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»Für Dein Alter siehst Du gut aus!« Von der Un/Sichtbarkeit des alternden Körpers im Horizont des demographischen Wandels. Multidisziplinäre Perspektiven
»Für Dein Alter siehst Du gut aus!«
Von der Un/Sichtbarkeit des alternden Körpers im Horizont des demographischen Wandels. Multidisziplinäre Perspektiven




Sabine Mehlmann, Sigrid Ruby (Hrsg.)

Transcript
EAN: 9783837613216 (ISBN: 3-8376-1321-6)
278 Seiten, paperback, 15 x 22cm, 2010, zahlr. Abb.

EUR 26,80
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
»Für Dein Alter siehst Du gut aus!« – Diese Alltagsfloskel bezeugt die instabile Korrelation von Alter und körperlicher Verfasstheit und verweist zudem auf ein strenges Gebot: die Arbeit am eigenen Körper(-bild). Der »Kulturkörper« erscheint im Zeitalter der Postmoderne als form- und gestaltbar und ist zugleich Normierungsprozessen unterworfen. Die Beiträge dieses Bandes fokussieren alter(n)sbezogene Normierungen von Körpern und Körperbildern, wie sie gegenwärtig in diversen Diskursfeldern und Medien zu beobachten sind. Überlegungen aus mehreren Disziplinen werden zusammengeführt, um das komplexe Miteinander medial generierter Körpernormen und der Praktiken der Arbeit am Körperbild zu beleuchten.
Rezension
Die postmoderne Immer-fit-Gesellschaft, die aufgrund demographischen Wandels immer älter wird, nötigt die Alten dazu, "junge" Alte zu sein, und verlangt nach einer Körperinszenierung, die den alternden Körper möglichst unsichtbar macht. Der informative Sammelband mit dem treffenden Titel "Für Dein Alter siehst Du gut aus!" wendet sich diesen Körperkult(ur)en (vgl. Reihentitel) in vielfältiger, multidisziplinärer Perspektive zu und leuchtet die Körpernormierungen, die Pathologisierungen des Alterns und die Einprüche dagegen umfassend aus. Das Buch nimmt die mit der (massen-)medialen Popularisierung des ›Anti-ageing‹ und des ›erfolgreichen Alterns‹ verbundenen Prozesse altersbezogener Körpernormierungen als neue Formen biopolitischer Regulierung in den Blick, in denen der Imperativ der ›Selbstoptimierung‹ mit ästhetisch kodierten Idealen von Jugendlichkeit und Schönheit sowie Gesundheitsnormen in Gestalt körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit verknüpft wird.

Dieter Bach, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Jung, fit und schön! Die Arbeit am alternden Körper gehört zu den Geboten unserer Zeit. Die Beiträge des Bandes nehmen diese Körper-Praktiken im Spannungsfeld von medizinischen Normen und ästhetischen Imperativen in den Blick.
Sabine Mehlmann (Dr. phil.) ist Sozialwissenschaftlerin an der Justus-Liebig-Universität Gießen.
Sigrid Ruby (PD Dr. phil.) ist Kunsthistorikerin an der Justus-Liebig-Universität Gießen.

Schlagworte:
Körper, Altern, Gender, Normierung, Body Enhancement, Medien

Adressaten:
Sozialwissenschaften, Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte, Philosophie, Geschichte, Theologie

zur Reihe:
Editorial
Die jüngste (Wieder-)Entdeckung des Körperbegriffs in den Sozial- und Kulturwissenschaften »verkörpert« paradigmatisch ein neuartiges materialistisches Verständnisses von Gesellschaft und Kultur, das von einer Inkorporierung symbolischer Ordnungen ausgeht. Die Reihe KörperKulturen stellt diesen innovativen Diskursen um den Körperbegriff ein eigenes editorisches Profil zur Verfügung, das die interdisziplinäre Vielfalt körpertheoretisch inspirierter Perspektiven zeigt.

Interview
... mit Dr. phil. Sabine Mehlmann und Dr. phil. Sigrid Ruby

1. »Bücher, die die Welt nicht braucht.« Warum trifft das auf Ihr Buch nicht zu?
Den in den modernen Bild- und Textmedien propagierten Normen des ›erfolgreichen Alterns‹ und den subtilen Zwängen der ›Arbeit gegen das Alter(n)‹ kann sich heute keine(r) wirklich entziehen. Der Band sensibilisiert für die mit dem Alter(n) verknüpften Körper(bild)normierungen und Prozesse der Pathologisierung und Ausgrenzung, die in den Diskursen über den demographischen Wandel und in den neuen Leitbildern von so genannten ›jungen Alten‹ tendenziell ausgeblendet werden.
2. Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?
Das Buch nimmt die mit der (massen-)medialen Popularisierung des ›Anti-ageing‹ und des ›erfolgreichen Alterns‹ verbundenen Prozesse altersbezogener Körpernormierungen als neue Formen biopolitischer Regulierung in den Blick, in denen der Imperativ der ›Selbstoptimierung‹ mit ästhetisch kodierten Idealen von Jugendlichkeit und Schönheit sowie Gesundheitsnormen in Gestalt körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit verknüpft wird.
3. Welche Bedeutung kommt dem Thema in den aktuellen Forschungsdebatten zu?
Mit Blick auf das Wechselverhältnis von Körpernormen, Körpertechnologien und Praktiken der Arbeit am (eigenen) Körper(bild) werden kultur-, medien-, sozial- und geisteswissenschaftliche Perspektiven zusammengeführt. Die Beiträge fokussieren sich abzeichnende Prozesse einer Neuverhandlung der ›Natur des Alter(n)s‹, welche das Verhältnis von Natur und Kultur, Individuum und Körper, Materialität und Repräsentation, Norm und Abweichung neu figurieren und Fragen nach den Möglichkeiten kritischer Intervention aufwerfen.
4. Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten diskutieren?
Mit alten und jungen Leserinnen und Lesern.
5. Ihr Buch in einem Satz:
Wer alt aussieht, ist selber schuld.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 7

