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Schulfach Religion 3/2000 - Orte religiöser Erfahrung

Schulfach Religion 3/2000

Orte religiöser Erfahrung



 
Arbeitsgemeinschaft der ev. ReligionslehrerInnen an allgemeinbildenden höheren Schulen in Österreich


2000
280 Seiten, paperback, 15 x 21 cm
 
8.80 Euro
 

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Orte religiöser Erfahrung


Die vielfache zitierte Ortlosigkeit des heutigen Menschen ist kein ausreichendes Argument, um traditionelle Orte religiöser Erfahrung anzubieten. Die oft anzutreffende nostalgische Sehnsucht nach bewährten und bleibenden Orten und ein darauf basierendes religiöses Anbot kann oft zum Anlass genommen werden, Religion in einer bestimmten Weise festzuschreiben, allgemein verbindlich zu machen und bisweilen dabei auch andere auszugrenzen. Ein allzu beharrliches Festhalten an alten Formen und Formeln lässt starre Orts- und Zeitfestschreibungen vermuten und bringt Religion' in Verdacht, eine Konstruktion um ihrer selbst willen zu sein, reduziert auf zeitvergessene subjektive Innenwelterfahrung oder auf institutionelles Beharrungsvermögen. Wenn die genannten Orte, verstanden als Konstruktionen der Selbstbeharrung, in Bewegung geraten oder gar verlustig gehen, besteht wenig Grund, ihnen nachzutrauern. Ortverluste haben auch ihren Sinn; sie geben immer die Möglichkeit des Aufbruchs und die Chance des Findens neuer Orte. Dies gelingt jedoch nur, wenn die Ursachen der Verluste reflektiert werden und die Bereitschaft zum gemeinsamen Aufbruch geweckt wird. Dadurch kann der OM dessen Verlust man beklagen möchte, zum Übergangsort werden. Vor allem ist auch der Ort des Religionsunterrichtes in der Schule als Übergangsort zu bezeichnen, wobei die Frage der Verortung tiefer greift als die leidige Werteinheitenfrage im Zuge von Sparmaßnahmen oder das zeitliche Festmachen im Stundenplan, so wichtig und hilfreich befriedigende Antworten auch sind, da sie institutionelle Foren der pädagogischen Arbeit schaffen. Es ist zunächst das Wachsturn der SchülerInnen und die Eigenart der Schulzeit als einer Obergangszeit, die den Ort Schule als einen beweglichen kennzeichnet. Doch ist auch der eschatologische Aspekt nicht außer Acht zu lassen. Das Wachsen der SchülerInnen kann zum vielfachen Gleichnis des Wachsens des Gottesreiches wie auch seiner Erkenntnis und der Nachfolge Christi mitten im säkularen Alltag werden. In dieser Spezifizierung liegt auch die Begründung für einen konfessionellen Religionsunterricht ein Unterrichtsgeschehen, das zwischen spezifischer Prägung und Öffnung angesiedelt ist. Angesichts des Wachstums seiner SchülerInnen ist der Religionslehrer/die Religionslehrerin aufgefordert, die eigene spezifischen Prägung durch eine Lebens- und Traditionsgeschichte nicht zu verschweigen, wenn er/sie sich mit ihnen auf den Weg begibt und der Wegbegleiter seiner Schülerhinen wird. Ein Wegbegleiter ist gerade dadurch wertvoll, dass er den Mut aufbringt, dem Schüler nicht nur ein Eigener, sondern auch ein Anderer zu sein. Aufbruch heißt gemeinsame Wahrheitssuche, gemeinsames, bisweilen konfliktreiches Ringen um Erkenntnis und gleichzeitig solidarische Erkundung vielfältiger Denk-, Lebens- und Gemeinschaftsmöglichkeiten. Das Gruppengeschehen im Religionsunterricht macht es geradezu auch zwingend, die eigene religiöse bzw. weltanschauliche Prägung zu reflektieren und letztlich auf ihren Aufbruchs- und Befreiungscharakter hin zu untersuchen. Die Auseinandersetzung mit anderen Traditionen hilft nicht nur, wie in einem vorgehaltenen Spiegel eigene Defizite zu erkennen und gute Ansätze zu vertiefen, sondern sie gibt auch die Möglichkeit der Eröffnung eines weiteren Horizontes. Der Ort wird geöffnet hin zur Welt, zur unsichtbaren und zur neuen, die hinter der Krümmung des Honzontes erahnt werden kann.

