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Clownin Gott Eine feministische Dekonstruktion des Göttlichen 2. Auflage
Clownin Gott
Eine feministische Dekonstruktion des Göttlichen


2. Auflage

Gisela Matthiae

Kohlhammer
EAN: 9783170172524 (ISBN: 3-17-017252-2)
320 Seiten, kartoniert, 16 x 23cm, 2001

EUR 29,65
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
"Du bist ungeschickt, aber siehe, ich bin noch viel ungeschickter": Clowns geben uns Gelegenheit, uns von herrschenden Regelwerken und Zwängen, von den eigenen Mustern und Rollen freizulachen - der Clown bzw. die Clownin als Figur der Befreiung. "Clownin Gott" in Entsprechung zu clownesker menschlicher Existenz - das ist die Antwort der Autorin auf die Suche von Frauen nach befreienden Gottesvorstellungen für beide Geschlechter. Die empirische Basis der Untersuchung bilden zwölf kurze selbstverfaßte Geschichten von Frauen, die erstmalig für die religiöse Sozialisationsforschung mit der Methode der "Kollektiven Erinnerungsarbeit" (Frigga Haug) analysiert wurden.

Dabei zeigt sich, daß auch bei neuen Gottesvorstellungen häufig die Strukturen der in unserer Gesellschaft herrschenden Geschlechterspezifik formgebend sind, die Befreiung also lediglich eine vermeintliche ist. Im Clown bzw. in der Clownin fließen der Ansatz eines dekonstruktivistischen Feminismus, theologische und exegetische Erkenntnisse zur Gottesfrage und Ergebnisse aus der religiösen Sozialisationsforschung zu einem denkerischen und spielerischen Modell befreiender Existenz kreativ zusammen.



Dr. Gisela Matthiae, Pfarrerin, Clownin, ist Studienleiterin am Frauenstudien- und -bildungszentrum der EKD in Gelnhausen.
Rezension
„Clownin Gott“ – hinter diesem Titel verbirgt sich ein schönes Buch und ein typisch wissenschaftliches Buch zugleich. Wiederholt aufschlussreich ist die Darstellung des Androzentrismus in Theologie, Gottesbildern und Gesellschaft, mitsamt seinen Auswirkungen. Die Darstellung der „kollektiven Erinnerungsarbeit“, sowie die Präsentation und Auswertung der von Frauen erzählten Geschichten, verdeutlichen dies sehr eindrucksvoll. G. Matthiae stellt diese Erinnerungsarbeit als einen Befreiungsprozess dar und synchronisiert dies mit der individuell und gesellschaftlich (de-) stabilisierenden Funktion des religiösen Clowns / Narren. „Als Symbol einer anderen Welt“ (S. 294) kann sie / er Dinge auf den Kopf stellen und das fragmentarische ihrer / seiner Identität als Chance zur Erneuerung ergreifen. Damit entwickelt G. Matthiae unter Rückbezug auf H. Luther ein Verständnis von der Gottebenbildlichkeit, dass nichts mehr mit Allmacht und Identität zu tun hat.
Besonders mit dem letzten Kapitel stellt sich G. Matthiae in eine Reihe mit anderen Autoren, die religiöse Narreteien untersucht haben, wie z.B. H. Cox, Walther Nigg u.a.. Vor dem Hintergrund der feministischen Forschung wird die befreiende Kraft der clownesken Perspektive deutlich; erst recht, wenn sie wie hier auch biblisch-theologisch unterfüttert wird. Undeutlich bleibt mir der Titel des Buches: er zielt auf die Destruktion eines Gottesbildes. Doch das neue (?) Göttinnenbild beschreibt die gottgegebene Befreiung des Menschen aus gesellschaftlichen und religiösen Zwängen und Notwendigkeiten. An einem kurzen biblischen Durchgang wird deutlich, dass sich - etwa bei den Propheten oder Jesus - clowneske Züge aufweisen lassen. Dazu muss aber die Göttin nicht auf eine Clownsrolle fixiert werden – schließlich würfelt sie auch nicht.