Einleitung: „Für Dein Alter siehst Du gut aus!“
Körpernormierungen zwischen Temporalität und Medialität 15

SABINE MEHLMANN / SIGRID RUBY
Körpernormierungen und Praktiken der Arbeit gegen das Altern
Himmlische Körper oder wenn der Körper den Geist aufgibt.
Zur performativ produzierten Hinfälligkeit des Körpers 33

HANNELORE BUBLITZ
‚Konsumklassizismus‘:
Körperrasuren zwischen Pornographie und Zeitlosigkeit 51

JÖRG SCHELLER
Natürlich künstlich glatte Haut. Demi Moore, Brigitte Nielsen
und ihre Körpertechnologien in den Massenmedien 69

THOMAS KÜPPER
Alte Liebe rostet nicht. Alterssexualität in der Ratgeberliteratur
der 1980er und 1990er Jahre 89

ANNIKA WELLMANN
(Ent-)Pathologisierungen des Alter(n)s
Zur medialen Repräsentation alter behinderter Körper in der Gegenwart 107

MARKUS DEDERICH
Fremde im Spiegel:
Körperwahrnehmung und Demenz 123

HEIKE HARTUNG
Die Schwächung des Körpers im Lauf der Zeit – zur Bedeutung der
Temporalität in den Körperkonzepten pflegebedürftiger Personen 139

ULRIKE MANZ
Einsprüche und Perspektiven kritischer Invention
Zum Verhältnis von Körperlichkeit und Körpernormen: ethische Überlegungen 155

UTA MÜLLER
„Man sieht Dir die Cyborg gar nicht an!“
Über Altern und ‚Cyborgisierungen‘ 177

STEFANIE SCHÄFER-BOSSERT
„Un/an/geeignete Andere“
Temporalität als ‚Altern‘ in der Gegenwartskunst 197

BARBARA PAUL
Undoing Age. Die Performativität des
alternden Körpers im autobiographischen Text 215

MIRIAM HALLER
„Wie spielt man Altsein?“
Darstellungen des Alter(n)s im zeitgenössischen Theater 235

MIRIAM DREYSSE
Arbeit am Generationengefüge.
Die fotografischen Körper der Annegret Soltau 253

