gelten. Seine geistesgeschichtliche Abhandlung zur Konstituierung neuzeitlichen Denkens enthält zahlreiche philosophische Einsichten, über die sich auch mit Schülerinnen und Schülern im Philosophiekurs produktiv reflektieren und diskutieren lässt. Zu nennen wären zum Beispiel: „Der Satz, daß der Mensch die Geschichte macht, enthält noch keine Garantie für den Fortschritt, den er beim Menschen bewirken könnte“(S. 44). oder „Die Geschichte kennt keine Wiederholungen des Gleichen: ‚Renaissancen‘ sind ihr Widerspruch.“(S. 700).
Fazit: Hans Blumenbergs philosophiegeschichtliche Monographie „Die Legitimität der Neuzeit“ eröffnet – auch nach mehr als 50 Jahren ihres ersten Erscheinens - jedem an der geistesgeschichtlichen Genese der Neuzeit Interessierten neue Denkhorizonte.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Unter der übergreifenden Fragestellung nach der »Legitimität« analysieren die einzelnen Teile dieses Buches in sich geschlossene Themenkomplexe zur Konstitution der Neuzeit anhand einer Kritik des Grundbegriffs der »Säkularisierung«, mit dem sich das Selbstverständnis der Moderne sowohl freisetzen als auch seiner rückwärtigen Bindungen versichern wollte: es wird nach den Bedingungen für die Herauslösung einer Epoche aus ihren Vorgegebenheiten gefragt. Das Ganze des Werks sucht die sich formierende Neuzeit aus den Antrieben zu erfassen, die aus dem Zusammenbruch des Mittelalters herkamen und zu einem seinen Erwartungen strikt entgegengesetzten Konzept führten. Das obligate Thema des Gesamtwerks ist das Verhältnis von Vernunft und Geschichte.
Inhaltsverzeichnis
Erster Teil
Säkularisierung - Kritik einer Kategorie des geschichtlichen Unrechts
I Begriffsstatus 11
II Eine Dimension verborgenen Sinnes? 20
III Der Fortschritt in seiner Enthüllung als Verhängnis 35
IV Verweltlichung durch Eschatologie statt Verweltlichung der Eschatologie 46
V Geschichte machen zur Entlastung Gottes? 63
VI Der neuzeitliche Anachronismus des Säkularisierungstheorems 73
VII Die vermeintliche Wanderung der Attribute: Unendlichkeit 87
VIII Politische Theologie I und II 99
IX Die Rhetorik der Verweltlichungen 114
Zweiter Teil
Theologischer Absolutismus und humane Selbstbehauptung
I Die mißlungene Abwendung der Gnosis als Vorbehalt ihrer Wiederkehr 139
II Weltverlust und demiurgische Selbstbestimmung 150
III Die Epochenkrisen von Antike und Mittelalter im Systemvergleich 159
IV Die Unentrinnbarkeit eines trügerischen Gottes 205
V Kosmogonie als Paradigma der Selbstkonstitution 234
Dritter Teil
Der Prozeß der theoretischen Neugierde
I Die Störanfälligkeit des theoretischen Antriebs 263
II Die Zurücknahme der sokratischen Wendung 278
III Die Gleichgültigkeit der Götter Epikurs 303
IV Im Skeptizismus ein kosmischer Vertrauensrest 309
V Vorbereitungen für eine Bekehrung und Urteilsmuster für den Prozeß 319
VI Aufnahme der Neugierde in den Lasterkatalog 358
VII Schwierigkeiten mit der Natürlichkeit der Wißbegierde im scholastischen System 377
VIII Antizipationen einer künftigen Grenzüberschreitung 401
IX Das Interesse am innerweltlich Unsichtbaren 422
X Rechtfertigungen der Neugierde als Vorbereitung der Aufklärung 440
XI Glücksanspruch und Neugierde: Von Voltaire zu Kant 471
XII Die anthropologische Integration: Feuerbach und Freud 510
Vierter Teil
Aspekte der Epochenschwelle
I Die Epochen des Epochenbegriffs 531
II Der Cusaner: Die Welt als Selbstbeschränkung Gottes 558
III Der Nolaner: Die Welt als Selbsterschöpfung Gottes 639
Namenregister 701