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Anschlussfähigkeit von Kindergarten und Grundschule
Rekonstruktion von subjektiven Bildungstheorien von Erzieherinnen und Lehrerinnen
Karin von Bülow
Verlag Julius Klinkhardt
EAN: 9783781518063 (ISBN: 3-7815-1806-X)
260 Seiten, paperback, 17 x 24cm, 2011
EUR 29,90 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Die Anschlussfähigkeit von Kindergarten und Grundschule kann als „Dauer-Problem“ der Elementar- und Grundschulpädagogik bezeichnet werden. Kindergarten und Grundschule verstehen sich beide als Bildungsinstitutionen, jedoch mit einem jeweils eigenständigen und voneinander unabhängigen Bildungsauftrag.
Mittels verschiedener Maßnahmen und Deutungen wird immer wieder versucht, Anschlussfähigkeit im Bildungsauftrag zwischen diesen beiden Institutionen herzustellen: durch eine strukturelle Vernetzung, eine curriculare Verbindung oder durch eine Zusammenarbeit der Professionen. Dieses Buch geht im Rahmen einer qualitativen Studie der Frage nach, wie die beteiligten Professionen – Erzieherinnen und Lehrerinnen – den Bildungsauftrag ihrer Institution definieren. Des Weiteren wird anhand der rekonstruierten subjektiven Theorien untersucht, inwiefern sich ein professionsspezifischer Bildungsauftrag und eine Anschlussfähigkeit zeigt. Die Ergebnisse erweisen, dass Anschlussfähigkeit im Bildungsauftrag der Institutionen durchaus gegeben ist, jedoch von den Professionen selbst kaum wahrgenommen wird.
Die Autorin
Karin von Bülow (geb. Müller), geboren 1975, war wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und -didaktik in Würzburg. Sie ist als Grundschullehrerin tätig und ist Mitherausgeberin der „Zeitschrift für Grundschulforschung".
Rezension
Nach den Ergebnissen der jüngeren internationalen Schulleistungsvergleichsstudien hat die Bundesrepublik Deutschland gegenüber anderen europäischen Ländern noch ein deutliches Defizit hinsichtlich der Vernetzung des Primarbereichs zwischen Kindergarten und Grundschule. Deshalb rücken die frühe Bildung und die Verbindung von Kindergarten und Grundschule zunehmend auch in den Fokus von Bildungsforschung und Bildungspolitik. Mittels verschiedener Maßnahmen wird versucht, Anschlussfähigkeit im Bildungsauftrag zwischen diesen beiden Institutionen herzustellen: durch eine strukturelle Vernetzung, eine curriculare Verbindung oder durch eine Zusammenarbeit der Professionen. Diese Studie geht von Letzterem aus und erhebt empirisch das Bildungs- und Berufsverständnis von Erzieher/inne/n einerseits und Grundschullehrer/inne/n andererseits.
Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 9
2 Bildung im Kindergarten 11
2.1 Entwicklung des Bildungsbegriffs 11
2.2 Bildung als Konstruktion des Subjekts 13
2.2.1 Bildung als subjektive und individuelle Sinngebung von Welt 13
2.2.2 Bildung des Selbst durch selbsttätige Aneignung von Welt 15
2.2.3 Bildung als soziale Konstruktion 17
2.2.4 Vergleich 18
2.3 Bildung in bildungsadministrativen Empfehlungen 19
2.3.1 Allgemeine Regelungen 19
2.3.2 Bildungspläne der Bundesländer 20
2.4 Zusammenfassung 23
3 Bildung in der Grundschule 24
3.1 Theoretischer Rahmen der Analyse 24
3.2 Bildung 25
3.2.1 Bildung als Individualität, Universalität und Totalität 25
3.2.2 Kategoriale Bildung 26
3.2.3 Bildung als „sich bilden“ unter der Bedingung der Institution 28
3.2.4 Zwischenfazit 29
3.3 Grundlegende Bildung als Spezifikum der (deutschen) Grundschule 31
3.4 Grundlegende Bildung: gemeinsame Bildung für alle 32
3.5 Bildung in der Grundschule 33
3.6 Grundlegende Bildung: Auswahl der Inhalte 36
3.7 Bildungsauftrag der Grundschule 37
3.7.1 Vermittlung von Wissen 38
3.7.2 Vermittlung von Aufgeschlossenheit gegenüber Wissensbereichen 38