SABINE KAMPMANN
Autorinnen und Autoren 269


Leseprobe:
7
Vorwort
SABINE MEHLMANN / SIGRID RUBY
Die vorliegende Publikation basiert auf Beiträgen einer multidisziplinären
Tagung mit dem Titel „‚Für Dein Alter siehst Du gut aus!‘. Körpernormierungen
zwischen Temporalität und Medialität“, die am 12. und 13. Dezember
2008 an der Justus-Liebig-Universität Gießen von der Arbeitsstelle Gender
Studies in Kooperation mit dem Institut für Kunstgeschichte und der Frauenbeauftragten
der Universität veranstaltet wurde.
Die Idee zur Tagung ist im Kontext des Interdisziplinären Forschungskolloquiums
der Arbeitsstelle Gender Studies im Zuge der Auseinandersetzung
mit dem Thema „Biopolitik“ entstanden. Ausgehend von der Frage
nach den geschlechterpolitischen Implikationen biotechnologischer Zugriffsmöglichkeiten
auf den Körper und nach den Möglichkeiten von Kritik und
Subversion aus der Perspektive feministischer Theorie, hat sich das Themenfeld
Körpernormierungen und Alter(n) als ein zentraler Forschungsgegenstand
herauskristallisiert, an dem zugleich die Potentiale und Herausforderungen
interdisziplinärer Zusammenarbeit im Sinne der Reflektion der jeweils
‚eigenen‘ Zugänge und Logiken der Gegenstandskonstitution und ihrer ‚Übersetzung‘
bzw. ihrer ‚Übersetzbarkeit‘ für ‚andere‘ Disziplinen deutlich wurden.
Im Verlauf der Tagung, zu deren konzeptioneller Entwicklung die Gespräche
mit der Theologin Uta Schmidt wesentlich beitrugen, sind diese produktiven
Herausforderungen vor allem in der Diskussion der Vorträge sichtbar
geworden, die wir – quer zu den beteiligten Disziplinen – thematisch gebündelt
hatten. Die vorliegende, um einige weitere Beiträge ergänzte Publikation
behält diese thematische Fokussierung bei. Leider ist es nicht möglich,
die inspirierenden Diskussionen der Tagung, die sich auch den Moderatorinnen
Miriam Dreysse und Uta Schmidt verdanken, in einem Buch festzuhalten.
Wir hoffen jedoch, dass die hier versammelten Zugänge und Perspektiven
zum Thema Alter(n) und Körpernormierungen in den Köpfen der LeserInnen
eine produktive Spannung erzeugen, die zum Weiter- und Querdenken anregt.
SABINE MEHLMANN/SIGRID RUBY
8
Für die organisatorische und finanzielle Unterstützung der Tagung möchten
wir uns an dieser Stelle vor allem bei der Arbeitsstelle Gender Studies der
Justus-Liebig-Universität Gießen herzlich bedanken. Wir danken ausdrücklich
der Leiterin der Arbeitsstelle, Frau Prof. Dr. Barbara Holland-Cunz, für
die großzügige Bereitstellung finanzieller Mittel zur Durchführung der Veranstaltung.
Für finanzielle Unterstützung der Tagung haben wir uns weiterhin
beim Institut für Kunstgeschichte und hier vor allem bei Frau Prof. Dr. Silke
Tammen zu bedanken. Unser besonderer Dank gilt zudem der Frauenbeauftragten
der Justus-Liebig-Universität, Frau Marion Oberschelp, die die Veranstaltung
mit einer größeren Geldsumme gefördert hat. Bei der Planung, Organisation
und Durchführung der Tagung waren Marta Krajinovic und Franziska
Gilbrich eine große Hilfe. Ihnen sowie Diana Hammes, Katharina Volk
und Torsten Wöllmann sei an dieser Stelle mit Nachdruck gedankt.
Für die Gewährung eines Druckkostenzuschusses haben wir ein weiteres
Mal der Arbeitsstelle Gender Studies herzlich zu danken. Bedanken möchten
wir uns auch bei der Gießener Hochschulgesellschaft e.V., die freundlicherweise
Personalmittel für die Fertigstellung der Publikation bereit stellte. Franziska
Gilbrich, die uns bei der Endredaktion des Bandes unterstützt hat, sei an
dieser Stelle ausdrücklich gedankt. Dank gebührt schließlich auch den Autorinnen
und Autoren der hier versammelten Beiträge – für Ihr Engagement und
die gute Zusammenarbeit.
Gießen, im April 2010 Sabine Mehlmann und Sigrid Ruby



