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Symbolische Grenzen Zur Reproduktion sozialer Ungleichheit durch ethnische und religiöse Zuschreibungen
Symbolische Grenzen
Zur Reproduktion sozialer Ungleichheit durch ethnische und religiöse Zuschreibungen




Kerstin Duemmler

Transcript
EAN: 9783837626575 (ISBN: 3-8376-2657-1)
442 Seiten, paperback, 15 x 23cm, Dezember, 2014

EUR 36,99
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Einwanderer und ihre Nachfahren sind beim Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen und Positionen oft mit Barrieren konfrontiert. Wie werden diese in der Lebenswelt aufrechterhalten und wie werden sie umkämpft? Das Buch gewährt Einblicke in den Schweizer Schulalltag und zeigt, wie Jugendliche Ungleichheiten interaktiv über symbolische Grenzziehungen reproduzieren: Gestützt auf religiöse und ethnische Zuschreibungen wird bestimmten Einwanderergruppen soziale Anerkennung verweigert – aber auch für sie eingefordert.

Kerstin Duemmler (Dr. phil.) arbeitet als Senior Researcher am Eidgenössischen Hochschulinstitut für Berufsbildung in Lausanne. Sie forscht zu Migration, Diversität und Ungleichheit im Bildungssystem.
Rezension
Migranten und ihre Nachkommen auch der nächsten Generation erfahren gesellschaftliche Ausgrenzungen und Barrieren; gestützt auf religiöse und ethnische Zuschreibungen wird bestimmten Einwanderergruppen soziale Anerkennung auch in den nächsten Generationen verweigert, soziale Ungleichheit wird reproduziert durch "Symbolische Grenzen" (Titel). Diese Studie aus der Reihe "Kultur und soziale praxis" analysiert den Sachverhalt aus der Perspektive der schulischen Lebenswelt junger Erwachsener in der Schweiz. Die Studie sucht Integration unter einer Grenzziehungsperspektive zu betrachten und mit Elementen der Ethnizitätsforschung zu verbinden. Integration erscheint dann nicht mehr länger als kulturelle Anpassungsleistung der Einwanderer, sondern als empirische Frage, wann und mittels welcher Markierungen sich entsprechende ethnische, nationale oder religiöse Grenzziehungen zwischen einem ‚Wir‘ und den ‚Anderen‘ etablieren oder auflösen.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Schlagworte:
Migration, Diversität, Jugend, Schule, Schweiz, Exklusion, Kulturanthropologie, Soziologie
Adressaten:
Soziologie, Anthropologie, Erziehungswissenschaften, Religionswissenschaften

Autoreninterview
... mit Kerstin Dümmler

1. »Bücher, die die Welt nicht braucht.« Warum trifft das auf Ihr Buch nicht zu?
Wir alle kennen ethnische und religiöse Zuschreibungen gegenüber Einwanderern aus unserem Alltag. Doch die sozialen Folgen von Aussagen wie ›Ja, die Einwanderer müssen sich halt integrieren‹ bleiben uns dennoch oft verborgen. Das Buch thematisiert nicht nur die symbolischen Ein-/Ausgrenzungen, die Kinder von Einwanderern im Schulalltag erfahren. Es untersucht auch ihre Reaktionen und deckt die Rückwirkungen auf, die ihre Positionierungen zu alltäglichen Ein-/Ausgrenzungen wiederum auslösen.

2. Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?
Weitverbreitete, normative Paradigmen – Forderungen nach Integration der Einwanderer, Respekt von Geschlechtergleichberechtigung und einer säkularisierten Gesellschaft – werden unter einer symbolischen Grenzziehungsperspektive untersucht. D.h., die Produktion von Ungleichheiten unter den Kindern der Einwanderer und den Schweizer Jugendlichen wird in den Mittelpunkt gerückt. Neue Perspektiven werden auch eröffnet, indem interaktive Wechselwirkungen zwischen Jugendlichen aufgezeigt werden.

3. Welche Bedeutung kommt dem Thema in den aktuellen Forschungsdebatten zu?
Aktuelle Forschungsdebatten machen auf multiple, hybride Identitätsbezüge der Kinder von Einwanderern aufmerksam. Das Buch zeigt allerdings, dass sie alltäglichen Stigmatisierungen und Diskriminierungen auch mit eindeutigen Identitätsbezügen begegnen (entweder zum Herkunftsland der Eltern oder der Schweiz). Klare Identitätsbezüge müssen vor dem Hintergrund der Institutionalisierung von Grenzlinien in gesellschaftliche Schlüsselbereiche (z.B. Integrationspolitik, Rechtssystem) gesehen werden.

4. Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten diskutieren?
Ich kann mir eine lebhafte Diskussion mit Fachpersonen vorstellen, die sich mit der Integration und der Diskriminierung von Einwanderern und ihren Familien beschäftigen. Interessant wären meine Resultate sowohl für jene, die direkt mit ihnen arbeiten, als auch die die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen schaffen. Gerne diskutiere ich mein Buch auch mit Lehrpersonen und Schuldirektionen. Meine Analysen können ihren Reflektionen über den Schulalltag neue Impulse geben.

