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Rock und Pop als Ritual Über das Erwachsenwerden in der Mediengesellschaft
Rock und Pop als Ritual
Über das Erwachsenwerden in der Mediengesellschaft




Ruprecht Mattig

Transcript
EAN: 9783837610949 (ISBN: 3-8376-1094-2)
264 Seiten, paperback, 15 x 23cm, 2009

EUR 27,80
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Dieses Buch untersucht die Faszination, die von der Rock- und Popmusik und ihren Stars ausgeht. Der Autor interpretiert qualitative Interviews mit Fans vor dem Hintergrund kulturanthropologischer Konzepte. Durch dieses Zusammenführen von Empirie und Theorie kann ein neues Verständnis der von Erwachsenen oft belächelten und in der Pädagogik bislang kritisierten Begeisterung jugendlicher Fans für Musik und Stars entwickelt werden. Die Studie zeigt, dass die populäre Musik mit ihrer Kraft, Menschen zu verzaubern, einen wichtigen Beitrag für die Bewältigung des komplexen Übergangs vom Kind zum Erwachsenen leistet.
Rezension
Rock- und Popmusik hat liminoide Qualität und ermöglicht es Jugendlichen, Communitas zu erzeugen. Rock- und Popstars haben zudem Idolcharakter. Insofern besteht eine gewisse Nähe auch zu religiösen Ritualen. Rock- und Popmusik übernimmt zudem eine bedeutende Funktion bei der Bearbeitung jugendlicher Adoleszenzkrisen. Rituelle Handlungen sind insbesondere während der Jugendzeit wichtig und können affektive Transformationen ermöglichen durch den Zauber der Performances. Aber auch Songtexte können einen Zauber auslösen, vor allem, wenn die Fans das Gefühl haben, dass die Songs ihnen gleichsam aus der Seele sprechen. Rock- und Popmusik tritt z.T. an die Stelle traditioneller Übergangsriten.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Schlagworte:
Musik, Jugend, Ritual, Fan, Star, Rock, Pop

Adressaten:
Pädagogik, Jugendforschung, Soziologie, Ethnologie, Kulturwissenschaft, Ritualforschung

Ruprecht Mattig (Dr. phil.) arbeitet als Assistenzprofessor im Projekt »Revitalizing Education for Dynamic Hearts and Minds« an der Universität Kyoto. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Pädagogische Anthropologie.

Interview
... mit Dr. phil. Ruprecht Mattig

1. »Bücher, die die Welt nicht braucht.« Warum trifft das auf Ihr Buch nicht zu?
Mit dem Kult, der vor allem von Jugendlichen rund um die populäre Musik und ihre Stars getrieben wird, untersuche ich ein Phänomen, welches einerseits ein wesentliches Element moderner Mediengesellschaften ist, andererseits aber in bisherigen Studien zu voreingenommen betrachtet wurde. Das Buch eröffnet ein neues Verständnis für die Begeisterung jugendlicher Fans für ›ihre‹ Musik ... mehr und ›ihre‹ Stars, indem es auf die anthropologischen Dimensionen des Kultischen aufmerksam macht.

2. Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?
Zunächst einmal lässt das Buch in einem aufschlussreichen Interview-Teil die Fans von verschiedenen Stars selbst zu Wort kommen, es stellt also die Perspektiven involvierter Personen dar. Durch den Bezug dieser Interviews auf ethnologische Ritualforschungen kann zudem herausgearbeitet werden, wie wichtig Rituale für die Bildung von Gemeinschaften und die Erzeugung biographischer Wendepunkte sind. So wird verständlich, weshalb die populäre Musik gerade für die Jugend eine so hohe Bedeutung hat.

3. Welche Bedeutung kommt dem Thema in den aktuellen Forschungsdebatten zu?
In meinem Buch knüpfe ich an den laufenden Diskurs über den ›performativen‹ Aspekt von Kultur an und beziehe ihn auf die Jugendkultur. Das heißt, dass das eher flüchtige kulturelle Schaffen betrachtet wird, welches in Inszenierungen, Aufführungen oder Ritualen zum Ausdruck kommt. Dass diese Seite menschlichen Handelns auch für die Pädagogik eine hohe Bedeutung hat, wird erst seit Kurzem gesehen. Das Buch leistet einen wichtigen Beitrag für die in diesem Zusammenhang durchgeführten Forschungen.

4. Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten diskutieren?
Nicht nur mit allen, die sich auf praktischer oder theoretischer Ebene mit Jugendlichen auseinandersetzen, sondern auch mit Personen, die Interesse an pädagogischen, kulturwissenschaftlichen und anthropologischen Fragestellungen haben.

5. Ihr Buch in einem Satz:
In der populären Musik kommt eine rituelle Kraft zum Ausdruck, die für das Erwachsenwerden in der Mediengesellschaft eine hohe Bedeutung hat.

