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Experiment und Exploration
Bildung als experimentelle Form der Welterschließung
Sönke Ahrens
Transcript
EAN: 9783837616545 (ISBN: 3-8376-1654-1)
330 Seiten, paperback, 15 x 22cm, 2010
EUR 29,80 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Warum sind bislang die meisten Versuche, das Experiment zu denken, gescheitert? Gestützt auf empirische Studien, vor allem aus dem Bereich der Wissenschafts- und Technikforschung, und mit Hilfe einer dekonstruktiv aufbereiteten Begrifflichkeit fasst Sönke Ahrens das Experiment als eine Form der Welterschließung an den Grenzen der Welt und grenzt es von der Exploration als seinem komplementären Gegenpart ab. Bildung kann so als die experimentelle und Lernen als die explorative Form rekonstruiert werden, in der sich Individuen die Welt erschließen.
Rezension
Der Autor setzt sich in dieser bildungstheoretischen Studie mit der Grundfrage »Wie erschließen Menschen sich eine Welt?« mit drei für die Pädagogik bedeutsamen Begriffspaaren auseinander und setzt diese zueinander in Beziehung: Bildung und Technik / Bildung und Lernen / Experiment und Exploration: Bildung rekonstruiert er als die experimentelle und Lernen als die explorative Form, in der sich Individuen die Welt erschließen. Die Unterscheidung von Bildung und Lernen soll damit möglichst genau zu fassen versucht werden. Ein Experiment zeichnet sich dadurch aus, dass das Ergebnis vom Experimentator nicht vorhergesehen werden kann. Es gilt zwei Weisen des Lernens zu unterscheiden. Die eine Art ist ein eher additives Lernen, d.h. im Rahmen eines gegebenen Grundgerüsts von Orientierungen und Verhaltensweisen lernen wir immer mehr Einzelheiten, die aber diese Grundorientierungen und die Weisen unseres Verhaltens und unser Selbstverständnis nicht verändern, sondern eher bestätigen. Daneben gibt es aber auch Erfahrungen, die, wenn wir sie wirklich zulassen, unsere bisherigen Weisen des Umgangs mit der Wirklichkeit und unser Selbstverständnis sprengen, die unsere Verarbeitungskapazität überschreiten.
Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Schlagworte:
Bildung, Technik, Experiment, Wissenschaftsforschung, Dekonstruktion
Adressaten:
Erziehungswissenschaft, Soziologie, Philosophie, Wissenschaftsforschung und die interessierte Öffentlichkeit
Sönke Ahrens (Dr. phil.) lehrt allgemeine Erziehungswissenschaften an der Universität Hamburg.
Interview
... mit Dr. Phil Sönke Ahrens
1. Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?
Es gibt verschiedene Wege aus den lähmenden Gegenüberstellungen von Konstruktivismus/Realismus, Theorie/Empirie oder Natur-/Geisteswissenschaften auszuscheren. Einen Weg schlägt das Buch in Bezug auf Fragen der Erkenntnis und der Bildung vor. Dabei werden die Konturen einer allgemeinen Theorie der Welterschließung skizziert, die unausgearbeitet genug ist, um disziplinübergreifende Möglichkeiten zur Anknüpfung und Ausarbeitung zu bieten.
3. Welche Bedeutung kommt dem Thema in den aktuellen Forschungsdebatten zu?
Die Unterscheidung von Lern- und Bildungsprozessen bzw. von explorativen und experimentellen Welterschließungungsprozessen ist zunächst ein Angebot zur Differenzierung. Gleichzeitig stellt die Arbeit aber auch eine Kritik an bestehenden bildungstheoretischen Ansätzen dar. Was den Diskurs der Wissenschafts- und Technikforschung angeht, hoffe ich, dass das noch längst nicht ausgeschöpfte Potenzial eines differenziell gefassten Experiment-Begriffs deutlich wird.
4. Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten diskutieren?
Von den Lebenden: Mit Alexander Kluge, seinen Assoziationen folgend.
Von den Toten: Mit Niklas Luhmann darüber, ob von diesen Überlegungen aus eine differenzorientierte Gesellschaftstheorie entwickelbar wäre und im welchen Verhältnis diese zur Systemtheorie stünde.
5. Ihr Buch in einem Satz:
Es gibt zwei klar voneinander unterscheidbare Formen der Welterschließung – und diese sollte man bloß nicht durcheinanderbringen.
