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Erloschene Liebe? Das Auto in der Verkehrswende Soziologische Deutungen
Erloschene Liebe? Das Auto in der Verkehrswende
Soziologische Deutungen




Weert Canzler, Andreas Knie, Lisa Ruhrort, Christian Scherf

Transcript
EAN: 9783837645682 (ISBN: 3-8376-4568-1)
174 Seiten, paperback, 14 x 23cm, 2018

EUR 19,99
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Das private Auto war für lange Zeit das Sehnsuchtsobjekt und Symbol eines glücklichen Lebens. Es war eine kollektive Liebe der Mittelschicht und derjenigen, die dort hinstrebten. Doch diese affektive Bindung verliert vor allem in der Stadt zunehmend an Kraft. Wenigstens dort ist bereits klar geworden: Die Grenzen des fossilen Automobilismus sind erreicht. Es gibt einfach zu viele Autos.

Die Verkehrswende ist nun auf der Agenda. Zukunftsfähig sind nur solche Verkehrsangebote, die auch unter Ressourcenknappheit individualisierbar bleiben. Autos nutzen statt besitzen wird – in Verbindung mit digitalen Plattformen – attraktiv, das Radfahren gewinnt gerade in den Städten an Popularität. Mobilitätsdienstleistungen kommen aus der Nische und können dank Echtzeitinformationen flexibel und zugleich routinemäßig genutzt werden. Der herrschende Rechtsrahmen jedoch privilegiert nach wie vor private Autos. Dagegen deuten die Präferenzen der vorwiegend städtischen Bevölkerung und auch die digitalen Optionen in eine andere Richtung: Die fortschreitende Individualisierung findet andere Wege als den privaten Besitz von Autos.

Weert Canzler (Dr. phil. habil.) ist Senior Researcher in der Forschungsgruppe Wissenschaftspolitik am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und Sprecher des Leibniz-Forschungsverbundes Energiewende. Seine Forschungsschwerpunkte sind: sozialwissenschaftliche Verkehrs- und Mobilitätsforschung, Energiepolitik/Energiewende sowie Innovationsforschung und Technologiepolitik.

Andreas Knie (Prof. Dr. phil.) ist Politikwissenschaftler am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und Hochschullehrer an der TU Berlin. Seit 2017 leitet er die Forschungsgruppe Wissenschaftspolitik am WZB. Seine Forschungsfelder sind: Wissenschaftsforschung, Technikforschung und die Mobilitätsforschung.

Lisa Ruhrort (Dr. des.) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe Wissenschaftspolitik am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Sie forscht zu den Voraussetzungen einer nachhaltigen Mobilität und einer nachhaltigen Verkehrspolitik im Kontext von Digitalisierung und gesellschaftlichem Wandel.

Christian Scherf (Dr. phil.) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der M-Five GmbH Mobility, Futures, Innovation, Economics GmbH in Karlsruhe.
Rezension
Es zeigt sich ganz deutlich, jedenfalls in den größeren Städten und Ballungsgebieten: Die Grenzen des fossilen Automobilismus sind erreicht, der private PKW verliert an Bindungskraft, viele 18-Jährige erstreben nicht einmal mehr den Führerschein; für viele junge Städter ist das private Auto nicht mehr erstrebenswert und auch kein Statussymbol mehr. Die Liebe zum Auto ist erloschen (Buchtitel). Radfahren und Carsharing sind die aktuellen Trends in den Ballungsräumen. Eine Verkehrswende zeichnet sich ab: Mobilitätsdienstleistungen kommen aus der Nische und können dank digitaler Echtzeitinformationen flexibel und zugleich routinemäßig genutzt werden. Die fortschreitende Individualisierung findet andere Wege als den privaten Besitz von Autos. Verkehr wird zu einem gesellschaftspolitischen Gegenstand, - auch in Deutschland, dem vermeintlichen Automobilland. Verkehr wird heute auch zu einem Gegenstand der sozialwissenschaftlichen Forschung. Es ist die stetig wachsende Zahl der Autos auf den Straßen, die zum Problem wird. Die eingefahrenen und etablierten Lösungsmuster versagen angesichts der Automassen. Dem automobilen Massenverkehr immer mehr Platz einzuräumen und neue Straßen zu bauen oder alte zu verbreitern, dieses Reaktionsmuster stößt ebenfalls an seine Grenzen. Die Belastung durch Lärm und Abgase lassen sich nicht mehr leugnen oder wegdiskutieren. Der Dieselskandal mit seinen Folgen bedroht nicht nur die Gesundheit vieler Menschen, sondern er ist auch ein Vertrauensproblem.