Einleitung:„Für Dein Alter siehst Du gut aus!“
Körpernormierungen zwischen Temporalität
und Medialität
SABINE MEHLMANN/SIGRID RUBY
„Für Dein Alter siehst Du gut aus!“ – sagen wir zu einer Freundin, einem
Freund, zum eigenen Spiegelbild oder auch, dann indirekt formuliert, über
eine dritte Person. Es ist ein nett gemeintes Kompliment, das vermutlich die
meisten gerne hören. Doch die mittlerweile zu einer Alltagsfloskel geronnene
Schmeichelei ist nicht so arglos, wie sie vorgetragen zu werden scheint. „Für
Dein Alter siehst Du gut aus!“, das ist ein Kompliment mit Vorbehalt und
Platzanweisung gleichermaßen. Es positioniert die angeblich gutaussehende
Person in einem fortgeschrittenen Lebensabschnitt, in einem gehobenen Alter,
in dem der Anspruch auf ein perfektes körperliches Erscheinungsbild – so
wird impliziert – verwirkt ist. Ungeachtet dieser vermeintlichen Einschränkung
gelingt es der oder dem Gemeinten, gut und das heißt jünger auszusehen
als er oder sie ist, das ‚wahre‘ Alter also zu unterlaufen, es zu kaschieren oder
gar unsichtbar zu machen. Und das gilt als eine persönliche Leistung, die Anerkennung
verdient und Bewunderung hervorruft. Die Plakat- und Illustrierten-
Werbung spielt mit diesem Effekt, wenn sie prominente Frauen höheren
Alters mehr oder minder erotisch inszeniert und deren erstaunlich jugendliches
Erscheinungsbild in eine sinnfällige Verbindung mit den angepriesenen
Produkten bringt (Abb.1).1
1 S.a. die Inszenierung der US-amerikanischen Schauspielerinnen Sharon Stone
und Jane Fonda in neueren Werbeanzeigen für Kosmetik-Produkte von Dior
bzw. L’Oréal.
SABINE MEHLMANN/SIGRID RUBY
10
Abbildung 1: Werbeanzeige der deutschen Wäschefirma Mey,
Herbstkampagne 2009 „Me, MYseLf aNd MeY“, mit Uschi Obermaier
Bei genauerem Hinsehen erscheint die Alltagsfloskel „Für Dein Alter siehst
Du gut aus!“ als eine doppelbödige Formulierung mit Aufforderungscharakter:
Sie basiert auf dem herkömmlichen Gegensatz von alt und jung. Das als
allgemeiner Konsens vorausgesetzte Schönheitsideal gehört (zu) der Jugend,
während der ältere oder alte Körper als eine Abweichung von dieser Norm betrachtet
und implizit als ein mangelhafter bzw. minderwertiger markiert wird.
Das ‚freiwillige‘ Streben nach Jugendlichkeit, also nach ästhetischer Normerfüllung,
entpuppt sich vor diesem Hintergrund als ein strenges Gebot: Jede/r
ist aufgefordert, am eigenen Körper zu arbeiten, um die sichtbaren Zeichen
des Alter(n)s zu mildern oder gar zu eliminieren, so dass man ihm/ihr „das
Alter (gar) nicht ansieht“. Aber welche Zeichen sind das? Und anhand welcher
Zeichen wird die Diskrepanz zwischen dem – nunmehr unsichtbaren –
‚wahren‘ Alter und dem körperlichem Erscheinungsbild sichtbar gemacht?
Woran, anhand welcher Vergleichsmomente bzw. -bilder, können wir erkennen,
dass jemand „für sein/ihr Alter gut aussieht“?
Die Doppelbödigkeit der Floskel, die mit dem ‚Lob‘ der Abweichung zugleich
das ‚Lob‘ der Normerfüllung aufruft und zwischen Sichtbarkeit und
Unsichtbarkeit des Alter(n)s oszilliert, verweist auf eine weitere Paradoxie:
Einerseits wird eine stabile Korrelation von Alter und Körperbild suggeriert.
Der mit der Zeit fortschreitende Prozess des Alterns materialisiert sich am
Körper, formt diesen Körper, scheint sich als unausweichlicher physischer
Verfall in ihn einzuschreiben. Das ‚erfolgreiche‘ Unterlaufen eben dieses Prozesses
setzt aber – andererseits – eine Entkopplung dieser vermeintlich festen
EINLEITUNG
11
Beziehung voraus: Hier ist es umgekehrt gerade die Instabilität der Relation
von Körper und Alter bzw. Altern, die das ‚Versprechen‘ auf Umkehrung
oder zumindest Verlangsamung jenes ‚natürlichen‘ Verfallsprozesses birgt
und zugleich die Voraussetzung für die anempfohlene Selbstoptimierung
durch entsprechende Technologien und Praktiken der Arbeit am eigenen Körper(-
bild), das heißt der „Arbeit gegen das Altern“2 bildet.
„Für Dein Alter siehst Du gut aus!“ erweist sich somit gerade in ihrer Alltäglichkeit
und vordergründigen Harmlosigkeit als eine höchst aufschlussreiche
Formulierung, deren Implikationen hier als Ausgangspunkt für eine multidisziplinär
angelegte Analyse von altersbezogenen Körpernormierungen und
-politiken dienen sollen. Mit Blick auf das komplexe Zusammenspiel der auf
das Alter(n) bezogenen Körpernormen und der Praktiken der Arbeit am (eigenen)
Körper(-bild) werden kultur-, medien-, sozial- und geisteswissenschaftliche
Perspektiven zur Frage der Un/Sichtbarkeit alter(nder) Körper zusammengeführt.
Im Fokus der Betrachtung stehen dabei vor allem die im Horizont
