Ökologische Krise, Psychokrise und Demokratiekrise. Diese drei Krisen identifiziert der Soziologe Hartmut Rosa als signifikant in unserer gegenwärtigen Spätmoderne. Andere Wissenschaftlicher würden noch globale Armut und Hunger dazu nehmen. Versucht man eine Zeitdiagnose der letzten zehn Jahre zu geben, fallen einem sofort bestimmte Stichworte ein, welche den wissenschaftlichen und öffentlichen Diskurs in der Bundesrepublik prägten. Zu nennen wären u.a.: „Neoliberalismus“, „soziale Ungleichheit“, „Selbstoptimierung“, „Kreativität“, „Resonanz“, „Klimawandel“, „Ländlichkeit“, „Populismus“, „Rechtsextremismus“, „digitale Revolution“, „Fake News“, „Verschwörungstheorien“, „Transparenz“ und „Transhumanismus“.
Manche dieser Begriffe findet man explizit aufgenommen in dem Buch „Stichworte zur Zeit. Ein Glossar“, herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung und erschienen im transcript Verlag. Andere der oben genannten Termini werden dort durch verwandte Stichworte abgedeckt, zum Beispiel „soziale Ungleichheit“ durch „Neofeudalismus“, „Selbstoptimierung“ durch „Burnout“, „Ländlichkeit“ durch „Landlust“, „Fake News“ durch „Wahrheit“, „digitale Revolution“ durch „Computerspiele“, „Facebook“ und „Öffentlichkeit, digitale“, „Populismus“ und „Rechtsextremismus“ durch „Metapolitik“ und „Querfront“. Geschuldet ist dieses den Vorgaben der Heinrich-Böll-Stiftung. Von 2013 bis 2020 veranstaltete sie eine Vortragsreihe „Auf der Höhe – Diagnosen der Zeit“, auf der eingeladene Intellektuelle aktuelle gesellschaftliche Trends mittels Stichwörtern analysierten. Dabei sollten alle 26 Buchstaben des Alphabets abgedeckt werden, was auch gelungen ist.
Die Beiträge, welche in dem Buch abgedruckt wurden, stammen überwiegend von Wissenschaftler*innen, ein geringer Teil von Journalist*innen. Darunter finden sich aufschlussreiche Texte zum Beispiel von den Soziologen Hartmut Rosa und Andreas Reckwitz, dem Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik, sowie den Philosoph*innen Daniel Martin Feige, Rainer Forst und Rahel Jaeggi. Durch die prägnanten Beiträge, welche oftmals auf jeweils eigenen Forschungen basieren, leisten die Autor*innen des Bandes einen wichtigen Beitrag zur Orientierung in Zeiten großer Unübersichtlichkeit. Lehrkräfte der Fächer Philosophie, Ethik und Politik erhalten durch das Glossar mit 26 aufschlussreichen Einträgen grundlegendes zeitdiagnostisches Wissen, um sich im Unterricht mit gesellschaftlichen Entwicklungen problemorientiert auseinandersetzen zu können.
Fazit: Das Buch „Stichworte zur Zeit. Ein Glossar“ kann allen, die up to date sein möchten in Bezug auf gesellschaftliche Transformationsprozesse, nur zur Anschaffung empfohlen werden. Es leistet einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung der Gesellschaft über sich selbst.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de

Heinrich-Böll-Stiftung (Hg.)
Stichworte zur Zeit
Ein Glossar
Die Frage »Wie wollen wir in Zukunft leben?« ist in aller Munde. Aber in welcher Welt leben wir eigentlich jetzt gerade? So banal es klingt: Es braucht Abstand, um das eigene Jetzt klarer sehen zu können. Gerade in Krisenzeiten kommt es darauf an, besser zu verstehen, was vor sich geht. Deshalb wiederholt die Heinrich-Böll-Stiftung – 40 Jahre nach den »Stichworten zur geistigen Situation der Zeit« – das Experiment und befragt Intellektuelle zu zentralen gesellschafts- und kulturdiagnostischen Stichworten unserer Zeit. Und was im Einzelnen assoziativ ist, wirft als Ganzes Licht auf das Unbekannte und Übersehene unserer Gesellschaft. Von A bis Z mit diesem Buch auf der Höhe der Zeit.

Inhaltsverzeichnis