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Psychoanalyse der Lese-Rechtschreibschwäche
Behandlung und Theorie der Legasthenie
Erika Mertens
Brandes & Apsel
EAN: 9783860997635 (ISBN: 3-86099-763-7)
272 Seiten, hardcover, 16 x 22cm, 2002
EUR 29,00 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Erika Mertens läßt in diesem profunden Werk ihre erfolgreichen psychoanalytischen Behandlungserfahrungen mit legasthenen Kindern sprechen und schöpft dabei aus einer 30-jährigen Praxis und jahrzehntelanger Supervisionstätigkeit.
Den Mittelpunkt dieses Buches bilden drei große Einzelfallstudien von Kindern mit Lese-Rechtschreibschwäche. Mertens gewährt einen anschaulichen Einblick in Behandlungstechnik und wissenschaftliche Forschungsmethodik der Psychoanalyse. Sorgfältig und für jeden Interessierten nachvollziehbar werden neue Forschungsergebnisse zur Entstsehung der Legasthenie herausgearbeitet.
Die Behandlungsabläufe , zusätzlich angereichert durch weitere Darstellungen erfolgreicher analytischer Psychotherapien, belegen, daß die Legasthenie kein seperat zu begreifendes Symptom ist, sondern Ausdruck einer weit umfassenden schweren Persönlichkeitserkrankung und in frühen Störungen der Ich-Entwicklung wurzelt.
Zielgruppe: Analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten und Familientherapeuten, Kinderärzte und Kinder- und Jugendpsychiater, Heil- und Sonderpädagogen sowie Schulpsychologen, Sozialpädagogen und Lehrer.
Erika Mertens, Dr. phil., lebt und arbeitet in Köln als niedergelassene analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin (VAKJP). Dozentin und Kontrollanalytikerin am Institut für analytische Psychotherapie im Rheinland. Studium der Sozialarbeit und Supervision für soziale Berufe und am Seminaire de Francais Moderne, Universite Neuchatel. Promotion an der Universität Kassel. Mitglied der Association for Child Psychoanalysis (ACP). Diverse Veröffentlichungen in Fachzeitschriften.
Rezension
Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten (LRS) sind ein sehr hartnäckiges Phänomen, bei dem schon so mancher Lehrer, besonders im Förderunterricht, am Ende seiner pädagogischen und fachlichen Kenntnisse angekommen ist. Irgendwie scheinen alle Bemühungen nicht zu fruchten.
Vor diesem Hintergrund stellt Erika Mertens in ihrem Buch eine psychoanalytische Herangehensweise an das Phämomen vor. Im Mittelpunkt ihrer Betrachtungen stehen nicht der fachliche Förderunterricht, der mit Hilfe von Phonem-, Morphem- und Silbenübungen sowie anderen sprachspezifischen Methoden das Problem zu lösen versucht, sondern die emotionalen und intellektuellen Entwicklungsblockaden der Schüler. Legasthenie ist ihrer Überzeugung nach Symptom einer Persönlichkeitsstörung, das auf spezifische wie unspezifische Faktoren in der Entwicklung zurückzuführen ist.
Die Behandlung dieser Persölichkeitsstörungen in Kinderanalysen wird anhand von drei Fallbeispielen erläutert. Die Sprache ist fachtypisch aber auch für den interessierten Laien verständlich. Grundkonzepte- und Begriffe der Psychoanalyse, wie Ödipuskomplex, Übertragung und Gegenübertragung sowie die Entwicklungsphasen: oral, anal, genital werden jedoch als bekannt vorausgesetzt.
Die beschriebenen Phänomene, wie allgemeine Abwehrhaltung, Aufmerksamkeitsdefizit und unruhiges Verhalten sowie Verstümmelung der Schrift sind aus dem eigenen Unterricht sicherlich vielen bekannt und machen die Thesen wie Ausführungen nachvollziehbar. Über manche Interpretationen kann man sich sicherlich streiten und sind für den Nicht-Analytiker unter Umständen nicht unmittelbar einsichtig bzw. etwas gewagt.
