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Gedächtnistheorie und Neues Testament Eine methodisch-hermeneutische Einführung
Gedächtnistheorie und Neues Testament
Eine methodisch-hermeneutische Einführung




Sandra Huebenthal

Narr , UTB
EAN: 9783825259044 (ISBN: 3-8252-5904-8)
372 Seiten, paperback, 15 x 22cm, August, 2022, 65 farb. Abb.

EUR 26,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Mit seinem innovativen Ansatz erschließt das Lehrbuch erstmals die Erkenntnisse interdisziplinärer Forschung zu Gedächtnis und Erinnerung für die Interpretation des Neuen Testaments. Jenseits der Frage wie es gewesen ist, werden die Texte des Neuen Testaments nicht als historische Berichte, Geschichtsschreibung oder Augenzeugenerinnerung gelesen, sondern als Zeugnisse frühchristlicher Identitätsbildung, die sich sozialen Aushandlungsprozessen verdanken. Neben einer grundlegenden Einführung in die Grundbegriffe kulturwissenschaftlicher Gedächtnistheorie bietet das Buch exemplarische Lektüren neutestamentlicher Texte als Identitätstexte, an die Leser:innen mit ihren eigenen Erfahrungen anknüpfen können, und einen Ausblick in das Potential kulturwissenschaftlicher Exegese.

Prof. Dr. Sandra Huebenthal ist Inhaberin des Lehrstuhls für Exegese und Biblische Theologie an der Universität Passau.
Rezension
Wissenschaftliche Bibelauslegung, die biblische Exegese, bedient sich vielfältiger Methoden aus unterschiedlichsten Wissenschafts-Disziplinen. Diese Methoden sind niemals abgeschlossen sondern befinden sich in steter Überarbeitung, Veränderung, Erneuerung, Übernahmen und Anpassungen aus anderen Wissenschaftsbereichen. Im Zuge des Cultural Turn haben kulturwissenschaftliche Ansätze – und mit ihnen auch Fragen zu Erinnerung und kollektiven Gedächtnissen – in viele Einzelwissenschaften Einzug gehalten. Theologie und die Bibelwissenschaft bilden dabei keine Ausnahme. Die Erforschung biblischer Texte ist von jeher mit Fragen zu Erinnerung und Gedächtnis verbunden, - bereits innerhalb der biblischen Texte selbst. Kulturwissenschaftliche Gedächtnistheorie (Social Memory Theory) wurde zuerst von der historischen Jesusforschung aufgegriffen, weil dort offensichtlich das Paradigma des historischen Jesus durch das Paradigma vom erinnerten Jesus (kerygmatischen Christus) ersetzt wurde. Der Gedächtnistheorie geht darum, die Schriften des Neuen Testaments als Produkte kollektiver Gedächtnisse zu verstehen. Die Autorin verdeutlicht das in dieser methodisch-hermeneutischen Einführung in drei Kapiteln (vgl. Inhaltsverzeichnis): I. Hermeneutische Grundlegung und Methodik, II. Exemplarische Lektüren, III. Potential und Grenzen Kulturwissenschaftlicher Exegese. Die Anwendung von Erkenntnissen der interdisziplinären Forschung zu Gedächtnis und Erinnerung auf biblische Texte steht noch am Anfang, eine erprobte und allgemein akzeptierte Methodik existiert noch nicht. Das vorliegende Lehrbuch will diese Lücke schließen.

Thomas Bernhard, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 11

I. Hermeneutische Grundlegung und Methodik 13

I.1 Einführung und Begriffsklärung 15

Gedächtnis und Erinnerung in der Bibel und im frühen Christentum 15
Gedächtnis und Erinnerung in der Kulturwissenschaft 19
Gedächtnis und Erinnerung in der Bibelwissenschaft 23

I.2 Individuelle Erinnerung 27

Alltagskommunikation und die Weitergabe von Erfahrungen 27
Erfahrung, Erinnerung und narrative Versprachlichung: Geschichten erzählen 30
Semantisches und episodisches Gedächtnis 34
Körperliches Gedächtnis und ausgelagertes Gedächtnis 38

I.3 Formen sozialer Erinnerung 43

Soziales und kollektives Gedächtnis (Maurice Halbwachs) 43
Kollektives und kulturelles Gedächtnis (Aleida und Jan Assmann) 49
Generational Gap und Neues Testament: Die Predigt des Stephanus (Apg 6,8–7,60) 53
Soziales, kollektives und kulturelles Gedächtnis im Modell 55

I.4 Generationen, Krisenzeiten und Medienwechsel 63

Ein Blick auf die Gegenwart 63
Mediale Aushandlung und Vermittlung 66
Generationen und Krisenzeiten: Von Ostern aus gedacht 69
Die unterschiedlichen Perspektiven frühchristlicher Texte 71
Paulus 72
Matthäus 73
Polykarp 74

I.5 Eine Generationenfrage: orthonyme, anonyme undpseudepigraphe Texte 77

Generation als heuristische Kategorie in der Bibelwissenschaft 77
Unterschiedliche Generationen und veränderte Problemlagen 87
Texte und Textsorten der dritten Generation 91
Die frühchristlichen Generationen im Überblick 95