der Debatten über den demographischen Wandel und den damit verbundenen
alarmistischen Krisenszenarien einer drohenden Überalterung (spät-)
moderner westlicher Gesellschaften3 sich abzeichnenden Prozesse einer Neuverhandlung
der „Natur des Alter(n)s“, die das Verhältnis von Natur und Kultur,
Individuum und Körper, Materialität und Repräsentation, Norm und Abweichung
neu figurieren und Fragen nach den Möglichkeiten kritischer Inter-
2 Nina Degele: „Schöner Altern. Altershandeln zwischen Verdrängung, Resonanzen
und Solidaritäten“, in: Sylvia Buchen/Maja S. Maier (Hg.), Älterwerden
neu denken. Interdisziplinäre Perspektiven auf den demografischen Wandel,
Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften 2008, S. 165-180, hier S. 171f.
3 Zum alarmistischen Charakter der Debatten und ihren bevölkerungspolitischen
Implikationen in Bezug auf die Steigerung der Geburtenraten, vgl. Diana Auth/
Barbara Holland-Cunz (Hg.): Grenzen der Bevölkerungspolitik. Strategien und
Diskurse demographischer Steuerung, Opladen: Budrich 2007. Zur „Demografisierung
sozialer Probleme“ im Kontext der Krisenszenarien einer ‚alternden Gesellschaft‘,
deren ‚Lösung‘ die „Entdeckung älterer Menschen als Humankapitalressource“
bildet, vgl. Sylvia Buchen/Maja S. Maier: „Älterwerden neu
denken. Interdisziplinäre Perspektiven auf den demografischen Wandel“, in:
dies. (Hg.), Älterwerden neu denken. Interdisziplinäre Perspektiven auf den demografischen
Wandel, Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften 2008, S. 7-
27, hier S. 8f. Zur Entwicklung des demographischen Diskurses seit den 1970er
Jahren bis in die Gegenwart, in dessen Verlauf – ausgehend von der Problematisierung
des Geburtenrückgangs – in zunehmenden Maße das ‚Problem‘ des
Alter(n)s in das Zentrum der Aufmerksamkeit rückt, vgl. Hans-Joachim von
Kondratowitz: „Alter(n) in Ost und West. Der Wandel normativer Modellierungen
des Alter(n)s in historisch vergleichender Perspektive“, in: Silke van
Dyk/Stephan Lessenich (Hg.), Die jungen Alten. Analysen eine neuen Sozialfigur,
Frankfurt a.M., New York: Campus 2009, S. 256-278, hier S. 257-262.
SABINE MEHLMANN/SIGRID RUBY
12
vention aus der Perspektive (de-)konstruktivistisch orientierter Ansätze zu
Körper, Alter(n) und Geschlecht aufwerfen.4
Neu-Definit ionen des Al ter(n)s:
theoretische Verortungen und historische Kontexte
Seit Luce Irigaray und Julia Kristeva, spätestens aber seit Michel Foucault
und Judith Butler wissen wir, dass Körper – weibliche wie männliche – diskursiv
und performativ hervorgebrachte Körper sind. Unsere Wahrnehmung
und die (Re-)Produktion von Körpern werden durch Diskurse und Praktiken
vielfältigster Art strukturiert und geformt. Wenn somit Körper und Körperbilder
im Horizont historisch und kulturell variabler (Geschlechter-) Normen
immer wieder neu hervorgebracht werden, dann bildet das Alter(n) – auch
aufgrund seines inhärent transitorischen, auf Veränderung zielenden Moments
– ein sowohl methodisch-theoretisch wie auch kulturhistorisch besonders interessantes
Diskursfeld für das Nachdenken über den Körper und Körpernormierungen.
Dass auch das Alter(n) – analog zur Kategorie Geschlecht – als eine kulturelle
und soziale Konstruktion zu betrachten ist, gilt in der sozial- und kulturwissenschaftlichen
Altersforschung mittlerweile als unbestritten.5 Gegenüber
einer Sichtweise auf das Altern als einen universal gültigen biologischen
Prozess, der mit der Unausweichlichkeit körperlichen Verfalls assoziiert ist6,
wird der kontingente und historisch veränderliche Charakter gesellschaftlicher
Konstruktionen des Alter(n)s hervorgehoben. Dies gilt für chronologische, auf
4 Vgl. Mone Spindler: „Natürlich alt? Zur Neuerfindung der Natur des Alter(n)s
in der Anti-Ageing-Medizin und der Sozialgerontologie“, in: Silke van Dyk/
Stephan Lessenich (Hg.), Die jungen Alten. Analysen eine neuen Sozialfigur,
Frankfurt a.M., New York: Campus 2009, S. 380-402; Silke van Dyk/Stephan
Lessenich: „‚Junge Alte‘: Vom Aufstieg und Wandel einer Sozialfigur“, in: dies.
(Hg.), Die jungen Alten. Analysen eine neuen Sozialfigur, Frankfurt a.M., New
York: Campus 2009, S. 11-48.
5 Vgl. hierzu v.a. Rüdiger Kunow: „‚Ins Graue‘: Zur kulturellen Konstruktion von
Alter und Altern“, in: Heike Hartung (Hg.), Alter und Geschlecht. Repräsentationen,
Geschichten und Theorien des Alter(n)s, Bielefeld: transcript 2005, S.
21-43; S. van Dyk/S. Lessenich: ‚Junge Alte‘; Klaus R. Schroeter: „Die Normierung
alternder Körper – gouvernementale Aspekte des doing age“, in: Silke van