Das Aufbrechen des Ortes erfordert auch ein Überdenken überkommener Zeitkonzepte. Auf dieses Problem macht besonders Luise Schotroff in ihrem hier veröffentlichten Aufsatz Auferstehungserfahrungen im Abendmahl der frühehristlichen Gemeinde deutlich. Denn in ZeitkonsümVionen können - ebenso wie in Ortkonstruktionen - Konstrukte von Siegern (und damit auch von Verlierem) wahrgenommen werden. Deshalb sind Zeit- und Ortkonstrtiktionen auf Macht und Gewalt hin zu untersuchen. Dennoch weiß die religiöse Erfahrung etwas von Mächtigkeit wie Machbarkeit im Sinne von Praktikabilität. Diese entspringt jedoch nicht dem menschlichen Wollen, sondern sie beginnt mit der Erfahrung des ganz Anderen- Der erste Schritt ist somit der der Dekonstruktion so mancher Konstrukte. Er geschieht in einem prozesshaften Vorgang und setzt weitere Schritte im Sinne des Entwurfs von Hoffnungsmodellen und des Beginns einer zukunftsweisenden Arbeit. Diese Schritte müssen im konkreten gemeinschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeld getan werden. Sie signalisieren ein Unterwegssein im Geiste solidarischer Verbundenheit, wie sie in der Praxis des Abendmahls zum Ausdruck kommt. Manfred Hutter reflektiert in seinem Artikel Yogische Versenkung und emotionelle Hingabe als religiöse Erfahrung im Hinduismus Reinkarnation und yogische Versenkung als Ausdrucksformen eines weitgehend querstehenden Raum- und Zeitkonzeptes. Der aus Indien stammende Christ Tomy Mullur sucht hinduistische und christliche Erfahrungen einander anzunähern und in die Praxis der Gruppe umzusetzen. Dazu dienen auch einige in diesem Heft dokumentierte Übungen, wie sie in der Gruppe praktiziert wurden, sich jedoch auch für den Religionsunterricht als praktikabel anbieten. Auch Herwig Hohenberger legt in seinem Referat Religiöse Erfahrung im Bibliodrama größten Wert auf die Praxis, sodass seine Ausführungen vor allem auch als Ergebnisse konkreter Gruppenarbeit zu verstehen sind. Das Referat möchte Anregungen vermitteln, mit Hilfe bibliodramatischer Methoden den persönlichen religiösen Erfahrungen nachzugehen, aber auch quer durch die Bibel religiöse Erfahrungen biblischer Personen erlebbar zu machen. Dass sich auch in Symbolbildung Mächtigkeit äußert, zeigt schon der Titel des Artikels von Kurt Zisler Von der Kraft der Symbole. Mächtigkeit/Kraft hat es mit Leben und Lebendigkeit zu tun; deshalb ist es sinnvoll, zunächst die eigene Lebensgeschichte zu reflektieren. Die Fähigkeit zur Symbolbildung gibt dem Kind ja bereits die Möglichkeit der Erfahrung erster Emanzipations- und Befreiungsversuche im Flottieren zwischen Akkomodation und Assimilation. Nicht zuletzt wäre es auch der Aufgabe traditioneller Symbole und ihrer Vermittlung im Religionsunterricht, derlei Lebensvorgänge zu reflektieren und auf ihnen aufbauend Sprach- und Verhaltensmodelle zu erproben. Mit ihrer Hilfe kann es auch gelingen, Unterdrückung zu orten und Befreiung buchstabieren und irnaginieren zu lernen. Dies entbindet uns nicht von der Aufgabe, auch alternative Symbolwelten zu entdecken und/oder neue Symbole zu entwickeln. In diesem Sinn setzt sich der Artikel'von Christoph Örley Renitenz und Ewigkeitsverweigerung in der Popkultur mit dem von ihr angeschlagenen Zeitthema auseinander.

Da bis auf den letztgenannten alle übrigen Artikel Ergebnisse der letzten Mariazeller Fortbildungstagung sind, sind ihnen auch Gruppenberichte von Barbara Rauchwarter, Sabine Maurer und Brunhilde Schweinzer beigefügt. Sie dokumentieren, dass theoretisches Reflektieren ohne Praxis und Erfahrung nicht auskommt. Sonst würde auch dem Anliegen des Gesamtthemas unseres Heftes widersprochen werden. Der Beitrag Stefan Welzigs Daniele spricht, eine Andacht nach einer Erzählung von Christian Rathner mag als Beispiel dienen. Wir hoffen, dass dieses Heft nicht nur bei den TagungsteilnehmerInnen Erinnerungen wachrufen, sondern darüber hinaus allen LeserInnen Anregungen geben kann, wie im Lebens-, Freizeits- und Arbeitskontext alte religiöse Erfahrungen vertieft und neue gewonnen werden können.

Im Zusammenhang mit der Erstellung eines neuen Lehrplans für die 10- bis 14Jährigen fragt Robert Schelander in seinem Artikel Der Lehrplan 1999/2000 und seine Chancen für den evangelischen Religionsunterricht nach den Ideen, die hinter der Reform stehen und befasst sich mit den Auswirkungen auf den Religionsunterricht. Das Schlagwort Elementarisierung wird zwar immer wieder gebraucht, aber was bedeutet es wirklich? Werner H. Ritter gibt in seinem Artikel Religionspädagogik und Elementarisierung eine kurze Übersicht über die gegenwärtige Diskussionslage.

Werner Frank

Inhaltsverzeichnis

Zum Thema des Heftes

Luise Schottroff
Auferstehungserfahrungen im Abendmahl frühchristlicher Gemeinden oder: ein Kapitel Eschatologie

Barbara Rauchwarter
Bericht der Arbeitsgruppe: Auferstehungserfahrungen im Abendmahl der frühchristlichen Gemeinde

Manfred Hutter
Yogische Versenkung und emotionelle Hingabe als religiöse Erfahrung irn Hinduismus

Tomy Mullur
Yoga und christliche Spiritualität

Herwig Hohenberger
Bibliodrama, ein Ort religiöser Erfahrung

Sabine Maurer
Bericht der Arbeitsgruppe: Religiöse Erfahrung im Bibliodrama


Kurt Zisler
Von der Kraft der Symbole. Wie Leben und Glauben lebendig bleiben


Brunhilde Schweinzer
Bericht der Arbeitsgruppe: Symboldidaktik

Stefan Welzig
Daniele spricht. Nach einer Erzählung von Christian Rathner

Christoph Örley Renitenz und Ewigkeitsverweigerung

Robert Schelander
Der Lehrplan 1999/2000 und seine Chancen für den evangelischen Religionsunterricht

Werner H. Ritter
Religionspädagogik und Elementarisierung

Autorenverzeichnis