Frank Wessel, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Die empirisch ausgerichtete Erforschung religiöser Sozialisation macht deutlich, daß auch bei neuen Gottesvorstellungen häufig die Strukturen der in unserer Gesellschaft herrschenden Geschlechterspezifik formgebend sind, die Befreiung also lediglich eine vermeintliche ist. Im Clown bzw. in der Clownin fließen der Ansatz eines dekonstruktivistischen Feminismus, theologische und exegetische Erkenntnisse zur Gottesfrage und Ergebnisse aus der religiösen Sozialisationsforschung zu einem denkerischen und spielerischen Modell befreiender Existenz kreativ zusammen. - ... ein Stück theologischer Forschung vom Feinsten. (Publik-Forum) Zielgruppen/Target groups: TheologInnen, theologisch Interessierte.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort

1. Einleitung

2. Gott als "Mann" - Feministische Antworten auf eine theologische und politische Herausforderung

2.1 "Why Women Need the Goddess"
Die feministische Kritik an männlichen Gottesvorstellungen

2.1.1 Der Andromorphismus der Gottesbilder
2.1.2 Die Identifizierung von Gott und Gottessymbol
2.1.3 Gottesbild als Götzenbild: der Umgang mit dem Bilderverbot
2.1.4 Die Legitimierung patriarchaler Herrschaft durch ein männliches Gottesbild
2.1.5 Die Funktionalisierung Gottes
2.1.6 Die Herstellung dichotomer Verhältnisse
2.1.7 Gehorsam und Unterordnung
2.1.8 Liebe und Allmacht
2.1.9 Die fehlende Gottebenbildlichkeit der Frauen
2.1.10 Inadäquatheit der Vorstellungen vom Göttlichen

2.2 Brauchen Frauen die Göttin?
Der Aspekt der Befreiung bei neuen Vorstellungen vom Göttlichen

2.2.1 Wechsel der Symbole unter Wiederaufnahme vergessener Traditionen
2.2.2 Vielfalt der Symbole
2.2.3 Veränderung der individuellen Wirklichkeit: Das Symbol der Göttin als Ausdruck für ein verändertes Selbstbild
2.2.4 Veränderung der gesellschaftlichen Wirklichkeit als Ausdruck neuer Gottesvorstellungen
2.2.5 Transzendierungen

2.3 Brauchen Frauen die Göttin?
Das Subjekt feministischer Theorie und die Gottesfrage, oder: Über den Zusammenhang von Selbstbild und Gottesbild

2.3.1 Der Gleichheitsfeminismus
2.3.2 Der Differenzfeminismus als gynozentrischer Feminismus
2.3.3 Der Differenzfeminismus der "Italienerinnen"
2.3.4 Der dekonstruktive Feminismus

2.4 Brauchen Frauen die Göttin?
Über den Zusammenhang von Erfahrung und Offenbarung und das Problem der Funktionalisierung von Gottesbildern

2.4.1 Feuerbach redivivus?
2.4.2 Erfahrung als Quelle und Norm Feministischer Theologie
2.4.3 Erfahrung als Kategorie in der feministischen Theorie
2.4.4 "Gott ist zu nichts zu gebrauchen" - Die theologische Kritik am Funktionalismus der Gottesrede

2.5 Frauen auf der Suche nach ihren Bildern vom Göttlichen
Ein Einblick in empirische Untersuchungen

2.5.1 Frauen in der Kirche
2.5.2 Frauen auf der Suche nach ihren Bildern vom Göttlichen

2.6 Befreiende Bilder vom Göttlichen
Der Ansatz für ein empirisches Projekt mit der Methode der "Kollektiven Erinnerungsarbeit"

2.6.1 Die Relevanz des Alltags
2.6.2 Der doppelte Blick
2.6.3 Die Entscheidung für "Kollektive Erinnerungsarbeit" als Forschungsmethode
2.6.4 Die Bearbeitung theologischer Fragestellungen mit "Kollektiver Erinnerungsarbeit"
2.6.5 Zur bisherigen Anwendung der Methode in der Theologie