5. Ihr Buch in einem Satz:
Eine theoriegeleitete, ethnografische Forschung mit zahlreichen Beispielen aus der schulischen Lebenswelt junger Erwachsener.
Inhaltsverzeichnis
Danksagung | 9
Vorwort | 11

1. Symbolische Grenzen: Reproduktion sozialer Ungleichheit durch ethnische und religiöse Zuschreibungen | 13

1.1 Begründung des Forschungsinteresses 13
1.2 Kritische Reflektion des Forschungsansatzes 20
1.3 Aufbau der Arbeit 23

2. Theoretischer Analyserahmen | 29

2.1 Grenzziehungen als symbolische Ein- und Ausschlüsse 30
2.2 Grenzziehungen in ausgewählten Theorien zur sozialen Identität 33
2.3 Grenzziehungen in ausgewählten Theorien zu sozialer Ungleichheit 44
2.4 Ethnizität in Grenzziehungsprozessen 60
2.5 Religion in Grenzziehungsprozessen 78

3. Fazit und Forschungsfragen: Symbolische Grenzen unter jungen Erwachsenen
im schulischen Kontext | 89

4. Ein Mixed-Methods-Design | 97

4.1 Standardisierte Telefonumfrage mit jungen Erwachsenen 99
4.2 Ethnografische Forschung in Schulen 108

5. Zur (De)-Institutionalisierung ethnischer und religiöser Grenzlinien | 127

5.1 Einwanderungs- und Integrationspolitik seit der Nachkriegszeit 128
5.2 Institutionalisierte Privilegierung christlicher Religion 143

6. Eine Annäherung über quantitative Daten: Grenzziehungen um Religion und Ethnizität | 153

6.1 Zur Relevanz von Grenzziehungen um Religion und Ethnizität 153
6.2 Einflussfaktoren auf Grenzziehungen 161
6.3 Zwischenfazit 173

7. Anpassungsparadigma in Grenzziehungen gegen ‚Ausländer‘ | 177

7.1 Anpassungsparadigma als Interpretationsschema der Schweizer Jugendlichen | 179
7.2 Zwischenfazit: Anpassungsparadigma in einer symbolischen Ungleichheitsperspektive | 195
7.3 Interpretationsstrategien der Schweizer Jugendlichen gegen Grenzziehungen | 200

8. Positionierungen gegenüber dem Anpassungsparadigma | 211

8.1 Assimilation: Kristin | 212
8.2 Symbolische Ethnizität: Teresa | 221
8.3 Reaktive Ethnizität I – gleichberechtigte Anerkennung: Ardit | 228
8.4 Reaktive Ethnizität II – Recht auf kulturelle Differenz: Albert | 237
8.5 Fazit: Ethnizität im Kontext von Grenzziehungen gegen ‚Ausländer‘ und
symbolischer Ungleichheit | 247

9. Gleichberechtigungsparadigma in Grenzziehungen gegen ‚Kosovo-Albaner‘ | 251

9.1 Exkurs: Intersektionalität von Ethnizität und Geschlecht 253
9.2 Geschlechtergleichberechtigung als Interpretationsschema in Grenzziehungen gegen ‚Kosovo-Albaner‘ 255
9.3 Reaktive Strategien im Umgang mit der exklusiven Grenzlinie 266
9.4 Fazit: Verhandlung von Geschlechtergleichberechtigung in einer symbolischen Ungleichheitsperspektive 279

10. Säkular und religiös legitimierte Grenzziehungen gegen Muslime | 285

10.1 Säkulare normative Imperative unter den nichtmuslimischen Jugendlichen
10.2 Säkularismus und christliches Erbe in Grenzziehungen gegen Muslime 302
10.3 Interpretationsstrategien gegen Grenzziehungen 317
10.4 Muslimische Jugendliche und ihr Umgang mit der Grenzlinie und symbolischer Ungleichheit 322

11. Herstellung und Auflösung ethnischer und religiöser Grenzen durch die Schule | 339

11.1 Ethnische Diversität als Bereicherung und Herausforderung – ein toleranter aber kulturalisierender Blick 340
11.2 Anpassungsparadigma und Fokus auf Integrationsdefizite 348
11.3 Verharmlosung der Grenzziehungen 355
11.4 Anspruch und Wirklichkeit eines differenzierten und wertfreien Umgangs mit religiöser Diversität 362
11.5 Fazit: Schulischer Umgang mit Diversität in einer symbolischen Ungleichheitsperspektive 369

12. Zusammenfassung und Schlussbetrachtungen | 373

12.1 Ziele und Umsetzung der Studie: eine Rekapitulation 373
12.2 Zentrale Ergebnisse der Studie 376
12.3 Reflektion der Ergebnisse und Ausblick 400

Anhang | 409
Bibliographie | 419