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Gesammelte Werke, Bd. 4
Gesammelte Werke, Bd. 4



Georg Olms Verlag
EAN: 9783487128979 (ISBN: 3-487-12897-7)
418 Seiten, hardcover, 15 x 22cm, 2005

EUR 88,00
alle Angaben ohne Gewähr

Rezension
Der Literaturnobelpreisträger Rudolf Eucken (1846-1926) zählt zu den vergessenen Denkern. Um 1900 sah dieses anders aus, Eucken gehörte zu den meist gelesenen Philosophen seiner Zeit. Seine noologische Weltanschauung elaborierte er erstmals in dem 1888 erschienenen Werk „Die Einheit des Geisteslebens in Bewusstsein und That der Menschheit“, siehe meine Rezension unter www.lehrerbibliothek.de. In seinen weiteren Schriften popularisierte der Philosoph seinen Neoidealismus und avancierte zum Weltanschauungsphilosophen des Bildungsbürgertums der Jahrhundertwende. Gleichzeitig widmete sich Eucken auch der philosophischen Begriffsgeschichte, so z. B. in seinem Buch „Geistige Strömungen der Gegenwart“. Die sechste Auflage des Buchs aus dem Jahr 1920, also kurz nachdem Eucken in den Ruhestand trat, liegt nun wieder als Reprint im Verlag „Olms-Weidmann“ vor. Euckens Werk changiert zwischen historisch-philosophischer Lexikographie und Weltanschauungsphilosophie. So verbindet der Philosophieprofessor mit seinem Buch die Hoffnung, „den ungeheuren Wirren der Gegenwart entgegenzuwirken und die geistige Kraft zu stärken !“ (S. VI) Denn die Gegenwart leide unter einer „geistigen Krise“(S. 4), die sich an einer Vielzahl widersprüchlicher „Teilweltbilder“(S. 5) offenbare. Diese Weltanschauungen bilden den Gegenstand Euckenscher Begriffsanalyse unter Heranziehung historischer Entwicklungslinien. Auf die Darstellung der Begriffe folgt bei Eucken seine eigene philosophische Positionierung. So plädiert er im Anschluss an eine Kritik des Voluntarismus und Pragmatismus für seine eigene Position, die des „Aktivismus“ (S. 48f.).
Im Unterschied zur fünften Auflage hat Eucken, der mit zahlreichen Schriften weltanschaulich die Kriegspolitik unterstützte, in der 1920er Ausgabe eine kurze geschichtsphilosophische Skizze unter dem Titel „Die Tragik der Staatengeschichte“ (S. 286-288) beigegeben. Die Niederlage des deutschen Militärs im Ersten Weltkrieg meint Eucken auf den „Mangel eines überlegenen und gemeinsamen Willens beim Durchschnitt“(S. 287) der deutschen Volks zurückzuführen. An dieser Äußerung zeigt sich Euckens Festhalten an der Weltkriegsideologie. Von historischem Interesse ist auch Euckens „philosophische Betrachtung“(S. 319) der SPD. An der Partei kritisiert er vor dem Hintergrund seiner Noologie u.a. ihren „Demokratismus, weil er den Menschen wie er ist fälschlich idealisiert und zugleich dahin neigt, die Geisteswelt dem bloßen Menschentum unterzuordnen“ (S. 323). Antidemokratische Züge zeigen sich auch in Euckens „Bemerkungen zum Stand unseres Erziehungswesens“ (S. 378-381). Dort übt er Kritik an der einseitigen, die Persönlichkeit abwertenden Pädagogik der Aufklärung und tritt für eine Revitalisierung des aristokratischen, „deutschen Humanismus“ ein. So stellt Eucken die Frage: „Soll wirklich bei uns Goethe Basedow besiegen?“ (S. 381) Euckens pädagogische Ausführungen sind zugleich ein Beleg für die einseitige, auf die Philanthropen beschränkte Rezeption der Aufklärungspädagogik. Von mehr aktuellem Interesse ist Euckens kritische Auseinandersetzung mit dem Determinismus (S. 367-378). Ausdrücklich tritt der Denker für ein Festhalten an der Willensfreiheit ein, denn eine deterministische Position würde „alles zerstören [...], was dem Leben der Menschen eigentümlich ist.“ (S. 372)
Fazit: Dem Verlag „Olms-Weidmann“ kommt das Verdienst zu, Euckens bisher nicht mehr im Buchhandel erhältliche Werke in einer Gesamtausgabe neu aufzulegen. Dabei wird mancher zeitgeschichtliche Schatz gehoben wie die Darstellung Euckens der ‚geistigen Bewegungen‘ um 1900.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de

Inhaltsverzeichnis
Inhalt


Einleitung 1

A. Zum Grundbegriff des Geisteslebens
1. Subjektiv - Objektiv 8
2. Theoretisch - praktisch (Intellektualismus - Voluntarismus) 34
3. Idealismus - Realismus 65
B. Zum Erkenntnisproblem
1. Denken und Erfahrung (Metaphysik) 81
2. Mechanisch - organisch (Teleologie) 118
3. Gesetz 147
C. Zum Weltproblem
1. Monismus und Dualismus 187
2. Entwicklung 206
D. Zu den Problemen des Menschenlebens
1. Kultur 240
2. Geschichte 262
3. Gesellschaft und Individuum (Sozialismus) 289
4. Probleme der Moral 331
5. Persönlichkeit und Charakter 351
6. Freiheit des Willens 367
7. Einige Bemerkungen zum Stand unseres Erziehungswesens 378
E. Letzte Probleme
1. Der Wert des Lebens 382
2. Das Problem der Religion (Immanenz und Transzendenz) 396
Schlußwort 412
Sachregister 413