3.7.3 Aufbau von Werthaltungen 39
3.7.4 Stärkung der Persönlichkeit 39
3.8 Zusammenfassung 40
4 Anschlussfähigkeit von Kindergarten und Grundschule 41
4.1 Theoretische Erklärungsmodelle 41
4.1.1 Anschlussfähigkeit als individuelle Bewältigungsleistung 41
4.1.2 Anschlussfähigkeit als systemische Bewältigungsleistung 42
4.2 Maßnahmen 45
4.2.1 Anschlussfähigkeit im institutionellen Kontext 45
4.2.2 Curriculare Anschlussfähigkeit 47
4.2.3 Anschlussfähigkeit von Kindergarten und Grundschule durch
Zusammenarbeit der Professionen 50
5 Subjektive Theorien 52
5.1 Begriff und Abgrenzung 52
5.2 Handlungsleitende Funktion von subjektiven Theorien 53
5.3 Rekonstruktion von subjektiven Theorien von Erzieherinnen und Lehrerinnen 53
5.4 Anschlussfähigkeit von Kindergarten und Grundschule im Rahmen von subjektiven Bildungstheorien von Erzieherinnen und Lehrerinnen 55
5.4.1 Subjektive Theorien von Erzieherinnen zur Bildung im Kindergarten 55
5.4.2 Subjektive Theorien von Lehrern und Lehrerinnen zur Bildung in der Grundschule 59
6 Qualitativ-empirisches Forschungsdesign 62
6.1 Qualitative Sozialforschung 62
6.2 Fragestellung der Studie 63
6.3 Episodisches Interview 64
6.3.1 Episodisches und semantisches Wissen 64
6.3.2 Kennzeichen des episodischen Interviews 64
6.3.3 Auswertung des episodischen Interviews 65
6.4 Datenerhebung 65
6.4.1 Sample 65
6.4.2 Episodisches Interview: Interviewleitfaden 67
6.4.3 Ablauf der Datenerhebung 68
6.5 Datenauswertung 69
6.5.1 Transkription und computerunterstützte Datenauswertung 69
6.5.2 Fallbezogenes offenes Kodieren 69
6.5.3 Selektives Kodieren 70
6.5.4 Typisierung 72
6.6 Darstellung der Ergebnisse 81
6.6.1 Einzelfallportrait 81
6.6.2 Fallübergreifende Aussagen 81
6.6.3 Darstellung der Typen 82
6.7 Zusammenfassung 82
7 Subjektive Bildungstheorien von Erziehern und Erzieherinnen 83
7.1 Fallportraits 83
7.1.1 Fallportrait Fr. Cramer (Kindergarten Vermeling) 83
7.1.2 Fallportrait Fr. Berg (Kindergarten St. Martin) 95
7.1.3 Fallportrait Hr. Kestner (Kindergarten Kürzau) 101
7.1.4 Zusammenfassung Fallportraits 109
7.2 Fallübergreifende Aussagen 110
7.2.1 Bildungsziele 110
7.2.2 Auswahl der bildungsrelevanten Inhalte und Ziele 121
7.2.3 Bildungsprozess 124
7.2.4 Ziele der Vorschularbeit und Erwartungen der Grundschullehrerinnen an den Kindergarten (aus Sicht der Erzieherinnen) 130
7.2.5 Wahrnehmung der Institutionen 139
7.3 Typen des Bildungsverständnisses 141
7.3.1 Typisierung in Bezug auf Bildungsziele 141
7.3.2 Typisierung in Bezug auf den Bildungsprozess 145
7.3.3 Zwischenfazit: Typisierung 147
7.4 Zusammenfassung und Interpretation 149
8 Subjektive Bildungstheorien von Lehrerinnen 152
8.1 Fallportraits 152
8.1.1 Fallportrait Fr. Jäger (Gerharder Grundschule) 152
8.1.2 Fallportrait Fr. Hepp (Grundschule Zeisigweide) 165
8.1.3 Fallportrait Fr. Seidel (Grundschule Viehsheim) 173
8.1.4 Zusammenfassung Fallportraits 182
8.2 Fallübergreifende Aussagen 183
8.2.1 Reichweite von Bildung 183
8.2.2 Bildungsziele 184
8.2.3 Bildungsprozess 192
8.2.4 Kriterium für die Auswahl der Inhalte 195
8.2.5 Erwartungen an den Kindergarten 196
8.2.6 Wahrnehmung und Charakterisierung der Institutionen 208
8.2.7 Anfangsunterricht 210
8.3 Subjektive Bildungstypen (Lehrerinnen) 217
8.3.1 Typisierung in Bezug auf Bildungsziele 217
8.3.2 Typisierung in Bezug auf den Bildungsprozess 222
8.3.3 Zwischenfazit: (subjektive) Bildungstypen 224
8.4 Zusammenfassung: Subjektive Bildungstheorien der Lehrerinnen 226
9 Anschlussfähigkeit von subjektiven Bildungstheorien von Erzieherinnen und Lehrerinnen 230
9.1 Anschlussfähigkeit von Kindergarten und Grundschule hinsichtlich der subjektiven Bildungsziele 230