Das Buch im Spiegel der Medien:
»Sollte jemand der Popkultur generell verständnislos gegenüberstehen, der wird diese nach der Lektüre vielleicht tatsächlich mit anderen Augen sehen.«

Martin Mühl, the gap, 9 (2009)

»Praktische Auswirkungen kann das Buch sicherlich auf die pädagogische ... mehr Arbeit haben; doch auch Musikologen könnte es gelingen, manches anscheinend unsinnige Phänomen aus der Jugendkultur besser einzuordnen.«

Michael Stapper, FORUM MUSIKBIBLIOTHEK, 30 (2009)
Inhaltsverzeichnis
Einleitung 9

Zum Zusammenhang von Jugendritualen und populärer Musik 9
Zur pädagogisch-anthropologischen Untersuchungsperspektive 14

1 Ritual und populäre Musik: Zugänge zu grundlegenden Begriffen 21

Ritual und Magie 25
Afro-amerikanische Gottesdienste als eine Wurzel der Rock- und Popmusik 29
Populäre Musik und Transritualität 31
Die ritualtheoretische Perspektive 34
Ritual und Zauber 37
Das kulturelle Feld der Rock- und Popmusik 40
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 44

2 Jugend und Ritual: Kulturanthropologische Konzepte 45

Liminalität, Communitas und Anti-Struktur in
traditionellen Jugendritualen 45
Die Entwicklung des Menschen im Wechsel von
Struktur und Anti-Struktur 47
Liminalität und Gemeinschaftlichkeit:
Absonderung der Jugendlichen und universelle Verbundenheit 50
Liminalität und Geschlechtlichkeit:
Zügellosigkeiten und Ambiguität 53
Liminalität und Transzendenz: Der Kontakt mit dem Heiligen 55
Zum Zusammenhang von Liminalität und Musik 58
Das Liminoide 60
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 65

3 Populäre Musik und Anti-Struktur: Komparativ-Symbologische Untersuchungen 67

Vorbemerkungen zur Methode 67
Die Rock’n’Roll-Revolution als Aufbrechen einer unmittelbaren Communitas Jugendlicher 68
Von Woodstock bis Live 8: Die Entwicklung einer ideellen Communitas in der Rock- und Popmusik 74
Die Welt der Rock- und Popstars 84
Stars als Idole von Fangemeinschaften 85
Stars als moderne Anwärter auf Unsterblichkeit 87
Rock- und Popsongs: Verzaubernde Rhythmen, Klänge und Texte 96
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 101

4 Populäre Musik und rituelle Erfahrung: Qualitativ-Sozialwissenschaftliche Analysen 103

Vorbemerkungen zur Methode 103
Das Rockkonzert als rituelle Aufführung 113
Vier Fan-Biographien 128
Tina, Fan von Robbie Williams 128
Sarah, Fan von Kurt Cobain 154
Timo, Fan von Xavier Naidoo 179
Edgar, Fan von Britney Spears 200
Die Rekonstruktion unterschiedlicher Fan-Typen 225
Typik 1: Star versus Musik 226
Typik 2: Unmittelbare versus ideelle Communitas 231
Die Überlagerung von Typik 1 und Typik 2: Grundlegende Fan-Orientierungen 238
Typik 3: Ritual versus Reflexion 239
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 241

Ausblick 245
Literaturverzeichnis 249
Richtlinien der Transkription 261



7
Danksagung
Das vorliegende Buch ist im Rahmen der von Professor Christoph Wulf geleiteten
Berliner Ritualstudie entstanden, die sich das Ziel gesetzt hat, das produktive
Potential von Ritualen und Ritualisierungen in Erziehungs-, Bildungsund
Sozialisationsprozessen herauszuarbeiten.
Meine Untersuchungen hätten ohne die vielfältige Unterstützung durch
andere Personen nicht zustande kommen können. So geht mein herzlicher
Dank an meine Interviewpartner, deren offene und lebendige Berichte über
ihre Erfahrungen als Rock- und Popfans das Herzstück meiner Forschungen
ausmachen. Ganz besonders bedanke ich mich auch bei Professor Christoph
Wulf und Professor Ralf Bohnsack, die diese Arbeit mit großem Engagement
betreut haben. Mein Dank gilt auch den Teilnehmern des von Professor Wulf
angebotenen Doktorandencolloquiums und der von Professor Bohnsack veranstalteten
Forschungswerkstatt, deren inhaltliche Anregungen mehr als einmal
richtungsweisend für den Verlauf meiner Studien waren. Auch die Diskussionen
mit meinen Kollegen aus der Berliner Ritualstudie konnten mir entscheidende
Denkanstöße geben. Hier bedanke ich mich bei Kathrin Audehm,
Birgit Althans, Mario Bührmann, Gerald Blaschke, Nino Ferrin, Benjamin Jörissen,
Ingrid Kellermann, Iris Nentwig-Gesemann, Monika Wagner-Willi
und Sebastian Schinkel. Weitere Anregungen für meine Forschungen bekam
ich auf internationalen Workshops in Japan, Norwegen und Kalifornien, wofür
ich mich bei der Professorin Shoko Suzuki und ihrem Team von der Kyoto
University, den Kolleginnen und Kollegen des Agder University College
aus Kristiansand und der University of California, Irvine bedanke. Mein Dank
geht auch an meine Mutter Eva, zu der ich mich in einer entscheidenden Phase
des Schreibens zurückziehen konnte. Schließlich gilt meine tiefe Dankbarkeit
meiner langjährigen Lebenspartnerin Stephanie Römer, die den Entstehungsprozess
dieses Buches hautnah miterleben konnte und dabei nicht nur
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wichtige Ideen hinsichtlich meiner empirischen Vorgehensweise einbrachte,
sondern mir stets mit Geduld und Zuversicht zur Seite stand.
Berlin, im Februar 2009 Ruprecht Mattig