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Dem »Bewegungsmangel« auf der Spur Zu den schulischen und außerschulischen Bewegungspraxen von Grundschulkindern. Eine pädagogische Ethnographie
Dem »Bewegungsmangel« auf der Spur
Zu den schulischen und außerschulischen Bewegungspraxen von Grundschulkindern. Eine pädagogische Ethnographie




Jan Erhorn

Transcript
EAN: 9783837619737 (ISBN: 3-8376-1973-7)
300 Seiten, paperback, 15 x 24cm, 2012, zahlr. Abb.

EUR 29,80
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die Annahme eines »Bewegungsmangels« ist Gegenstand der öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussion um die gesunde Entwicklung von Grundschulkindern. Trotz des breiten Interesses sind die Bewegungsaktivitäten der Kinder als alltägliche soziale Praxis kaum erforscht. Diesem Desiderat widmet sich die ethnographische Studie von Jan Erhorn, die Kinder als Akteure in einem komplexen sozialen Beziehungsgeflecht in Erscheinung treten lässt.

Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf den Schulsport und dessen Bildungs- und Erziehungsauftrag gerichtet. Der Autor plädiert für einen verstärkt am Alltag der Kinder orientierten Schulsport und arbeitet Ansatzpunkte und Handlungsstrategien einer alltagsorientierten Sportdidaktik heraus.
Rezension
Der Schulsport und die außerschulischen Bewegungsaktivitäten von Grundschulkindern leiden nach Auffassung des Autors unter einer gestörten Beziehung; deshalb möchte er den Schulsport stärker mit den Bewegungsaktivitäten der Kinder als alltägliche soziale Praxis verknüpfen. Denn Schule darf keine Eigenwelt darstellen und sich von der Lebenswelt der Kinder abkoppeln. Sechs Aktionsformen kindlichen Bewegungsspiels lassen sich dabei differenzieren: Erkunden, Üben, Trainieren, Spielen mit etwas, Spielen als etwas und Spielen um etwas. Lehrkräfte müssen sich zum einen über diese Bewegungspraxen von Kindern informieren und zum anderen Wert darauf legen, dass die im Sportunterricht erlernten Aktivitäten auch im Alltag der Kinder umgesetzt werden können.

Dieter Bach, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Schlagworte
Bewegung, Spiel, Sport, Schulsport, Ethnographie, Kinder, Gesundheit
Adressaten
Erziehungswissenschaft, Sportwissenschaft, Soziologie, Kindheitsforschung sowie insbesondere Studierende der Pädagogik, Lehrkräfte und Eltern
Autoreninfo:
Jan Erhorn (Dr. phil.) lehrt Sportdidaktik und Bewegungserziehung an der Universität Hamburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Bewegungspraxen von Kindern, die Alltagsorientierung des Schulsports, Schulsport in der Ganztagsschule, Bewegung und Raum sowie die motorische Entwicklung von Kindern. Im Kontext des Sprach- und Bewegungszentrums, welches im Zuge der Internationalen Bauausstellung 2013 entsteht, beschäftigt er sich mit den Möglichkeiten einer Sprachförderung im Medium der Bewegung.
WWW: Uni Hamburg

Interview
... mit Jan Erhorn

1. »Bücher, die die Welt nicht braucht.« Warum trifft das auf Ihr Buch nicht zu?
Das Buch greift ein sehr aktuelles Thema auf. Die Sorge um einen Bewegungsmangel und sich daraus ergebende negative Folgen für die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern ist in Wissenschaft und öffentlicher Diskussion präsent. Wer allerdings Bewegung fördern oder Bewegung als Mittel der Erziehung fruchtbar machen möchte, sollte eine differenzierte Vorstellung davon haben, warum sich Kinder bewegen, wie sie sich bewegen, mit wem sie sich bewegen und welche Erfahrungswelt sich Ihnen erschließt bzw. dabei erschlossen werden kann.

2. Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?
In der öffentlichen und wissenschaftlichen Debatte droht die Fokussierung auf das rechte Maß an Bewegung den Blick für die Vielschichtigkeit des Phänomens zu verstellen. Bewegung von Kindern wird deshalb nicht aus einer Defizitperspektive, sondern als alltägliche soziale Praxis betrachtet. Bewegung stellt einen wichtigen Teil des Kinderalltags dar. Kinder bewegen sich in der Schule, im Sportverein, in der Kita, im Wohnumfeld und bei vielen anderen Gelegenheiten auf sehr vielfältige Art und Weise und sind dabei Teil eines komplexen Beziehungsgeflechts.

3. Welche Bedeutung kommt dem Thema in den aktuellen Forschungsdebatten zu?
Im Rahmen sportdidaktischer Konzepte wird dem Bewegungsalltag der Kinder – als Bedingung für den Unterricht und als Bezugsfeld für die Auswahl von Zielen und Inhalten – zwar durchaus eine hohe Bedeutung beigemessen, jedoch wird die Aufgabe, den Bewegungsalltag der Kinder zu explorieren und Bezüge zwischen schulischer und außerschulischer Bewegung herzustellen, zumeist unvermittelt an die Lehrkräfte abgegeben. Die unternommene Studie gibt in exemplarischer Weise Einblicke in die Strukturen des Bewegungsalltags von Kindern und zeigt Möglichkeiten einer pädagogischen Bezugnahme im Rahmen des Schulsports auf.

4. Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten diskutieren?
Das Buch richtet sich an Personen aus der Theorie und Praxis der Sportpädagogik sowie an interessierte Eltern. Mit Theoretikern würde ich gerne über die pädagogischen Potenziale des Bewegungsalltags der Kinder, mit Praktikern über verschiedene Möglichkeiten der praktischen Umsetzung und mit Eltern über die Bedeutung dieses durch ein hohes Maß an Selbstverantwortung und Selbsttätigkeit gekennzeichneten Lebensbereiches für die Entwicklung ihrer Kinder diskutieren.

5. Ihr Buch in einem Satz:
Ein Versuch, von der Praxis über die Praxis zu lernen.


Editorial zur Reihe:

Die Universität ist traditionell der hervorragende Ort für Theoriebildung. Ohne diese können weder Forschung noch Lehre ihre Funktionen und die in sie gesetzten gesellschaftlichen Erwartungen erfüllen. Zwischen Theorie, wissenschaftlicher Forschung und universitärer Bildung besteht ein unlösbares Band.
Auf diesen Zusammenhang soll die Schriftenreihe Theorie Bilden wieder aufmerksam machen in einer Zeit, in der Effizienz- und Verwertungsimperative wissenschaftliche Bildung auf ein Bescheidwissen zu reduzieren drohen und in der theoretisch ausgerichtete Erkenntnis- und Forschungsinteressen durch praktische oder technische Nützlichkeitsforderungen zunehmend delegitimiert werden. Der Zusammenhang von Theorie und Bildung ist in besonderem Maße für die Erziehungswissenschaft von Bedeutung, da Bildung nicht nur einer ihrer zentralen theoretischen Gegenstände, sondern zugleich auch eine ihrer praktischen Aufgaben ist. In ihr verbindet sich daher die Bildung von Theorien mit der Aufgabe, die Studierenden zur Theoriebildung zu befähigen.
Die Reihe Theorie Bilden ist ein Forum für theoretisch ausgerichtete Ergebnisse aus Forschung und Lehre, die das Profil des Faches Erziehungswissenschaft, seine bildungstheoretische Besonderheit im Schnittfeld zu den Fachdidaktiken, aber auch transdisziplinäre Ansätze dokumentieren.

