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Einführung in das Werk Heinrich Heines
Einführung in das Werk Heinrich Heines




Sikander Singh

Wissenschaftliche Buchgesellschaft
EAN: 9783534219452 (ISBN: 3-534-21945-7)
142 Seiten, paperback, 17 x 24cm, 2011, mit Bibliogr., Reg. und Zeittaf.

EUR 14,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Basiswissen zu Epochen, Gattungen und Theorien

Aktueller Forschungsstand

Überblick zu System und Geschichte des Themas

Einführung in literaturwissenschaftliche Methoden

Einzelanalysen literarischer Werke

Kernbegriffe der Sozial-, Ästhetik- und Mentalitätsgeschichte

Kommentierte Bibliographie, Anhänge und Register

Ideal zur Seminar- und Prüfungsvorbereitung



Wie kein anderer Autor der deutschen Literatur des 19. Jh.s hat Heinrich Heine mit seinen Dichtungen provoziert. Das ironische Spiel mit Traditionen, die literarische Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Moderne, die Gebrochenheit seines Selbst- und Weltbildes haben bis in die Gegenwart nichts von ihrer Aktualität und Unmittelbarkeit eingebüßt.

Der Band gibt auf der Grundlage neuester Forschungsdebatten einen Überblick über Leben, Werk und Wirkungsgeschichte und stellt Heines Schaffen in den politischen, philosophischen, ästhetischen und intellektuellen Kontext seiner Zeit. Gattungen, Themen und poetologische Positionen werden eingehend analysiert und bewertet. Exemplarische Interpretationen ausgewählter Dichtungen bieten einen Überblick über die inhaltliche wie formale Vielgestaltigkeit seines Werkes. Vorgestellt werden u.a. »Die Harzreise«, »Buch der Lieder«, »Deutschland. Ein Wintermärchen« und »Romanzero«. Deutlich hervor treten so die charakteristischen Widersprüche von Heines Denken und sein Beitrag zur Genese der literarischen Moderne in Deutschland.



Sikander Singh, Dr. phil, geb. 1971, ist Privatdozent für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der Heinrich- Heine-Universität Düsseldorf und Herausgeber der historisch-kritischen Säkularausgabe der Werke Heinrich Heines.
Rezension
Heinrich Heine (1797 Düsseldorf – 1856 Paris) ist zweifellos bis heute einer der bedeutendsten, umstrittensten und politischten deutschen Dichter und Journalisten. Dieser Band der Reihe "Einführung Germanistik" gibt einen Überblick über Leben, Werk und Wirkungsgeschichte Heinrich Heines. Als Romantiker und zugleich Überwinder der Romantik macht Heine die Alltagssprache lyrikfähig, erhebt das Feuilleton und den Reisebericht zur Kunstform und verleiht der deutschen Sprache stilistische Leichtigkeit und Eleganz. Als kritischer, politisch engagierter Journalist und Satiriker ist er bewundert und gefürchtet. Bekannt sind nicht nur seine oft zitierten Worte aus dem Gedicht „Nachtgedanken“ (1843): Denk' ich an Deutschland in der Nacht, Dann bin ich um den Schlaf gebracht. Und Heinrich Heines berühmt-berüchtigte Winterreise durch Deutschland im Jahre 1844 ist ein Meisterwerk der politischen Satire und hat sich in mancherlei Hinsicht bis heute seine Aktualität bewahrt. Exemplarische Interpretationen ausgewählter Dichtungen, u.a. »Die Harzreise«, »Buch der Lieder«, »Deutschland. Ein Wintermärchen« und »Romanzero«, bieten einen Überblick über die inhaltliche wie formale Vielgestaltigkeit der Werks Heinrich Heines.

Jens Walter, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Einführungen Germanistik, hrsg. von Gunter E. Grimm und Klaus-Michael Bogdal

WBG-Preis EUR 9,90
Buchhandelspreis EUR 14,90

Der Band verortet Heines Werk im Kontext der politischen, philosophischen, ästhetischen und intellektuellen Diskurse seiner Epoche und betont die zentrale Bedeutung poetologischer Selbstreflexion für das Verständnis seines Schaffens. Die spezifische Modernität seiner Texte zeigt sich auch in den repräsentativen Einzelanalysen.
Inhaltsverzeichnis
I. Heinrich Heine im 21. Jahrhundert 7

II. Zum Stand der Forschung 10

III. Der Autor in seiner Zeit 16

1. Zur Zeitgeschichte 16
2. Zur Lebens-und Werkgeschichte 21

IV. Gattungen, Formen und Aspekte des Werkes 30

1. Heines Schreibart 30
2. Heines Romantik 39
3. Heines Judentum 46
4. Lyrik 50
5. Versepen 55
6. Reisebilder 57
7. Feuilletons und Tagesberichte 63

