|
Der Fluch des Imperiums
Die Ukraine, Polen und der Irrweg in der russischen Geschichte
Martin Schulze Wessel
Verlag C. H. Beck oHG
EAN: 9783406800498 (ISBN: 3-406-80049-1)
352 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 15 x 22cm, März, 2023, mit 22 Abbildungen
EUR 28,00 alle Angaben ohne Gewähr
|
|
Umschlagtext
Russlands imperiale Vergangenheit ist der Schlüssel, um Putins Überfall auf die Ukraine und seine anitwestlichen Obsessionen zu verstehen. Der renommierte Osteuropa-Historiker Martin Schulze Wessel stellt den Krieg in den langen Kontext der russischen Expansion nach Westen und beschreibt, wie das Ausgreifen in die Ukraine und die Teilung Polens seit dem 18. Jahrhundert einen Irrweg in der russischen Geschichte begründeten, der als "Fluch des Imperiums" bis heute fortwirkt. Dabei zeigt er, wie eine fatale Ideenwelt entstehen konnte, die noch im 21. Jahrhundert in den Köpfen der Moskauer Führung spukt. Deutschland hat sich nach 1945 von seinem Fluch des Imperiums befreit und sich in Richtung Westen geöffnet. Russland steht dieser Weg noch bevor.
Vor dem 24. Februar 2022 schien Putins Regime vielen Beobachtern vor allem am eigenen Machterhalt und der persönlichen Bereicherung interessiert zu sein. Doch der neuerliche Angriff auf die Ukraine, die Brutalität der Kriegsführung und die Hasspropaganda in den Staatsmedien lassen sich damit nicht wirklich erklären. Putin operiert in seinen Reden mit irritierenden historischen Narrativen und Argumenten. Wer seine Motivation entschlüsseln will, muss auch ein ungelöstes Identitätsproblem Russlands in den Blick nehmen, das sich aus seiner imperialen Vergangenheit speist, den Fluch des Imperiums. Daher erzählt dieses Buch die eng verflochtene Geschichte Russlands, Polens und der Ukraine seit Peter dem Großen im Kontext der internationalen Politik. Es zeigt, wie das russische Ausgreifen in die Ukraine und die Teilung Polens Pfadabhängigkeiten produzierten, die als strukturelles Erbe bis heute prägend sind. Dabei geht es nicht nur um imperiale Herrschaftsansprüche, sondern auch um einen ideologisch aufgeladenen Ost-West-Konflikt, der sich bereits im 19. Jahrhundert herausbildete, und in dem Deutschland lange auf Seiten Russlands stand. Was Deutschland nach 1945 gelang, steht Russland noch bevor: die Abkehr vom Imperium.
Martin Schulze Wessel ist Professor für die Geschichte Ost- und Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Von 2012 bis 2016 war er Vorsitzender des Verbandes der Historiker und Historikerinnen Deutschlands.
Rezension
Sicherlich: Rußland ist es unter Putin - anders als China - nicht gelungen, sich zu einer Industrienation aufzuschwingen; stattdessen schien es Putin und seiner Oligarchen-Clique nur um persönliche Bereicherung, Machterhalt und Ausbeutung der Bodenschätze Rußlands zu gehen; Rußland wurde zur Discounter-Takstelle der Welt, jetzt zur Discounter-Tankstelle Chinas. Der Angriffskrieg auf die Ukraine mit der Brutalität der Kriegsführung und der Hasspropaganda in den Staatsmedien läßt sich damit allein aber nicht erklären. Nach Meinung des Verfassers dieses Buchs steckt vielmehr ein ungelöstes Identitätsproblem Russlands dahinter, das sich aus seiner imperialen Vergangenheit und seiner ungebrochenen imperialen Großmachtpolitik speist. Das nennt der Autor "den Fluch des Imperiums" (Buchtitel). Während Deutschland nach dem 2. Weltkrieg den "Fluch des Imperiums" überwunden habe, haftet er Rußland noch immer an. Die Legitimation, die der russische Präsident Vladimir Putin für den Angriff auf die Ukraine anführt, ist eine historische. Schon lange vor der Invasion bemühte er Geschichtsnarrative, um eine historische Mission Russlands zu begründen und der Ukraine das Existenzrecht abzusprechen. Putin manipuliert und instrumentalisiert Geschichte. Tatsächlich speist sich die russische Entscheidung für die Invasion aus Mythen und Obsessionen. Die Kriegsrhetorik, die vom staatlichen Fernsehen Tag für Tag ins Land gesendet wird, bedient niedere Instinkte und beruft sich dabei implizit oder explizit immer wieder auf Geschichte.
Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Schlagwörter:
18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, 20. Jahrhundert, Gegenwart, Geopolitik, Geschichte, Großmacht, Identität, Imperialismus, Imperium, Osteuropa, Osteuropahistoriker, Polen, Politik, Putin, Russland, Sowjetunion, Überfall, Ukraine, Zarenreich
Inhaltsverzeichnis
Einleitung 7
Kapitel 1
Russlands Imperium, das Hetmanat und die Republik Polen (1700–1795) 23
Moskaus Weg nach Europa 23
Das ukrainische Hetmanat zwischen Polen und Russland 29
Poltava 35
Europas erster Ost-West-Konflikt 38
Russland und die Ukraine nach dem Nordischen Krieg 42
Katharina II. als Vollenderin Peters I. 46
Kapitel 2
Imperiale Ordnung und nationale Herausforderung (1796–1856) 71
Russlands Imperium im Zeitalter Napoléons 71
Die Heilige Allianz 78
Der polnische Novemberaufstand als europäisches Ereignis 90
Russlands Antwort an Europa 94
Polnische und ukrainische Befreiungsideen 96
Identitätspolitik des Zarenreichs 105
Geopolitik im Exil 107
Europäische Revolution und der Krieg um die Krim 110
Polens Aufstand und die russische Furcht vor der ukrainischen Frage 118
Kapitel 3
Die Idee von der russischen Exzeptionalität und das Ende des Zarenreichs (1856–1917) 127
Das imperiale Ideen-Set nach dem Krim krieg und dem polnischen Aufstand 127
Ukrainische Alternativen 137
Zarische Symbolpolitik und die Suche nach einer außenpolitischen Doktrin 143
Nationale und soziale Dynamik in der Ukraine 148
Der erste Weltkrieg 157
Nationalstaatsgründung in Kyiv 162
Revolution und Bürgerkrieg 166
Kapitel 4
Das sowjetische Experiment und die imperiale Tradition (1917–1991) 171
Alte Grenzen, neue Grenzen 171
Nationalisierung der Kultur, Zentralismus in der Wirtschaft 174
Polen und der Prometheismus 181
Holodomor 186
Das große russische Volk kehrt zurück 193
Von Rapallo zum Hitler-Stalin-Pakt 196
Krieg gegen Polen 206
Der Große Vaterländische Krieg 210
Russische und ukrainische Mythen 214
Jalta und der Kalte Krieg 216
Die Ukraine als zweite Nation der Sowjetunion 224
Poststalinismus 230
Neue Ostpolitik 242
Polen und die Ukraine in den letzten Jahren des Sowjetimperiums 249
Kapitel 5
Die postsowjetische Ukraine und Russlands Neoimperialismus (1992–2022) 261
Die nachgeholte Revolution in der Ukraine 261 Russlands Weg in die Diktatur 267
Empire Fatigue und Sowjetnostalgie 272
Imperiale Infrastrukturen 281
Imperiale Phantasien: Dugin und Putin 285
Schluss 293
Dank 305
Anmerkungen 307
Auswahlbibliographie 334
Bildnachweis 341
Karten 342
Personenregister 348
|
|
|