Die Reihe wird herausgegeben von Hannelore Faulstich-Wieland, Hans-Christoph Koller, Karl-Josef Pazzini und Michael Wimmer, im Auftrag der erziehungswissenschaftlichen Fachbereiche der Universität Hamburg.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 7

1.1 Problemfeld und Erkenntnisinteresse | 7
1.2 Forschungsprozess und Aufbau der Arbeit 15

2 Theoretischer Hintergrund | 21

2.1 Schulpädagogische Betrachtungen | 21
2.1.1 Schule als Institution zur Reproduktion und Innovation der Gesellschaft 22
2.1.2 Die außerschulischen Praxen als Bezugspunkt für die Auswahl von Zielen und Inhalten der Schule 28
2.1.3 Die außerschulischen Praxen als Ausgangs- und Zielpunkt schulischer Lehr-Lern-Prozesse | 34
2.1.4 Zwischenfazit | 36
2.2 Sportdidaktische Betrachtungen | 38
2.2.1 Sportorientierte Konzepte | 39
2.2.2 Kindorientierte Konzepte 47
2.2.3 Zwischenfazit | 55
2.3 Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes | 60
2.3.1 Bewegung als Medium der Mensch-Welt-Vermittlung 60
2.3.2 Bewegung als soziale Praxis | 63
2.3.3 Zwischenfazit | 66

3 Forschungsmethodischer Zugang | 69

3.1 Ethnographie als Forschungsstrategie 70
3.2 Beschreibung der Untersuchungsmethoden 75
3.2.1 Teilnehmende Beobachtung | 76
3.2.2 Interviews | 82
3.3 Beschreibung des Untersuchungsfeldes 85
3.3.1 Lerngruppe | 86
3.3.2 Kontexte von Bewegungspraxen | 88
3.3.2.1 Schulische Kontexte | 88
3.3.2.2 Außerschulische Kontexte 93
3.4 Feldzugang und Beziehungen im Feld | 98
3.5 Auswertung der Daten | 105
3.5.1 Auswertungsverfahren 106
3.5.2 Auswertungsprozess | 108

4 Ergebnisse | 119

4.1 Aktionsformen | 119
4.1.1 Erkunden | 120
4.1.1.1 Ankerbeispiel: „Ich will wissen, ob das stabil ist!" | 120
4.1.1.2 Ausprägungen | 122
4.1.1.3 Zwischenfazit | 132
4.1.2 Üben | 135
4.1.2.1 Ankerbeispiel: „Das habe ich schon ganz schön gut hingekriegt" | 135
4.1.2.2 Ausprägungen | 138
4.1.2.3 Zwischenfazit | 149
4.1.3 Trainieren | 153
4.1.3.1 Ankerbeispiel: „Spaßarbeit, nenn ich das auch manchmal" | 153
4.1.3.2 Ausprägungen | 156
4.1.3.3 Zwischenfazit | 164
4.1.4 Spielen mit etwas | 168
4.1.4.1 Ankerbeispiel: „Boah, das hat gezogen!" | 168
4.1.4.2 Ausprägungen | 172
4.1.4.3 Zwischenfazit 183
4.1.5 Spielen als etwas 187
4.1.5.1 Ankerbeispiel: „Ich bin Anakin Skywalker!" | 187
4.1.5.2 Ausprägungen 190
4.1.5.3 Zwischenfazit | 203
4.1.6 Spielen um etwas | 206
4.1.6.1 Ankerbeispiel: „Lasstuns ein Rennen machen!" | 206
4.1.6.2 Ausprägungen | 208
4.1.6.3 Zwischenfazit 226
4.2 Beziehungen zwischen schulischen und außerschulischen Bewegungspraxen | 230
4.2.1 Schülervermittelte Beziehungen 230
4.2.1.1 Hineintragen | 231
4.2.1.2 Hinaustragen | 236
4.2.2 Lehrervermittelte Beziehungen | 241
4.2.2.1 Kultivieren | 242
4.2.2.2 Zeigen | 247
4.2.2.3 Provozieren 255

5 Fazit | 265

Literaturverzeichnis | 283