V. Einzelanalysen 68

1. Almansor. Eine Tragödie 68
2. Die Harzreise, (l824) 71
3. Buch der Lieder 75
4. Französische Maler. Gemäldeausstellung in Paris 1831 79
5. Aus den Memoiren des Herren von Schnabelewopski 84
6. Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland 88
7. Elementargeister 92
8. Ludwig Borne. Eine Denkschrift (Heinrich Heine über Ludwig Borne) 95
9. Deutschland. Ein Wintermährchen. Geschrieben im Januar 1844 100
10. Romanzero 106
11. Lutezia. Berichte über Politik, Kunst und Volksleben 110
12. Geständnisse. Geschrieben im Winter 1854 115

VI. Heines Nachwirkung 121

Zeittafel 126
Kommentierte Bibliografie 129
Personenregister 137
Begriffsregister 141


Leseprobe
›die armen Kinder der Kunst‹ – Französische Maler

Die Korrespondenzartikel, die Heinrich Heine im Herbst 1831 im Morgenblatt für gebildete Stände veröffentlicht und die drei Jahre später unter dem Titel Französische Maler im ersten Band des Salon erscheinen, sind die erste literarische Arbeit des Schriftstellers nach seiner Übersiedlung in die französische Hauptstadt. Sie stehen in der Nachfolge der in Deutschland mit der frühen Aufklärung beginnenden und in der Romantik fortgesetzten kunst- und literaturtheoretischen Reflexion über die Inkommensurabilität von bildender Kunst und literarischer Sprache und schreiben zugleich die von Gotthold Ephraim Lessing, Karl Philipp Moritz, Johann Joachim Winckelmann, Johann Wolfgang von Goethe und Georg Forster bis zu Heines Bonner Lehrer August Wilhelm Schlegel reichende Tradition literarischer Bildbeschreibungen fort. Indem Heine sowohl durch das Sujet als auch durch den Titel der Buchausgabe an die von Denis Diderot zwischen 1759 und 1781 veröffentlichten Kritiken der periodischen Ausstellungen französischer Maler im Salon Carré des Louvre anknüpft, können seine Gemäldeberichte zudem als eine Reflexion über die kulturhistorische wie politische Interdependenz deutscher und französischer Diskurse in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelesen werden.
Auf diese Traditionslinien verweist auch die Gattung der Korrespondenz, die der Präferenz der Gemälde- und Kunstbeschreibungen des 18. Jahrhunderts zum Medium des Briefes entspricht. In der Heine-Zeit ist es wie seit den Anfängen des neuzeitlichen Zeitschriftenwesens noch üblich, private Briefe mit Mitteilungen aus der Fremde in die Spalten der Journale als Korrespondenzberichte einzurücken. Erst die zunehmende Professionalisierung des Pressewesens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts führt dazu, dass die großen Zeitschriften ständige Korrespondenten in den Metropolen des Auslandes unterhalten. Die Französischen Maler spielen mit diesem epochentypischen Nebeneinander professioneller Berichterstattung und privater Mitteilung.
Die Wahl der epistularen Form ist jedoch weder für die Schriftsteller des 18. Jahrhunderts noch für Heine eine beliebige Gattungsentscheidung: Seit der Empfindsamkeit gilt der Brief als genuine Ausdrucksform spontanen Erlebens und unmittelbaren Einfühlens. Das Schreiben für den Anderen in der Abwesenheit des Anderen eröffnet die Möglichkeit, in der Intimität und Zurückgezogenheit dem subjektiven Empfinden einen unmittelbaren schriftlichen – und eben oftmals auch literarischen – Ausdruck zu verleihen. Der Kunstbrief korrespondiert somit mit der spätestens seit Wilhelm Heinses 1776 und 1777 in Wielands Teutschem Merkur veröffentlichten Düsseldorfer Gemäldebriefen gegen den Klassizismus Winckelmanns akzentuierten Vorstellung, dass die sprachliche Wiedergabe eines Gemäldes keine distanzierte, im Sinne der Aufklärung kritische Auseinandersetzung mit einem ästhetischen Gegenstand sein soll, sondern eine intuitiv-einfühlsame Annäherung und Anverwandlung.
Das von den Schriftstellern im späten 18. Jahrhundert entwickelte Konzept eines autonomen Kunstwerkes bedingt im Bereich der Ekphrasis die Loslösung von der seit der Antike dominierenden Vorstellung einer systematischen Bildbeschreibung. Analog zu dem Kunstwerk, das zum Ausdruck unmittelbar-originärer Subjektivität wird, erlangt auch das Schreiben über die Kunst eine neue, individuelle Qualität. Karl Philipp Moritz akzentuiert den Übergang vom klassizistischen Konzept der Deskription zum nachklassizistischen Modus der Empathie. Zum anderen antizipiert er, da die einfache Übertragung des einen Genres in ein anderes mit dem Konzept einer autonomen Kunst und ihrer Ausdrucksformen unvereinbar geworden ist, bereits die Vorstellungen der nachfolgenden Generation.