I.6 Fast wie ein Familienalbum: Neutestamentliche Texte als Momentaufnahmen 99

Familienalben und Familiengeschichte 99
Einzelanekdoten und Erzählzusammenhänge 103
Von den Familiengeschichten zur Familienchronik 106
Elementare Erzählformen 109
Das Neue Testament als Sammlung frühchristlicher Momentaufnahmen 111

I.7 Das Neue Testament als kulturellen Text lesen 115

Notwendige Vorentscheidungen 115
Neutestamentliche Texte als Gedächtnistexte lesen 121
Methodisches Vorgehen 125
Konkrete Arbeitsschritte 129

II. Exemplarische Lektüren 137

II.1 Von eigenen Erfahrungen erzählen: Der Brief an die Galater 139

Die Beziehung zwischen Absender und Adressaten und ihre gemeinsame Geschichte 140
Der aktuelle Stand 141
Perspektiven, Argumentationslinien und kulturelle Rahmen 146
Auswertung und gedächtnistheoretische Einordnung 150

II.2 Traditionen finden: Der Brief an die Kolosser 155

Die Beziehung zwischen Absender und Adressaten und ihre gemeinsame Geschichte 156
Der aktuelle Stand 158
Perspektiven, Argumentationslinien und kulturelle Rahmen 159
Irritationen und Inkongruenzen 161
Abgleich mit Vergleichstexten und Sekundärliteratur 163
Auswertung und gedächtnistheoretische Einordnung 167

II.3 Traditionen erzählen: Das Markusevangelium als Erzähltext 171

Erste Orientierung über das Markusevangelium: Struktur und Einzelepisoden 172
Der Anfang des Markusevangeliums: Leseerwartungen und Vorwissen 174
Erzählerische Gestaltung von Mk 1,1–3,6 179
Auswertung und gedächtnistheoretische Einordnung 185

II.4 Traditionen weiterentwickeln: Das Lukasevangelium als zweiter Entwurf 195

Der Anfang des Lukasevangeliums: Leseerwartungen und Vorwissen 196
Erzählstimme und Gestaltung der Erzählung 198
Kulturelle Rahmen im Lukasevangelium 200
Erzählfiguren im Lukasevangelium 2003
Jesus im Lukasevangelium 207
Auswertung und gedächtnistheoretische Einordnung 211

II.5 Traditionen stabilisieren: Die Apostelgeschichte 213

Der Anfang der Apostelgeschichte (1,1–12) 214
Inhalt und Textstruktur der Apostelgeschichte 217
Erzählerische Gestaltung 222
Inhalt und Zweck der Reden in der Apostelgeschichte 223
Verhältnis der Apostelgeschichte zum Lukasevangelium 228
Auswertung und gedächtnistheoretische Einordnung 231

II.6 Auf Traditionen aufbauen: Der Zweite Petrusbrief 235

Die Beziehung zwischen Absender und Adressaten und ihre gemeinsame Geschichte 236
Der aktuelle Stand 238
Perspektiven, Argumentationslinien und kulturelle Rahmen 240
Auswertung und gedächtnistheoretische Einordnung 243

II.7 Weiterführende Beobachtungen nach den exemplarischen Lektüren 248

III. Konkretionen: Potential und Grenzen Kulturwissenschaftlicher Exegese 251

III.1 Aufgaben kulturwissenschaftlicher Exegese 253
Historische Jesusforschung und kulturwissenschaftliche Exegese: Abgrenzungen 252
Kritische Anfragen an kulturwissenschaftliche Exegese 257
Weitere mögliche Arbeitsfelder kulturwissenschaftlicher Exegese 264

III.2 Soziales oder Kollektives Gedächtnis? Die Thessalonicherbriefe im Vergleich 267

Die Thessalonicherkorrespondenz in kulturwissenschaftlicher Perspektive 268
Soziales oder Kollektives Gedächtnis? Leseerwartungen 269
Untersuchungsfragen 272
Beobachtungen am Ersten Thessalonicherbrief 273
Beobachtungen am Zweiten Thessalonicherbrief 277
Auswertung 281

III.3 Gedächtnistheorie und Entstehungsszenarien biblischer Texte: Die Flavierthese 285

Die Flavierthese und das Markusevangelium: Rezeptionskategorie oder Aussage über die
Textproduktion? 285
Das „Wunder von Bern“ und die Entwicklung von Rezeptionskategorien 290
Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Rezeptionskategorien 296

III.4 Am Übergang zum kulturellen Gedächtnis: Den Floating Gap überbrücken 301

Rezeptionskategorien orientieren sich an den Bedürfnissenderjenigen, die sie entwickeln 301
Tradentenketten und die Überbrückung des Floating Gap 305
Generationen und Tradentenfragen 308
Papias und die Fragen am Übergang vom kollektiven zum kulturellen Gedächtnis 313

III.5 Das Konzil von Trient: Kanon als kulturelles Gedächtnis 317

Hermeneutischer Vorspann: Was ist der Kanon? 318
Kanon und Interpretationsgemeinschaft 321
Die Trienter Kanonentscheidung in kulturwissenschaftlicher Perspektive 326
Die Rezeption der Trienter Kanonentscheidung 332

IV Anhang 335

Glossar 337
Literaturverzeichnis 355
Autorenverzeichnis 361
Bibelstellenverzeichnis 363