Dyk/Stephan Lessenich (Hg.), Die jungen Alten. Analysen eine neuen Sozialfigur,
Frankfurt a.M., New York: Campus 2009, S. 359-379.
6 Zur Verfallsanalogie vgl. Simon Biggs/Jason L. Powell: „Eine foucauldianische
Analyse des Alters und der Macht wohlfahrtstaatlicher Politik“ (orig. 2001), in:
Silke van Dyk/Stephan Lessenich (Hg.), Die jungen Alten. Analysen eine neuen
Sozialfigur, Frankfurt a.M., New York: Campus 2009, S. 186-205, hier S. 187.
Zur traditionsreichen Verknüpfung von Altern und Krankheit vgl. R. Kunow:
‚Ins Graue‘, S. 30ff.
EINLEITUNG
13
den Lebenslauf bezogene Definitionen des Alters7 ebenso wie für die kulturelle
Produktion von Normen und Bildern des Alter(n)s, die sich im zeichentheoretischen
bzw. symbolischen Sinne (an) dem Körper einschreiben und einem
geschlechtsbezogenen „double standard of aging“ folgen.8 Dies gilt aber auch
für Definitionen des vermeintlich ‚natürlichen‘ (und unausweichlichen) körperlichen
Alterungsprozesses, die im Horizont des demographischen Wandels
(ebenfalls) neu gefasst werden.9 Und schließlich ist Alter(n) wie die Kategorie
Geschlecht „auch ein Ergebnis kommunikativer Interaktionen, in denen wir
entsprechend – eben als ‚alt‘ – handeln oder behandelt werden und so die Kategorie
im Sinne eines ‚doing old‘“ – beziehungsweise eines ‚doing age‘10 –
„sozial erst herstellen und wirksam werden lassen.“11
Ausgangspunkt für eine genauere Betrachtung der gegenwärtig zu beobachtenden
Tendenzen einer Neuverhandlung des Alter(n)s ist die Überlegung,
dass altersbezogene Normierungen von Körpern und Körperbildern in historisch
spezifische Körpertechnologien und Zeitkonzepte wie auch mediale
Kontexte und Möglichkeiten eingebunden sind.
Unter dem Aspekt der Körpertechnologien sind vielfältige Praktiken der
„Arbeit am Körper“ gebündelt, z.B. Sport, Diät, Kosmetik, aber auch physische
Eingriffe in den Körper, wie sie gegenwärtig durch die plastische Chirurgie
sowie durch die Gen- und Reproduktionsmedizin eröffnet werden. Der
Körper post- bzw. spätmoderner Gesellschaften erscheint dabei nicht länger
als ein ‚objektives Faktum‘ bzw. als ‚natürliche Gegebenheit‘. Vielmehr wird
er zu einem „Gegenstand kultureller Modellierung“12, für dessen Zustand die
7 Die „Entstehung einer strukturell einheitlichen, kollektiv erfahrbaren Lebensphase
‚Alter‘“ erscheint dabei zuallererst als ein „Produkt der Industrialisierung“,
wobei der „Übergang ins Alter wesentlich durch die Ausgliederung aus
der Erwerbsphase bestimmt wird.“ (S. van Dyk/S. Lessenich: ‚Junge Alte‘, S.
25)
8 Susan Sontag: „The Double Standard of Aging“, in: Saturday Review 55 (1972),
S. 29-38. Vgl. Heike Hartung: „Zwischen Verfalls- und Erfolgsgeschichte.
Zwiespältige Wahrnehmungen des Alter(n)s“, in: dies. (Hg.), Alter und Geschlecht.
Repräsentationen, Geschichten und Theorien des Alter(n)s, Bielefeld:
transcript 2005, S. 7-18, hier S. 10-12; R. Kunow, ‚Ins Graue‘, v.a. S. 34-35.
Siehe auch Regine Gildemeister: „Was wird aus der Geschlechterdifferenz im
Alter? Über die Angleichung von Lebensformen und das Ringen um biografische
Kontinuität“, in: Sylvia Buchen/Maja S. Maier (Hg.), Älterwerden neu
denken. Interdisziplinäre Perspektiven auf den demografischen Wandel, Wiesbaden:
Verlag für Sozialwissenschaften 2008, S. 197-215.
9 Vgl. M. Spindler: Natürlich alt?, S. 387-392.
10 K.R. Schroeter: Die Normierung alternder Körper.
11 R. Gildemeister: Was wird aus der Geschlechterdifferenz im Alter?, S. 200.
12 Andreas Reckwitz: Das hybride Subjekt. Eine Theorie der Subjektkulturen von
der bürgerlichen Moderne zur Postmoderne, Weilerswist: Velbrück 2006. Siehe
auch Hubert Knoblauch: „Kulturkörper. Die Bedeutung des Körpers in der soSABINE
MEHLMANN/SIGRID RUBY
14
Individuen nunmehr selbst verantwortlich gemacht werden bzw. den sie selbst
zu verantworten haben.13 Mit den Möglichkeiten der Gestaltbarkeit des Körpers
geht einerseits „die Pflicht einher, den Körper gemäß der gesellschaftlichen
Normvorstellungen zu modellieren“14. Andererseits sind die ‚Investitionen‘
in den Körper und das Köperbild mit dem ‚Versprechen‘ auf sozialen
(beruflichen und privaten) Erfolg verbunden: Der „schöne, kräftige, makellose,
gepflegte, gesunde, funktionstüchtige Körper“ erweist sich in dieser Perspektive
als „korporales Kapital“, das „für eine sichtbar gemachte, distinktive
Form der aktiven Lebensführung“ steht und als Medium sozialer Positionierung
und Bezugspunkt sozialer Bewertungen fungiert“15.
Parallel hierzu zeichnet sich im Kontext der Debatten zum demographischen
