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Behinderung und Enhancement Eine Analyse ethischer Positionen
Behinderung und Enhancement
Eine Analyse ethischer Positionen




Svenja Meuser

Verlag Julius Klinkhardt
EAN: 9783781525009 (ISBN: 3-7815-2500-7)
218 Seiten, paperback, 16 x 23cm, März, 2022

EUR 42,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die Entwicklung neuer Technologien in den Life Sciences wird von einer "Ethik des Heilens" (Dederich 2009) und deren Versprechen begleitet, sämtliche Erkrankungen oder Behinderungen abmildern oder verhindern zu können. Während sich die Life Sciences zunächst auf einen therapeutischen Nutzen beschränken, richtet sich die Diskussion um Human Enhancement auf die Verbesserung menschlicher Fähigkeiten oder des menschlichen Erscheinungsbilds. Die vorliegende Arbeit rückt das Thema Behinderung in den Fokus der Enhancement-Debatte und greift dabei auf die Philosophie, Anthropologie und Ethik zurück. Dabei zeigt sich, dass sich die ohnehin ambivalenten Implikationen der Life Sciences für Menschen mit Behinderung in der Enhancement-Debatte insbesondere im Rahmen einer bioliberalen Argumentationslogik drastisch verschärfen.

Svenja Meuser, Jahrgang 1983, studierte Rehabilitationspädagogik an der Technischen Universität Dortmund. Von 2010 bis 2016 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Technischen Universität Dortmund sowie der Universität zu Köln (Forschungsschwerpunkte: Behinderung, Biomedizin und Ethik, Behinderung und Enhancement, Disability Studies). Seit 2017 ist sie in der beruflichen Rehabilitation tätig.
Rezension
Der Begriff "Enhancement" bezeichnet die Anwendung medizinischer und technischer Möglichkeiten zur Verbesserung natürlicher Eigenschaften über das "normale" bzw. "nicht krankhaft veränderte" Maß hinaus. Im Zentrum dieser aktuellen Debatte stehen Zukunftsszenarien, in denen Beschränkungen des menschlichen Gehirns z.B. durch neurobionische Implantate, durch Tiefenhirnstimulation oder durch psychopharmakologische Intervention überwunden werden, um die emotionale Befindlichkeit oder die kognitive Leistungsfähigkeit zu verbessern. Human Enhancement, Optimierungen des Menschen, finden derzeit in vielfältiger Weise in der Medizin und den Bio- und Humanwissenschaften statt - und das meint keineswegs nur plastische Schönheitschirurgie (vgl. Kap. 4). Das Seinsollen dominiert das Sein seit Beginn der Neuzeit. Die wissenschaftsbasierte Technisierung der Welt führt allerorten zu Optimierungsprozessen, zu Veränderungen im Zeichen des "Besseren". Wird der althergebrachte Mensch eines Tages abgeschafft und überwunden? Ein neuer Mensch: makellos und ohne Leid, von allen Krankheiten, vom Übel der Verletzlichkeit und Verwundbarkeit befreit, vom bislang unvermeidlichen Siechtum, dem Sterben und dem Tod erlöst? Das scheint nicht mehr nur Fiction. Aber ist es Utopie oder Dystopie? Neben den Chancen, die die Life Sciences bieten, stehen sie auch für eine zunehmende Technisierung, Biologisierung und Medikalisierung menschlichen Lebens und suggerieren ein Machbarkeitsdenken, das Behinderung als nicht mehr hinzunehmendes Schicksal betrachtet. - Die vorliegende Arbeit rückt das Thema Behinderung in den Fokus der Enhancement-Debatte und greift dabei auf die Philosophie, Anthropologie und Ethik zurück. Dabei zeigt sich, dass sich die ohnehin ambivalenten Implikationen der Life Sciences für Menschen mit Behinderung in der Enhancement-Debatte insbesondere im Rahmen einer bioliberalen Argumentationslogik drastisch verschärfen. Das Thema Behinderung stellt sich in der Enhancement-Debatte einerseits als unterrepräsentiert dar, andererseits fungiert es als Negativbeispiel, das der Nutzung von Enhancement einen entscheidenden Legitimitäts- und Plausibilitätsfaktor hinzufügen soll. Vor diesem Hintergrund geht es invorliegender Untersuchung um eine rehabilitationswissenschaftliche Aufarbeitung der Enhancement-Debatte.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Die vorliegende Arbeit wurde von der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln unter dem Titel „Behinderung und Enhancement. Eine Analyse ethischer Positionen“ als Dissertation angenommen.
Gutachter: Prof. Dr. Markus Dederich, Prof. Dr. Jörg Zirfas.
Tag der Disputation: 16.07.2021.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 9