3. Kollektive Erinnerungsarbeit

3.1 Sozialisation als Vergesellschaftung

3.2 Die Theorie weiblicher Sozialisation

3.3 Anknüpfung an die Kritische Psychologie

3.4 Feministische Wissenschaft als Erfahrungswissenschaft

3.5 Rahmenbedingungen für die Arbeit mit Kollektiver Erinnerungsarbeit

3.5.1 Einheit von Forschungssubjekt und Forschungsobjekt
3.5.2 Forschung im Kollektiv
3.5.3 Bedeutung der Sprache und des Schreibens

3.6 Die Bearbeitungsschritte

4. Der Forschungsprozeß

4.1 Der Ausschreibungstext

4.2 Die Forschungsgruppe

4.3 Das Konzept und die Durchführung

4.3.1 Die Einführungsabende
4.3.2 Die weiteren Abende

4.4 Die Diskussion der Gottesbilder

4.5 Die Erfahrungen mit der Methode der Kollektiven Erinnerungsarbeit

4.5.1 Die methodischen Schritte
4.5.2 Der Zusammenhang von Individuum und Gesellschaft
4.5.3 Die Bearbeitung religiöser Fragestellungen
4.5.4 Die Rolle der Wissenschaftlerin im Kollektiv

4.6 Kollektive Erinnerungsarbeit als Bildungsmethode

5. Die Geschichten

5.1 Gott als Voyeur
Der weibliche Körper und die Gottesbilder,

5.2 "Die Sünde ist zweigeschlechtlich wie der Mensch"
Über den Zusammenhang von Körper und Sünde bei Frauen

5.2.1 Körperschuld und Körpermoral
5.2.2 "Du bist an allem schuld!"

5.3 Einsam gemeinsam vor Gott
Über den Zusammenhang von Isolation und Gotteserfahrung bei Frauen

5.3.1 Einsam vor Gott
5.3.2 Gemeinsam einsam vor Gott
5.3.3 Selbstisolation als Ort des Widerstands

5.4 Niemand soll merken
Über die Sprachlosigkeit religiöser Erfahrungen von Frauen

5.5 (Von) Gott befreit
Über die Ortlosigkeit der religiösen Existenz von Frauen

5.5.1 Von Gott befreit
5.5.2 Gott wird befreit
5.5.3 Gott befreit

5.6 Wie durch einen Spiegel
Überlegungen zu einem religiösen und zugleich feministischen Subjektbegriff "Frau"

5.6.1 "Ich bin nicht die, für die ihr mich haltet."
5.6.2 "Ich bin nicht die, für die ich mich halte."

5.7 Befreiung oder nicht
Zusammenfassung der Ergebnisse

5.7.1 Kollektive Erinnerungsarbeit als Einübung in Befreiung
5.7.2 Befreiende Gottesvorstellungen als Bestätigung bestehender Handlungs- und Seinsmöglichkeiten
5.7.3 Befreiende Gottesvorstellungen als Erweiterung von Handlungs- und Seinsmöglichkeiten
5.7.4 Die soziologische und zugleich theologische Bestimmung von Befreiung

6. Gott als Clownin - clowneske Identität Die Vorstellung eines Modells

6.1 Subjekt "Frau" als mimetische oder clowneske Existenz

6.2 Einblicke in die Geschichte der Clownerei

6.2.1 Die nordamerikanische Trickstergestalt
6.2.2 Narrenmessen
6.2.3 Till Eulenspiegel
6.2.4 Warum es weniger Clowninnen als Clowns gibt

6.3 Göttliche und menschliche Clownerien

6.3.1 Das Erste Testament
6.3.2 Das Neue Testament
6.3.3 Christliche Nachfolge

6.4 Eine kleine Phänomenologie religiöser Clownerei

Literatur