9.2 Anschlussfähigkeit hinsichtlich des Bildungsprozesses 231
9.3 Anschlussfähigkeit hinsichtlich Inhalten und Auswahl der Inhalte 232
9.4 Anschlussfähigkeit hinsichtlich der Wahrnehmung der Institutionen 233
9.5 Anschlussfähigkeit hinsichtlich der Vorstellungen von Vorschularbeit 234
9.5.1 Anschlussfähigkeit hinsichtlich der Vermittlung von domänenspezifischem Wissen und Fähigkeiten im Rahmen der Vorschularbeit 235
9.5.2 Anschlussfähigkeit hinsichtlich weiterer Ziele und Inhalte der Vorschularbeit 237
9.6 Zusammenfassung 238
10 Fazit und Folgerungen 240
Literaturverzeichnis 244
Anhang 255
Leseprobe:
1 Einleitung
Die Anschlussfähigkeit von Kindergarten und Grundschule kann als „Dauer-Problem“
der Elementar- und Grundschulpädagogik bezeichnet werden. Kindergarten und Grundschule
verstehen sich beide als Bildungsinstitutionen, jedoch mit einem jeweils eigenständigen
und voneinander unabhängigen Bildungsauftrag. Durch die unterschiedliche
administrative Zuordnung zum Jugendhilfe- bzw. zum Schulbereich ist das Problem des
Übergangs vom Kindergarten zur Grundschule dem deutschen Bildungssystem immanent.
Vor allem seit den 1980er Jahren, seitdem ca. 80 % der Kinder den Kindergarten
besuchen (vgl. Hagemann & Mattes 2008, 1), ist der Übergang vom Kindergarten zur
Grundschule ein kollektives Problem, das nahezu jeden Bürger einmal in seinem Leben
getroffen hat. Aber bereits in den 1970er Jahren, als der Besuch des Kindergartens noch
nicht zur Normalbiographie zählte, wurde in der Grundschulpädagogik das Problem der
Anschlussfähigkeit von Kindergarten und Grundschule bearbeitet, bspw. im Strukturplan
für das Bildungswesen (Deutscher Bildungsrat 1970). Seitdem fehlt in nahezu keinem
der erschienenen Einführungswerke in die Grundschulpädagogik ein Kapitel über die
Besonderheit des Schulanfangs und über den Übergang vom Kindergarten zur Grundschule
(vgl. Horn 1977, 258; Callies 1979, 77; Claussen 1981, 62; Gesing 1997, 315;
Hacker 2001, 243; Rehle & Thoma 2003, 100; Topsch 2004, 54; Lichtenstein-
Rother/Röbe 2005, 63). Ob die Schnittstelle von Kindergarten und Grundschule unter
dem Aspekt des „Übergangs“ oder unter dem Aspekt der „Anschlussfähigkeit“ thematisiert
wird, ist in erster Linie abhängig vom Entstehungszeitpunkt der Texte. Seit Ende
der 1990er Jahre (im Zuge der Verbreitung des Konstruktivismus in pädagogischen und
didaktischen Theorien) hat sich zunehmend der Begriff der Anschlussfähigkeit von Kindergarten
und Grundschule parallel zur Begrifflichkeit des „Übergangs von Kindergarten
und Grundschule“ durchgesetzt. So betont das BLK-Gutachten (1998) die Bedeutung der
„Anschlussfähigkeit“ für nachfolgende Lernprozesse (vgl. ebd., 9) und Faust, Götz,
Hacker & Roßbach (2004) diagnostizieren für das deutsche Bildungssystem, dass Kindergarten
und Grundschule „jedoch […] kaum füreinander anschlussfähig sind“ (ebd.,
7). Stern & Möller (2004) formulieren als Ziel des Grundschulunterrichts den „Erwerb
anschlussfähigen Wissens“ (ebd., 25). Die parallele Verwendung der Begriffe „Übergang“
und „Anschlussfähigkeit“ in der grundschulpädagogischen Forschung zeigt sich
auch in einem Artikel von Hacker (2001, 80), der unter dem Titel „Anschlussfähigkeit
von Kindergarten und Grundschule“ im Text vom „Übergangsproblem“ (ebd., 80)
spricht. Beim „Übergang von Kindergarten und Grundschule“ wird die Verschiedenheit
der Institutionen gewahrt. Es wird in der Regel postuliert, dass das Subjekt mit Unterstützung
den Übergang zwischen diesen beiden Institutionen bewältigen muss. Im Gegensatz
dazu steckt in der Formulierung der „Anschlussfähigkeit von Kindergarten und
Grundschule“ eine implizite Forderung: Die beiden Institutionen müssen Anschlussfähigkeit
erzeugen und möglich machen.
