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Kinder der Gewalt Ein Porträt Russlands in fünf Verbrechen
Kinder der Gewalt
Ein Porträt Russlands in fünf Verbrechen




Julian Hans

Verlag C. H. Beck oHG
EAN: 9783406808869 (ISBN: 3-406-80886-7)
253 Seiten, paperback, 13 x 21cm, Februar, 2024, mit 9 Abbildungen Klappenbroschur

EUR 18,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Woher kommt die ungeheuere Brutalität, mit der die russischen Soldaten in der Ukraine morden, plündern und vergewaltigen? Warum wehren sich so wenige Russen gegen den Krieg? Julian Hans, der langjährige Moskau-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, macht anhand von fünf spektakulären Verbrechen sichtbar, wie sich Gewalt und Erniedrigung in das Leben der Menschen gefressen haben. Wer verstehen will, wie die russische Gesellschaft tickt, findet hier seismographisch-genaue Antworten.

Auch wenn Putin irgendwann nicht mehr im Kreml sitzt – die russische Gesellschaft tritt nicht ab. Menschen, die ihr Leben lang erniedrigt wurden und daher schnell bereit sind, andere zu erniedrigen. Menschen, die nie erfahren haben, dass ihr eigenes Leben geschützt und geachtet wird, und die deshalb schwer Achtung und Mitgefühl für andere entwickeln können. Menschen, die gelernt haben, dass es keine Wahrheit gibt, die nicht morgen in ihr Gegenteil verkehrt werden kann. Diese Buch nähert sich dem Zusammenspiel von Angst, Gewalt und Lüge in Russland am Beispiel von fünf Kriminalfällen – eine brutale Bande terrorisiert eine Kleinstadt, jugendliche Polizistenmörder werden zu Volkshelden, drei Schwestern töten ihren tyrannischen Vater, ein Enkel klagt die Henker seines Urgroßvaters an, ein Folteropfer überwindet den Hass. Dabei zeigt sich auch, welche Kräfte helfen könnten, die über Generationen geprägten Muster der Gewalt zu überwinden.

Julian Hans war viele Jahre Moskau-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung. Er lebt als freier Journalist in München.
Rezension
Dieses zunächst unter dem Titel "Die Killer von Krasnodar" angekündigte Buch stellt eine zentrale Frage, die zwei Jahre nach dem brutalen russischen Überfall vom 24.02.2022 auf die Ukraine umso dringlicher zu stellen ist: Warum dulden die Russen diesen Krieg, diese Gewalt und diese Tyrannei? Der Autor sucht eine Antwort mit Hilfe der Killer von Krasnodar, den Kindern der Gewalt: Zwanzig Jahre lang hält eine Bande rücksichtsloser Gewalttäter eine Kleinstadt in Russlands Süden im Griff. Sie raubt den Bauern ihr Land, missbraucht die Mädchen, kauft die Polizisten. Gegner werden getötet, Hilferufe nicht gehört. Die Anführer des Clans sitzen als Abgeordnete im Parlament, ihre Firmen erhalten Millionen aus der Staatskasse. Erst als in einer Nacht zwölf Menschen brutal ermordet werden, darunter vier Kinder, schreckt das Land auf und die Öffentlichkeit fragt sich: Wie konnte das Verbrechen so mächtig werden? Und warum haben die Menschen diese Tyrannei so lange geduldet? - Eine Antwort findet sich in dem Motto, das dem Buch vorangestellt ist: "Wer die Gewalt zu seiner Methode macht, muss die Lüge zu seinem Prinzip erwählen" (Alexander Solschenizyn, Nobelpreisrede 1970). Unter dem Eindruck von Russlands Überfall auf die Ukraine und der Gräueltaten seiner Soldaten versucht das Buch zu begreifen, warum diese Gesellschaft so bereitwillig in diesen Krieg zieht. Warum wehren sich nicht mehr Russinnen und Russen? Warum lassen sie sich scheinbar schicksalsergeben für einen Feldzug rekrutieren, dessen Sinn sie nicht wirklich verstehen? Warum zeigen so wenige Mitgefühl für ihre Verwandten in der Ukraine? Und warum fehlt ihnen scheinbar jede Wertschätzung für das Leben (z.B. auch des in Haft getöteten Alexej Nawalny) – das Leben anderer, aber auch das eigene? Am Beispiel von fünf Verbrechen schildert dieses Buch, wie Willkür, Gewalt, Machtmissbrauch und Lüge auf eine Gesellschaft wirken. Jeder der vorgestellten Kriminalfälle ist Ausgangspunkt für einen eingehenden Blick auf grundlegende Phänomene und Entwicklungen der russischen Gesellschaft. Im Zusammenhang mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten und dem Verhalten von SS und Geheimpolizei sprach Hannah Arendt vom «Eindringen der Kriminalität in den Bereich des Öffentlichen». Dieser Prozess hat sich in Russland auf eigene Weise vollzogen. Nicht über eine menschenverachtende Ideologie, sondern über Gier und Korruption.

Jens Walter, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Einleitung 9

Angst 17

Kuschtschowskaja Rus 19
Aufstieg 23
Widerstand 40
Leben und Tod 52
Kapitulation 62
Rollentausch 68
Nachspiel 72

Wut 89

Die Partisanen von der Küste 91
Hass auf den Staat 97
Nachspiel 105

Verzweiflung 109

Tyrannenmord 111
Traditionelle Werte 122
Die Faust in der Familie 134
Männer und Mütter 142
Gegengewalt 151

Vergeltung 159

Die Namen der Täter 161
Die Fragen der Enkel 171
Eine Antwort 177

Trauma 183

Folter 185
Verarbeitung 194
Russische Seelen 201
Ich bleibe hier 210

Schuld 215

Buße 217
Absolution 226

Hoffnung 235

Dank 243
Anmerkungen 245
Bild- und Rechtenachweis 253