Editorial zur Reihe:
Die Universität ist traditionell der hervorragende Ort für Theoriebildung. Ohne diese können weder Forschung noch Lehre ihre Funktionen und die in sie gesetzten gesellschaftlichen Erwartungen erfüllen. Zwischen Theorie, wissenschaftlicher Forschung und universitärer Bildung besteht ein unlösbares Band.
Auf diesen Zusammenhang soll die Schriftenreihe Theorie Bilden wieder aufmerksam machen in einer Zeit, in der Effizienz- und Verwertungsimperative wissenschaftliche Bildung auf ein Bescheidwissen ... mehr zu reduzieren drohen und in der theoretisch ausgerichtete Erkenntnis- und Forschungsinteressen durch praktische oder technische Nützlichkeitsforderungen zunehmend delegitimiert werden. Der Zusammenhang von Theorie und Bildung ist in besonderem Maße für die Erziehungswissenschaft von Bedeutung, da Bildung nicht nur einer ihrer zentralen theoretischen Gegenstände, sondern zugleich auch eine ihrer praktischen Aufgaben ist. In ihr verbindet sich daher die Bildung von Theorien mit der Aufgabe, die Studierenden zur Theoriebildung zu befähigen.
Die Reihe Theorie Bilden ist ein Forum für theoretisch ausgerichtete Ergebnisse aus Forschung und Lehre, die das Profil des Faches Erziehungswissenschaft, seine bildungstheoretische Besonderheit im Schnittfeld zu den Fachdidaktiken, aber auch transdisziplinäre Ansätze dokumentieren.
Die Reihe wird herausgegeben von Hannelore Faulstich-Wieland, Hans-Christoph Koller, Karl-Josef Pazzini und Michael Wimmer, im Auftrag des Fachbereichs Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort | 7
Teil I: Die Subversion der Technik | 15
1. Das Scheitern als Voraussetzung | 17
2. Scheitern war gestern | 21
3. Der Einsatz von Technik | 23
4. Der Einsatz von viel Technik | 29
5. Zaudern als Reaktion | 32
6. Reaktion ohne Zaudern | 39
7. Die Voraussetzung des Scheiterns | 42
Teil II: Die Erschließung der Welt | 51
1. Die techné | 51
2. Der Begriff des Experiments | 56
3. Das Experiment in einer ungeteilten Welt | 66
4. Die Erfindung des Experiments | 71
5. Wie man mit der Pumpe philosophiert | 81
6. Die techné der Technik des Experiments | 88
7. Das Experiment in einer geteilten Welt | 92
8. Die Paradoxie der Welt | 96
9. Die Grenzen der Welt | 105
10. Die Arbeit an den Grenzen der Welt | 108
11. Die Suche nach weißen Flecken | 114
Teil III: Die Form des Experimentellen | 121
1. Offen und geschlossen | 121
2. Raum und Zeit | 126
3. Das Fremde und sein Fehlen | 136
4. Transparenz und Opazität | 144
5. Beobachtung und Bearbeitung | 154
6. Forschungsgegenstände und epistemische Dinge | 158
7. Kopieren und Modifizieren | 161
8. Repräsentation und Übersetzung | 171
9. Simulation und Virtualität | 187
10. Distanz und Nähe | 189
11. Ironie und Humor | 193
12. Genialität und Virtuosität | 197
13. Intention und Intuition | 204
14. Theorie und Praxis | 219
15. Funde und Erfindungen | 222
16. Zwischenglieder und Mittler | 224
17. Werkzeuge und Technik | 227
18. Ingenieure und Bricoleure | 230
19. Sammeln und Versammeln | 234
20. Isolation und Verbundsstruktur | 234
21. Transzendenz und Immanenz | 236
22. Das Experiment aus explorativer Sicht | 253
23. Das explorative und das experimentelle Denksystem | 255
Teil IV: Die Subversion der Bildung | 265
1. Bildung und Lernen | 266
2. Das Scheitern des Scheiterns | 275
3. Die technischen Randbedingungen | 277
4. Die Deutungen der Welt jenseits der Welt | 283
5. Die Persistenz des Explorativen | 287
6. Exploratoren und Experimentatoren | 288
7. Die Hinwendung zur Sprache als Abwendung | 292
8. Die Empirie einer experimentellen Bildungstheorie | 299
Literatur | 303
Weitere Titel aus der Reihe Theorie Bilden |
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