Wandel ein Zugleich divergierender Zeitkonzepte ab, die mit einer Dynamisierung
und Ausdifferenzierung der Begriffe Alter bzw. Altern einhergehen.
So wird im Rahmen der Anti-Ageing-Diskurse16 zwischen dem „Lebensalter
in Jahren“, wahlweise auch „tatsächliches“, „mathematisches“ oder „kalendarisches
Alter“ genannt, und dem „biologischem Alter“ unterschieden17 –
eine Unterscheidung, die den individuellen körperlichen Alterungsprozess als
Variable setzt und damit wiederum die Möglichkeit und die Notwendigkeit
von Investitionen in den Körper bzw. in das Körperbild unterstreicht. Des
weiteren zeichnet sich mit Blick auf die Definitionen des Alters als Lebenszialkonstruktivistischen
Wissenssoziologie“, in: Markus Schroer (Hg.): Soziologie
des Körpers, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2005, S. 92-113.
13 Vgl. hierzu u.a. Sabine Maasen: „Schönheitschirurgie. Schnittflächen flexiblen
Selbstmanagements“, in: Barbara Orland (Hg.), Artifizielle Körper – Lebendige
Technik. Technische Modellierungen des Körpers in historischer Perspektive,
Zürich: Chronos 2005, S. 239-260; Zygmunt Baumann: „Politischer Körper und
Staatskörper in der flüssig-modernen Konsumentengesellschaft“, in: Markus
Schroer (Hg.): Soziologie des Körpers, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2005, S. 189-
213. Siehe auch Matthias Kettner (Hg.): Wunscherfüllende Medizin. Ärztliche
Behandlung im Dienst von Selbstverwirklichung und Lebensplanung, Frankfurt
a.M., New York: Campus 2009.
14 K.R. Schroeter: Die Normierung alternder Körper, S. 367.
15 Ebd., S. 368 und 369. Siehe auch N. Degele: Schöner Altern, S. 166ff.
16 Vgl. hierzu K. R. Schroeter: Die Normierung alternder Körper; M. Spindler: Natürlich
alt?
17 Das Lebensalter in Jahren wird nach dem urkundlich dokumentierten und bevölkerungsstatistisch
erfassten Tag der Geburt mathematisch berechnet (vgl.
BGB § 187, Abs. 2 Satz 2, und § 188, Abs. 2 Alt. 2). Das „biologische Alter“
lässt sich, laut Präambel der Stiftung Biologisches Alter, „nach dem jeweiligen
Zustand des Organismus und damit unabhängig von, in Zeit bemessenem, Alter
bestimmen.“ (www.stiftung-biologisches-alter.de; Zugriff am 5. März 2008).
Auf der aktualisierten Website der Stiftung heißt es: „Die Definition des biologischen
Alters kann zur Zeit nur auf einer rein subjektiven Ebene erfolgen. Dabei
stehen vor allem die Funktionalität aller Organbereiche des Menschen und
insbesondere sein äußere[s] Erscheinungsbild im Vordergrund.“ (Ebd.; Zugriff
am 17.2.2010).
EINLEITUNG
15
phase eine Binnendifferenzierung ab18: Die als ‚Ruhestand‘ definierte Lebensphase
des Alters „hat sich nun im Zuge steigender Lebenserwartung bei
gleichzeitiger ‚Entberuflichung‘ und ‚Verjüngung‘ des Alters […] – u.a.
durch den Trend zu Frühverrentung – in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
erheblich ausgedehnt. Vor diesem Hintergrund hat sich sowohl politisch
als auch in der gerontologischen Forschung […] eine analytische Zweiteilung
der Altersphase in ein drittes, junges und gesundes Alter sowie ein viertes Alter
der stärker durch Krankheit, Abhängigkeit und Pflegebedürftigkeit geprägten
Hochaltrigkeit durchgesetzt“19, das gleichwohl sowohl hinsichtlich seiner
chronologischen Einordnung als auch in Hinblick auf die Bestimmung des
Übergangs vom dritten zum vierten Lebensalter „in hohem Maße diffus“20
bleibt. Möglicherweise ist es wiederum gerade dieses Diffuse, diese Unbestimmtheit,
die den Ansatzpunkt für das Gebot der Arbeit am alternden Körper
bildet: Das ‚dritte‘, ‚junge‘ und ‚gesunde‘ Alter lässt sich in dieser Perspektive
mit dem Konzept des „erfolgreichen Alterns“ in Zusammenhang
bringen, das „1. die Vermeidung von Krankheit und Behinderungen, 2. die
Aufrechterhaltung hoher physischer und kognitiver Fähigkeiten“ sowie „3.
‚aktive Teilhabe am Leben‘“ als Resultat eines ‚verantwortlichen‘ Umgangs
mit dem eigenen Körper umfasst.21
Im Zuge der (massen-)medialen Popularisierung der Konzepte des ‚antiageing‘
und des ‚erfolgreichen Alterns‘ wird der Imperativ der ‚Selbstoptimierung‘
in Bezug auf den eigenen Körper bzw. das eigene Körperbild mit altersbezogenen
Idealvorstellungen verknüpft, in denen sich ästhetisch kodierte
Ideale von Jugendlichkeit und Schönheit mit Gesundheitsnormen in Gestalt
körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit kreuzen.22 Im Zusammenhang
mit der Tendenz zur Individualisierung gesellschaftlicher Risiken im Sinne
der Selbstverantwortung für den Zustand des eigenen Körpers, die wiederum
im Kontext wohlfahrtstaatlichen Umbaus und des Aufstiegs neoliberaler Re-