Dieter Bach, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Schlagworte:
Automobil, Verkehrswende, Neue Mobilität, Moderne Gesellschaft, Stadt, Klimaschutz, Technik, Gesellschaft, Politik, Techniksoziologie, Policy, Politikwissenschaft, Soziologie
Themen:
Gesellschaft, Zeitdiagnose, Politik, Technik
Adressaten:
Soziologie, Politikwissenschaften, Kulturwissenschaft, Verkehrswesen, aber auch innovative Unternehmen, Praktiker_innen in der Verkehrspolitik sowie die interessierte Öffentlichkeit
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung: Das Auto ist politisch | 7

2. Das Auto als Freiheitsversprechen | 23

2.1 Die automobile Freiheit und ihre Grenzen | 23
Glaubwürdigkeit verloren | 24
Das Auto als Raumfresser | 27
Zu viele und zu große Fahrzeuge | 29
Exkurs: Mobilität und Raum | 31
Vor einem Paradigmenwechsel? | 33

2.2 Die politische Herstellung der deutschen Autogesellschaft | 35

Deutschland – ein Spätzünder? | 36
Die Liebe beginnt in Paris | 38
Das Fahrrad – der unscheinbare Wegbereiter | 42
In Vorleistung für die Massenmotorisierung | 44
Die Verkehrswende des frühen 20. Jahrhunderts – der Weg zur Autogesellschaft | 46
1957 – das Jahr des Durchbruchs | 51
Steuerpolitik als Hebel | 53
Liebe mit Hindernissen – Privatautos in der DDR | 55
Der ÖPNV als Schattenseite
des motorisierten Individualverkehrs | 57

3. Gesellschaft im Wandel | 59

3.1 Individualisierung und Digitalisierung | 59
Von der Eisenbahn- zur Autogesellschaft | 59
Von der Autogesellschaft zur
Multimodalitätsgesellschaft? | 60
Werden wir zu individuell für das (private) Auto? | 62
Neue Möglichkeiten der Digitalisierung im Verkehr | 65
Erweiterte individuelle Möglichkeitsräume | 66
In unterschiedlichen Lebensphasen … | 68
… und verschiedenen Räumen | 69
… und auf dem Land? | 73
3.2 Konturen einer neuen Verkehrswelt | 75
Busse und Bahnen | 75
Das Fahrrad feiert seine Renaissance | 77
Neue Optionen in der urbanen Mobilität | 79
Nachfrageseite: Wer ist heute schon multioptional? | 81
Die verkehrspolitischen Weichenstellungen | 85
Wer darf die öffentlichen Straßen nutzen und wozu? | 87
Parken als Gemeingebrauch | 89
Tanz um die Stellplätze | 93
Öffentliche Räume und das Straßenverkehrsrecht | 95
3.3 Die Neuerfindung des öffentlichen Verkehrs | 101
Der öffentliche Verkehr als Teil der staatlichen Daseinsvorsorge | 102
Goldene Handschellen | 105

4. Herrschendes Recht | 111

Veränderte Einstellungen | 114
Die Technik der Gesellschaft ist ein Produkt
von sozialen Aushandlungsprozessen | 121
Neue Akteure und das Personenbeförderungsgesetz | 122
Feinheiten des Personenbeförderungsrechts | 129
Die neue Definition des Schutzgutes | 132

5. Ausblick: Neue Freiheiten nach dem privaten Auto | 135

Die Digitalisierung ändert alles | 137
Blockaden im Kopf | 144
Plädoyer für ein technisches Feldexperiment | 148

Literatur | 157