Für den Fachlehrer wäre eine weitere, detailliertere Ausführung der spezifischen Faktoren sowie deren Zusammenhang für die einzelnen Teilbereiche der LRS, wie Phonem-, Graphemwahrnehmung sicherlich wünschenswert gewesen. Leider erwähnt die Autorin nur am Rande, gegen Ende des Buches, daß die Schüler an einem fachlichen Förderunterricht teilgenommen haben. Die These, daß eine psychoanalytische Behandlung allein das Phänomen beseitigen könnte wird nicht aufgestellt. Vielmehr wird die Therapie der Persönlichkeitsstörung unter Einbezug der LRS als Voraussetzung betrachtet, die einen fachlichen Förderunterricht erst sinnvoll und möglich macht.
Am Ende des Buches befindet sich ein Literaturverzeichnis mit z.T. aktuellen Titeln zum Thema.
Fazit: Ein lesenswertes Buch, das vom Lehrer sicherlich Mut verlangt sich auf eine neue Sichtweise der LRS einzulassen und ggf. entsprechende Maßnahmen wie eine Therapie einzuleiten. Ein Buch, das auch die Frage nach dem Machbaren und den Grenzen der Schule und ihres Unterrichts aufwirft.
Björn Hillen, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Danksagung 11
Vorbemerkung 12
Einführung 13
Prolog 15
Sind Sprach- und Schreibkultur voneinander zu trennen? 15
Was bedeutet Schreibkultur im traditionellen Sinne? 17
Zur Phänomenologie der Rechtschreibschwäche 18
Ausnahmeerscheinung Felix 20
Teil I: Theoretische Vorbemerkungen 25
Dem Unbewußten auf die Spur kommen 25
Grundlegende Erkenntnis und Leitfaden: Lese-Rechtschreibschwäche ist eine seelische Erkrankung 26
Zum Beobachtungszugang 27
Rekonstruktion in der Kinderanalyse 29
Das Beobachtungsmaterial 30
Die spezielle Forschungsmethode 31
"The Diagnostic Profile: A Terminal Profile" 31
Teil II: Die Einzelfallstudien 33
Carsten, elf Jahre, neun Monate alt 33
Die Sichtweise des Patienten zu seiner Symptomatik 33
Die Sichtweise der Eltern 33
Die psychologische Sichtweise 34
Das schulische Bild von Carsten 34
Familienhintergrund 34
Die Entwicklungsgeschichte von Carsten 35
Signifikante Umweltfaktoren 38
Behandlungsbericht von Carsten 40
Analsadistische Fixierung gegen Scham- und Schuldgefühle 47
Fingerfarben: Erste Wißbegier und das Schreiben mit den Fingern 50
Die beginnende Pubertät - Zwitterphantasien als Abwehr der realen Auseinandersetzung mit den Geschlechtern 54
"Gehirnoperation" als Ausdruck von "Realitätszerstörung" 55
Das letzte Behandlungsjahr 63
Theoretische Überlegungen zum klinischen Material 68
Die Selbstrepräsentanz von Carsten 68
Der Umgang mit dem Körper 71
Äußere Objektbeziehungen von Carsten 72
Innere Objektbeziehungen von Carsten 73
Funktion der Phantasien und der Handlungssprache 74
Sprechen, Denken, affektives Erleben 78
Abwehrtätigkeit und Ich-Reaktionen auf Gefahrensituationen bei Carsten 83
Das Überich von Carsten 83
Knut, elf Jahre, drei Monate alt 91
Die Sichtweise des Patienten zu seiner Symptomatik 91
Die Angaben der Mutter zur Symptomatik 91
Familiärer Hintergrund 92
Die Entwicklungsgeschichte von Knut 93
Signifikante Umweltfaktoren 95
Behandlungsbericht von Knut 97
Theoretische Überlegungen zum klinischen Material 111
Die Selbstrepräsentanz von Knut 111
Das Körpererleben und der Umgang mit dem Körper 112
Äußere Objektbeziehungen von Knut 113
Innere Objektbeziehungen von Knut 114
Träume und die Funktion von Spielen, Zeichnungen und Phantasien 114
Sprechen, Worte und Wortspiele, Denken, affektives Erleben 116
Abwehrtätigkeit und Ich-Reaktionen auf Gefahrensituationen bei Knut119