Die Bildbeschreibungen der Romantik, in deren Tradition Heines Französische Maler wiederholt betrachtet worden sind, stehen somit ihrerseits in der Nachfolge kunst- und literaturtheoretischer Überlegungen des späten 18. Jahrhunderts. So führt August Wilhelm Schlegel in der im Jahr 1799 als Gegenstück zu dem Gespräch über Poesie seines Bruders Friedrich im Athenäum veröffentlichten Reflexion über die Dresdner Gemäldegalerie, die er Die Gemählde nennt, den Gesprächston Wilhelm Heinses fort. Indem hier das Monologische der Briefform in das Dialogische eines Gespräches übergeht, spiegelt die Wechselrede die je eigene Originalität der Gemälde in der zueinander komplementär angelegten Individualität der Figuren. Im Gegensatz zu Beschreibungsverfahren, die das Gemälde systematisch zu erfassen suchen, erzeugt Schlegels Gemäldegespräch damit einen ästhetischen Reflexionsraum, welcher die Grenzen sowohl des bildnerischen wie des literarischen Mediums erweitert. Weil die Wiedererkennbarkeit des Beschriebenen der Aufmerksamkeit für die Beschreibung selbst weicht, akzentuiert der Text den Grenzbereich des Bildnerischen und des Literarischen.
In der Tradition der Romantik, welche der Malerei die Literatur als Kunst der unendlichen Selbstreflexion des Geistes im Medium der Sprache zur Seite stellt und damit bereits die Dekonstruktion des mimetischen Paradigmas durch die Entwicklung der Photographie in der Mitte des 19. Jahrhunderts antizipiert, spiegeln Heines Gemäldebriefe darüber hinaus die Loslösung vom Gegenständlichen und die Hinwendung zu den Prozessen der Abstraktion. Während noch in den Reisebildern der topographische Ort zum Anlass des Textes wird, bildet in den Französischen Malern das Gemälde den Ausgangspunkt der literarischen Reflexion. Nicht mehr die Wirklichkeit wird zum Thema, sondern der Artefakt als bereits künstlerisch gestaltete Wirklichkeit.
Die 23 Gemälde, die Heine aus den über 3000 im Salon Carré des Louvre in den Monaten Mai bis August 1831 ausgestellten Bildern auswählt und beschreibt, sind als Chiffren für den politischen Aufbruch nach der Julirevolution des Jahres 1830 und den poetologischen Neuanfang nach dem ›Ende der Kunstperiode‹ (HSA VII, 49) gedeutet worden. Indem Eugène Delacroix’ Bild Die Freiheit führt das Volk an als das zwölfte von 23 Gemälden den arithmetischen wie kompositorischen Mittelpunkt der Französischen Maler bildet, verweist der Text bereits durch die Anordnung der Bildbeschreibungen auf den Charakter der Gemälde als Signaturen der Epoche. Hier zeigt sich zudem, die für Heines Schreibart charakteristische sorgsame gedankliche Konzeption des Werkes, über die die Journalfassung, welche die Salon-Berichte in drei Artikel zu 14 Lieferungen aufteilt, ebenso hinwegtäuscht, wie die Buchfassung, die das Werk einschließlich des Nachtrages aus dem Jahr 1833 in neun Kapitel unterteilt.
Die Symmetrie des Textes erschließt sich nicht auf der Ebene seiner formalen Konzeption sondern im Bereich der Bildbeschreibungen als inhaltliche Tiefenstruktur. Nicht zuletzt um den Eingriff der Zensurbehörden zu umgehen, liegt die Betrachtung des Gemäldes von Delacroix, die Heine zum Anlass nimmt, erstmalig in seinem literarischen Werk über die Juli-Revolution des Jahres 1830 nachzudenken, hinter einer scheinbar zufälligen Kapitelfolge verborgen. So ist die Revolution, die der Dichter neun Jahre später in den der Börne-Schrift eingeschobenen Briefen aus Helgoland zum eigentlichen Grund seiner Übersiedlung nach Paris stilisiert, bereits das zentrale Thema des ersten in Frankreich entstandenen Werkes und steht damit auch am Beginn des ersten Bandes des Salon.
Die Gemälde von Ary Scheffer, Horace Vernet, Alexandre Gabriel Dechamps, Emile-Aubert Lessore, Jean Victor Schnetz, Leopold Robert und Paul Delaroche, die in den Französischen Malern Gegenstand mehr oder weniger detaillierter Bildbetrachtungen werden, sind um das Mittelstück der allegorischen Figur der Freiheit angeordnet. Während jedoch Delacroix’ Bild zum Anlass einer über das Medium der Malerei hinausweisenden zeitgeschichtlichen Reflexion wird, erscheinen die übrigen Bilder in den Beschreibungen des Dichters als Artefakte der Vergangenheit. Der Historismus der französischen Schule wird zu einer Chiffre für Unmöglichkeit, den Forderungen der Gegenwart mit den tradierten Paradigmen der Literatur gerecht zu werden. Weil die Unmittelbarkeit des narrativen Elementes der Historienmalerei durch Verschriftlichung und reflexive Verkomplizierung gebrochen wird, thematisiert Heine im Spiegel französischer Gemälde sowohl die obsolet gewordenen ästhetischen Paradigmen der Kunstperiode als auch die Notwendigkeit eines poetologischen Entwurfes, der den Widerspruch von egalitärem Republikanismus und elitärem Absolutismus, in dessen Spannungsfeld der Dichter den ästhetischen Diskurs seiner Gegenwart verortet, zu einem Ausgleich zu führen vermag.