Karin von Bülow, Anschlussfähigkeit von Kindergarten und Grundschule
ISBN 978-3-7815-1806-3
VERLAG JULIUS KLINKHARDT, BAD HEILBRUNN 2011
10 Einleitung
Im Rahmen der vorliegenden Studie „Anschlussfähigkeit von Kindergarten und Grundschule
– Rekonstruktion von subjektiven Bildungstheorien von Erzieherinnen1 und Lehrerinnen“
soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern die subjektiven Bildungstheorien
der beiden beteiligten Professionen miteinander vereinbar sind. Inwiefern passen die
Bildungsvorstellungen der beiden Professionen zueinander, die letztendlich die konkrete
Arbeit in den Institutionen gestalten und entsprechend Anschlussfähigkeit ermöglichen
oder nicht?
Dazu werden aktuelle elementarpädagogische Bildungsansätze (Kap. 2) dargestellt und
der grundschulpädagogische Bildungsdiskurs nachgezeichnet (Kap. 3). Der grundschulpädagogische
Bildungsdiskurs wird auf der Grundlage einer Analyse von gängigen Einführungswerken
rekonstruiert. Mit den Ergebnissen dieser Forschung werden im praktischen
Teil subjektive Bildungstheorien von Erzieherinnen und Lehrerinnen verglichen
und kontrastiert. Im Anschluss daran werden die verschiedenen theoretischen Erklärungsmodelle
zur Anschlussfähigkeit dargestellt (Kap.4). Die bisher erforschten und
durchgeführten/ergriffenen Maßnahmen zur Verbesserung der Anschlussfähigkeit von
Kindergarten und Grundschule werden aufgezeigt. Als noch wenig erforscht zeigt sich
dabei das Thema Anschlussfähigkeit im Rahmen subjektiver Bildungstheorien von Erzieherinnen
und Lehrerinnen. Der Begriff der subjektiven Theorie wird geklärt und der
aktuelle Forschungsstand zu subjektiven Theorien von Erzieherinnen und Lehrerinnen
dargelegt (Kap. 5). Daraus ergibt sich die leitende Forschungsfrage, ob sich eine Anschlussfähigkeit
zwischen den subjektiven Bildungstheorien von Erzieherinnen und
Lehrerinnen zeigt (Kap. 6.2). Die subjektiven Bildungstheorien werden dazu im Rahmen
von drei Auswertungsschritten rekonstruiert: durch fallbezogenes offenes und selektives
Kodieren und anschließendes fallübergreifendes selektives Kodieren. Am Ende erfolgt
eine Typisierung. Die verschiedenen Ebenen der Auswertungsschritte dokumentieren
sich auch in der unterschiedlichen Präsentation der Ergebnisse: Darstellung von exemplarischen
Fallportraits, Darstellung von fallübergreifenden Aussagen und der Typisierung
(Kap. 6). Diese drei Darstellungsebenen werden für jede Profession getrennt dargestellt
(Kap. 7 und 8). Daran schließt sich dann der Vergleich der fallübergreifenden Aussagen
im Hinblick auf die Frage der Anschlussfähigkeit der Bildungstheorien an (Kap.
9). Den Abschluss der Arbeit bilden Folgerungen für die weitere Theorienentwicklung,
die Forschung und die Aus- und Weiterbildung von Erzieherinnen und Lehrerinnen
(Kap. 10).
1 Da sowohl in der Grundschule als auch im Kindergarten in deutlicher Mehrzahl Frauen tätig sind, wird in
dieser Arbeit ausschließlich die weibliche Form verwendet. Es sind selbstverständlich damit beide Geschlechter
gemeint.
Karin von Bülow, Anschlussfähigkeit von Kindergarten und Grundschule
ISBN 978-3-7815-1806-3
VERLAG JULIUS KLINKHARDT, BAD HEILBRUNN 2011
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