Das Überich von Knut 121
Steffi, neun Jahre, zehn Monate alt 124
Vorstellungsgrund und Symptomatik 124
Spielbeobachtung und Exploration von Steffi 125
Familienhintergrund 125
Die Entwicklungsgeschichte von Steffi 126
Signifikante Umweltfaktoren 129
Behandlungsbericht von Steffi 130
Theoretische Überlegungen zum klinischen Material 144
Die Selbstrepräsentanz von Steffi 144
Körpererleben und Umgang mit dem Körper 146
Äußere Objektbeziehungen von Steffi 147
Innere Objektbeziehungen von Steffi 148
Die Funktion von Spielen, Träumen und Phantasien von Steffi 148
Sprechen, Denken, affektives Erleben von Steffi 149
Abwehrtätigkeit und Ich-Reaktionen auf Gefahrensituationen bei Steffi 151
Das Überich von Steffi 152
einige Bemerkungen zur Gegenübertragung 153
Teil III: Noch zwei andere Krankengeschichten 159
Dennis, acht Jahre alt 160
Einige Auszüge aus der psychoanalytischen Behandlung von Dennis 161
Hank, elf Jahre alt 168
Vom Schreibaby zum Legastheniker 168
Zur Entwicklungsgeschichte von Hank 169
Hanks Fehlstart ins Leben ist kein Einzelfall 170
Die Erfahrung der Stimme als Feedback für den Säugling 171
Viele Kinder orientieren sich hauptsächlich visuell und am konkreten Gegenüber oder Bild 172
Hank und seine Entwicklung 172
Die leidvolle Beziehung zum Halbbruder und die Zurücksetzung durch den Vater 173
Einschulung in eine Schule für Verhaltensgestörte 174
Bericht von der Psychotherapie mit Hank aus den ersten drei Behandlungsjahren 175
Ein neuer, aber dorniger Weg beginnt 182
Aus dem vierten Behandlungsjahr - im 15. Lebensjahr von Hank 184
Aus einer späteren Stunde: "Englisch schaffe ich nie" 186
"Die Hölle, das ist die Wiederholung..., aber die Angst ist weg" 187
Drei Wochen später. "Andere sind gut, nur ich bin scheiße" 187
Aus dem vorletzten Behandlungsjahr: Hank ist sechzehn 188
Vier Wochen später 189
Eine Woche später: "Ich bin der Hitler der Buchstaben" 190
Vier Wochen später: "Es klappt wieder ganz gut" 190
Teil IV: Weiterführende theoretische Erörterungen 192
Andere Symptome - Verglichbare Wurzeln 192
Vergleich der Legasthenie mit der Delinquenz 194
Vergleich der Legasthenie mit psychosomatischen Störungen 195
Vergleich der Legasthenie mit der Perversion 198
Traumatischer Stress, Neurobiologie und Legasthenie 199
Einige Anmerkungen aus der biologischen Gedächtnisforschung 208
Teil V: Untersuchungsergebnisse: 211
Was hat therapeutisch gewirkt? 211
Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse 215
Der Erwerb des Nein und seine Bedeutung für die Symbolisierung 217
Zur Rolle des Vaters 218
Der Weltbürger Forster und sein Vater 219
Die Überich-Bildung 220
Protestverhalten und sexualisierter Sprachgebrauch 22
Verzerrter Exhibitionismus, heimliches Schriftgelehrtentum oder Grandiosität? 224
Unbewußtes Strafbedürfnis und masochistische Reaktion in der Legasthenie 224
Diagnose und Behandelbarkeit 225
Zusammengefaßte Ergebnisse und ätiologische Überlegungen 227
Teil VI: Zwei Exkurse 229
Legasthenie und Gesellschaft 229
Zum gesellschaftlichen Umgang mit der Legasthenie 232
"Förderung der Demokratiefähigkeit" 234
Die Schrift im Wandel der Zeit 236
Die Schrift als magische Autorität 236
Der neue Schriftträger Papier und die Profanisierung der Schrift 238
Der Buchdruck und seine Folgen 239
Unterrichts- und Schulpflicht 239
Schrift, profane Kunst und neue Medien 240
Das Buch lebt und lebt... 243
Literatur 244
Index 252
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