1.1 Inhaltliche Annäherung 9
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit 12

2 Behinderung im aktuellen Diskurs 15

2.1 Problemaufriss 15
2.2 Zum Begriff Behinderung 16
2.3 Disability Studies – „Behinderung neu denken!“ 18
2.4 Zur Inklusionsdebatte 21
2.5 Begriffsverständnis in dieser Arbeit 24

3 Enhancement im Kontext 27

3.1 Gesellschaftsdiagnose: Optimierungsgesellschaft? 27
3.1.1 Historische Wurzeln der Moderne: Aufklärung und Industrialisierung 27
3.1.2 Postmoderne – eine Skizze 29
3.1.3 Kennzeichen der Gegenwartsgesellschaft – Soziologische Gegenwartsdiagnosen 31
3.1.4 Schließlich: eine „Optimierungsgesellschaft“? 40
3.2 Bio- und Lebenswissenschaften 45
3.2.1 Legitimation, Leitwissenschaft und Deutungsmacht 46
3.2.2 Bioethik 49
3.2.3 Eugenik 51
3.2.4 Zusammenfassung 54

4 Handlungsfelder und Definitionsfragen von Enhancement 57

4.1 Enhancement: Handlungsfelder 57
4.1.1 „Schönheitsoperationen“: Ästhetisch-kosmetische Chirurgie 57
4.1.2 Doping im Sport 59
4.1.3 Neuro-Enhancement 61
4.1.4 Moral Enhancement 63
4.1.5 Lebensverlängerung: Überwindung des Alterns? 64
4.1.6 Enhancement im militärischen Einsatz 66
4.2 Semantik und Definition 68
4.2.1 Enhancement als abgrenzbares Phänomen 68
4.2.2 Enhancement als Kontinuum 73
4.2.3 Enhancement und Normalität 74
4.2.4 Zur Frage nach der Normativität des Enhancement-Begriffs 77
4.2.5 Begriffsverständnis in dieser Arbeit 79

5 Ethische Fragen in der Enhancement-Debatte 81

5.1 Ethik – ein Überblick 81
5.2 Anthropologische Prämissen 85
5.2.1 Die Natur des Menschen als „geworden“ und „gemacht“ 87
5.2.2 Clausen und Heilinger: Anthropologie und die Legitimität von Enhancement 89
5.2.3 Anthropologie, Ethik, Enhancement – Zusammenfassung 94
5.3 Spezifische ethische Problemkonstellationen 95
5.3.1 Autonomie 95
5.3.2 Identität und Authentizität 101
5.3.3 Soziale Folgen von Enhancement 107
5.4 Ethik und Enhancement: Zusammenfassung 117

6 Behinderung und Enhancement: Textanalyse 119

6.1 Zum Vorgehen 119
6.1.1 Begründung und Vorstellung des Analyseschemas sowie der Textauswahl 119
6.1.2 Bioliberal und biokonservativ als idealtypische Positionen 121
6.2 Textanalysen 123
6.2.1 Beiträge mit bioliberaler Position 123
6.2.2 Beiträge mit biokonservativer Position 139
6.2.3 Beiträge jenseits der klassischen Positionen 162

7 Behinderung und Enhancement: Beantwortung der normativen Leitfragen 181

7.1 Beiträge mit bioliberaler Position 181
7.1.1 Savulescu, Sandberg und Kahane 181
7.1.2 Bortolotti und Harris 182
7.1.3 Savulescu 183
7.2 Beiträge mit biokonservativer Position 184
7.2.1 The President’s Council on Bioethics 184
7.2.2 Sandel 185
7.2.3 Parens 186
7.3 Beiträge jenseits der klassischen Positionen 187
7.3.1 Scully und Rehmann-Sutter 187
7.3.2 Wolbring 188
7.3.3 Parker 188

8 Behinderung und Enhancement: Diskussion und Problematisierung der Ergebnisse 191

8.1 Die Steigerungslogik der Bioliberalen und ihre Implikationen für Menschen mit Behinderung 191
8.2 Die positiven Implikationen der biokonservativen Position und ihre Kehrseite 197
8.3 Jenseits bioliberaler und biokonservativer Argumentationsstrategien 200

9 Fazit 203

Literatur 211
Danksagung 220