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Giovanni Pico della Mirandola: Neunhundert Thesen Lateinisch - Deutsch Übersetzt, mit einer Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Nikolaus Egel
Giovanni Pico della Mirandola: Neunhundert Thesen
Lateinisch - Deutsch


Übersetzt, mit einer Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Nikolaus Egel

Giovanni Pico della Mirandola

Meiner Hamburg
EAN: 9783787331833 (ISBN: 3-7873-3183-2)
217 Seiten, paperback, 12 x 19cm, 2018

EUR 22,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Giovanni Pico della Mirandola war gerade einmal 23 Jahre alt, als er seine Neunhundert Thesen im Jahr 1486 in Rom mit der Schlussbemerkung veröffentlichen ließ, dass er persönlich jedem Gelehrten, der zur Disputation über die Thesen nach Rom kommen wolle, die Reisekosten erstatten würde. Pico hatte sich damit ein Ziel von bisher nie dagewesenen Ausmaßen gesetzt: Mit allen Gelehrten des Abendlandes wollte er vor dem Papst über alle Lehrsätze der verschiedenen Völker und deren Denker disputieren, über die Kabbala und die zoroastrischen Weisheitslehren wie über die verschiedensten Thesen des Neuplatonismus, der mittelalterlichen Scholastik, der Orphik und der arabischen und chaldäischen Weisheit. Das Ziel war die Versöhnung aller im Abendland bis dahin bekannten Autoritäten und die Zusammenführung der philosophischen und theologischen Traditionen des 15. Jahrhunderts zu einer christlichen Weisheit. Pico stellte sich die Veranstaltung als einen gewaltigen Kongress vor, für den die Neunhundert Thesen die Diskussionsgrundlage bilden sollten. Während die ersten 400 Thesen eine Zusammenstellung konfligierender Lehrmeinungen darstellen, sind die zweiten 500 „Thesen gemäß der eigenen Ansicht“, also – schon das ein unerhörtes Novum – ganz eigene Positionen Picos, die von der gängigen Art des Philosophierens abweichen. Allein – der Papst ließ 13 der Thesen auf den Index setzen und den gesamten Text verbieten. Die Versammlung, von der Pico geträumt hatte, fand niemals statt. Die bereits gedruckten Exemplare wurden eingezogen und zum Teil verbrannt. Pico wurde, nachdem er Rom verlassen hatte, verhaftet und exkommuniziert.
Rezension
Giovanni Pico della Mirandola (1463-1494) gilt als prägnante Gestalt des Humanismus. Vor allem seine Rede "Über die Würde des Menschen" (1487) gilt als Festrede auf das Menschengeschlecht, in der er insbesondere die Freiheit des Menschen betont. Gehalten werde sollte diese Festrede zur Eröffnung eines internationalen Gelehrtenkongresses, den er für das Jahr 1487 - selbst erst 23 Jahre alt - in Rom an der Kurie plante. Ein Jahr zuvor veröffentlichte er seine "900 Thesen", die auf dem Kongress erörtert werden sollten. Wie Nikolaus Egel in der umfangreichen Einleitung schreibt: "Mit allen Gelehrten des Abendlandes wollte er vor dem Papst über alle Lehrsätze der verschiedenen Völker und deren Oberhäupter seit den Weisheitslehren Zoroasters und der jüdischen Kabbala disputieren (...)" (VII). Sein Ziel war dabei die "Versöhnung aller im Abendland bis dahin bekannten Autoritäten, um anhand der Zusammenführung der philosophischen und theologischen Traditionen des 15. Jahrhunderts in der Form einer Disputation 'eine christliche Weisheitslehre' zu finden und ihre Spuren oder Vorläufer in allen diesen Traditionen nachzuweisen" (ebd.). Das ist wahrlich ein großes Unterfangen, aber wohl auch zu groß, um es zu verwirklichen. Der Gelehrtenkongress fand nie statt. Einige seiner Thesen wurden von Papst Innozenz VIII. sogar als "häretisch oder falsch" erklärt, so dass Pico sogar exkommuniziert wurde.
Von der Renaissance-Forschung wurden die 900 Thesen Picos nicht ernsthaft untersucht, zeigen sie doch eher "eine geistige Welt im Übergang aus dem Mittelalter zur Renaissance" (XLIII), keinen radikalen Umbruch in ein neues Zeitalter, für den etwa seine "Rede über die Würde des Menschen" vereinnahmt wird. Man kann also lernen, dass Pico durchaus daran gelegen war, durch die Versöhnung philosophischer und theologischer Positionen hin zu 'einer christlichen Weisheitslehre' keinen radikalen Umbruch zu wagen, sondern eher den Weg einer sanften Zusammenführung zu gehen.
Pico kann also durchaus noch einmal neu entdeckt und ganz anders gelesen werden, als die großen Renaissance-Forscher des 19. und 20. Jahrhunderts (vor allem Jacob Burckhardt und Ernst Cassirer) dies taten. Das gelingt mit der vorliegenden Edition in ausgezeichneter Weise. Nikolaus Egel ordnet in der umfangreichen Einleitung den Text in die zeitgeschichtlichen Zusammenhänge hervorragend ein und auch die Übersetzung überzeugt auf ganzer Linie. Das Buch schließt mit einer umfangreichen Bibliographie und einem Namenverzeichnis. Kurz: Man kann für die vorliegende Edition der "900 Thesen" Picos nur das Prädikat "herausragend" vergeben.

Stefan Düfel, www.lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Pressestimmen:
"Es lohnt sich, Pico della Mirandola, der alles und alle las, wieder zu lesen. Sein Werk ist ein radikales Plädoyer für Vielfalt und Pluralismus im philosophischen und religiösen Denken. Eine Lehre, die wir gegenwärtig nötig haben."
Daniel-Pascal Zorn, Süddeutsche Zeitung, 02.08.2018

"Endlich eine moderne deutsche Übersetzung"
Tobias Hürter, Hohe Luft 2020/1
Inhaltsverzeichnis
Einleitung. Von Nikolaus Egel VII

1. Die Disputatio VII
2. Die Rede "Über die Würde des Menschen" XIII
3. Die "Neunhundert Thesen" XIX
3.1 Veröffentlichung – Reaktionen – "Apologie" XIX
3.2 Das Anliegen der 900 Thesen: ein Manifest der philosophia perennis XXIII
3.3 Die Struktur der "Neunhundert Thesen" XXX
4. Zu dieser Edition und Übersetzung XLIV

GIOVANNI PICO DELLA MIRANDOLA: Neunhundert Thesen 1

Giovanni Pico della Mirandola, an den Leser 3

Fünfundvierzig Konklusionen gemäß Thomas. 7
Acht Konklusionen gemäß Franciscus [Mayronius]. 13
Zweiundzwanzig Konklusionen gemäß Johannes Duns Scotus. 15
Dreizehn Konklusionen gemäß Heinrich von Gent. 17
Elf Konklusionen gemäß Aegidius Romanus. 19
Einundvierzig Konklusionen gemäß Averroes. 23
Zwölf Konklusionen gemäß Avicenna. 29
Elf Konklusionen gemäß Alfarabi. 31
Vier Konklusionen gemäß Isaac von Narbonne. 33
Vier Konklusionen gemäß Abumaron dem Babylonier [Avenzoar]. 35
Drei Konklusionen gemäß Moses dem Ägypter [Moses Maimonides]. 35
Fünf Konklusionen gemäß Mohammed von Toledo. 37
Zwei Konklusionen gemäß dem Araber Avempace. 37
Vier Konklusionen gemäß Theophrast. 39
Drei Konklusionen gemäß Ammonius. 39
Neun Konklusionen gemäß Simplicius. 41
Acht Konklusionen gemäß Alexander von Aphrodisias. 43
Fünf Konklusionen gemäß Themistius. 45
Fünfzehn Konklusionen gemäß Plotin 45
Acht Konklusionen gemäß Adeland dem Araber [Adelard von Bath]. 47
Zwölf Konklusionen gemäß Porphyrios. 49
Neun Konklusionen gemäß Iamblichos. 53
Fünfundfünzig Konklusionen gemäß Proklos. 55
Vierzehn Konlusionen gemäß der Mathematik des Pythagoras. 69
Sechs Konklusionen gemäß der Ansicht der chaldäischen Theologen. 71
Zehn Konklusionen gemäß der altehrwürdigen Lehre des Ägypters Hermes Trismegistos. 73
Siebenundvierzig kabbalistische Konklusionen gemäß der geheimen Lehre der hebräischen kabbalistischen Weisen, deren Andenken immer geehrt werden sollte.75
Siebzehn paradoxe Konlusionen gemäß meiner eigenen Ansicht, die zuerst die Aussprüche Aristoteles’ und Platons versöhnen, und daraufhin die Aussprüche anderer gelehrter Männer, die sich sehr stark zu widersprechen scheinen. 83
Achtzig philosophische Konklusionen gemäß meiner eigenen Ansicht. Auch wenn sie von der allgemein verbreiteten Philosophie abweichen, stehen sie doch nicht sehr im Widerspruch zur allgemeinen Methode des Philosophierens. 87
Einundsiebzig paradoxe Konklusionen gemäß meiner eigenen Meinung, die neue Lehrsätze in die Philosophie einführen. 105
Einunddreißig [neunundzwanzig]Konklusionen in der Theologie gemäß meiner eigenen Ansicht, die von der allgemeinen Sprechweise der Theologen ziemlich verschieden ist. 121
Zweiundsechzig Konklusionen gemäß meiner eigenen Meinung über die Lehre Platons, von denen hier wenige angeführt werden, weil meine erste paradoxe Konklusion es auf sich nimmt, die ganze Lehre Platons zu diskutieren. 129
Konklusionen gemäß meiner eigenen Ansicht über die Lehre von Abucaten Avenan, der als Autor des Buchs von den Ursachen [liber de causis]bezeichnet wird. 145
Fünfundachtzig Konklusionen über Mathematik gemäß meiner eigenen Ansicht.149
Fragen, auf die er durch Zahlen zu antworten verspricht. 151
Fünfzehn Konklusionen gemäß meiner eigenen Ansicht über das Verstehen der Aussprüche Zoroasters und seiner chaldäischen Erklärer. 159
Sechsundzwanzig magische Konklusionen gemäß meiner eigenen Ansicht. 163
Einunddreißig Konklusionen gemäß meiner eigenen Ansicht über das Verstehen der orphischen Hymnen gemäß der Magie, das heißt, gemäß der geheimen Weisheit der göttlichen und natürlichen Dinge, die zuerst von mir in ihnen gefunden worden ist. 169
Einundsiebzig [zweiundsiebzig] kabbalistische Konklusionen gemäß meiner eigenen Ansicht, die die christliche Religion äußerst stark bestätigen, indem sie die eigenen Fundamenteder hebräischen Weisen benutzen. 175

ANHANG: Die 13 verurteilten Thesen sowie die Beurteilung der päpstlichen Kommission 199
Anmerkungen des Herausgebers 203
Bibliographie 207
Namenverzeichnis 215