18 Vgl. hierzu Gerd Göckenjan: Das Alter würdigen: Altersbilder und Bedeutungswandel
des Alters, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2000, S. 421 ff.; S. van Dyk/S.
Lessenich: ‚Junge Alte‘, S. 25ff.; K. R. Schroeter: Die Normierung alternder
Körper, S. 363ff.
19 S. van Dyk/S. Lessenich: ‚Junge Alte‘, S. 26.
20 Ebd.
21 Vgl. Marta B. Holstein/Meredith Minkler: „Das Selbst, die Gesellschaft und die
‚neue Gerontologie‘“, in: Silke van Dyk/Stephan Lessenich (Hg.), Die jungen
Alten. Analysen eine neuen Sozialfigur, Frankfurt a.M., New York: Campus
2009, S. 207-232, hier S. 212. Vgl. hierzu ebenfalls K.R. Schroeter: Die Normierung
alternder Körper, S. 363.
22 Vgl. Matthias Kettner/Iris Junker: „Beautiful Enhancements. Über wunscherfüllende
Medizin“, in: Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft
52/2 (2007), S. 185-196, insb. S. 191 ff.
SABINE MEHLMANN/SIGRID RUBY
16
gulierungstechniken23 steht, können beide Konzepte (bei unterschiedlicher
‚Herkunft‘)24 als Elemente einer „gesamtgesellschaftlichen ‚anti-ageing‘-
Strategie“ betrachtet werden, insofern die Individuen zugleich „für den kollektiven
Kampf gegen die ‚alternde Gesellschaft‘“25 mobilisiert und ‚moralisch
verpflichtet‘26 werden.
Visualisierungen und Medien des Al ter(n)s
Mit dem Problem der Un/Sichtbarkeit des alternden Körpers, das in der Floskel
„Für Dein Alter siehst Du gut aus!“ anklingt und durch tendenziell diffuse
Alterskonzepte einerseits und das Gebot der „Arbeit gegen das Altern“ andererseits
verkompliziert wird, rücken auch mediale Aspekte in das Zentrum des
Interesses. In je spezifischer Weise und abhängig von den historischsituativen
Kontexten ihrer Hervorbringung und Wahrnehmung beeinflussen
die Konstruktionsweisen und -merkmale medial generierter Körper die Praktiken
der Arbeit am (eigenen) Körper(-bild)27 – und vice versa. (Multi-)medial
verbreitete Bilder lehren uns Sichtweisen, zwingen uns Perspektiven auf den
Körper regelrecht auf. Vor allem die bildenden, performativen und literari-
23 Vgl. S. Buchen/M. S. Maier: Älter werden neu denken; S. van Dyk/S. Lessenich:
‚Junge Alte‘; K. R. Schroeter: Die Normierung alternder Körper.
24 Während das aus dem US-amerikanischen stammende Konzept des ‚antiageing‘
in der (Sport-)Medizin bzw. Biomedizin wurzelt und – ausgehend von
einem Verständnis des Alter(n)s als „behandelbare, molekularbiologische Metakrankheit“
– (zunächst) als „medizinisches Programm zur ‚Maximierung der
Physiologie‘ alternder Körper“ (M. Spindler: Natürlich alt?, S. 382) entworfen
wurde, entsteht das – ebenfalls aus dem US-amerikanischen stammende – Konzept
des „successful ageing“ im Kontext einer ‚neuen Gerontologie‘. Diese wendet
sich gegen das ‚alte‘ Paradigma von Abbau und Verfall, in dem Alter(n) „als
Folge individueller Beeinträchtigungen und Verlust“ betrachtet wurde, „denen
sich die alten Menschen als auch die Gesellschaft anzupassen und anzugleichen
hatten“ und betont demgegenüber „die Wahrscheinlichkeit und das Potenzial für
ein gesundes und aktives Alter“ durch gezielte Gesundheitsförderung und Prävention
(M.B. Holstein/M. Minkler: Das Selbst, die Gesellschaft und die ‚neue
Gerontologie‘, S. 205).
25 S. van Dyk/S. Lessenich: ‚Junge Alte‘, S. 24.
26 Vgl. M.B. Holstein/M. Minkler: Das Selbst, die Gesellschaft und die ‚neue Gerontologie‘,
S. 211, vgl. hierzu ebenfalls Stephan Lessenich: „Lohn und Leistung,
Schuld und Verantwortung: Das Alter in der Aktivgesellschaft“, in: Silke
van Dyk/Stephan Lessenich (Hg.), Die jungen Alten. Analysen eine neuen Sozialfigur,
Frankfurt a.M., New York: Campus 2009, S. 279-295.
27 Besonders eindringlich hat die französische Künstlerin Orlan dieses Zusammenspiel
vorgeführt, indem sie ihren eigenen Körper und insbesondere ihr Gesicht
seitens der Künste hervorgebrachten Schönheitsidealen (wie z.B. der Botticelli-
Venus) mit Rückgriff auf die Möglichkeiten der plastischen Chirurgie nachbilden
ließ.
EINLEITUNG
17
schen Künste können aber auch Medien der Erkenntnis und der Subversion
sein, wenn sie Normen hinterfragen, Stereotype kenntlich machen oder kraft
ihrer jeweiligen ästhetischen Möglichkeiten die Macht des Diskurses und seiner
epistemischen Strukturen offen legen.
Darstellungen des Alters wie auch des Alterns haben in den Bildkünsten eine
lange und vielfältige Tradition, die seitens der kunstgeschichtlichen Forschung
bislang nur punktuell herausgearbeitet wurde.28 Jenseits des Porträtfachs,
wo das veristisch oder idealisierend zu Sehen gegebene Alter ein besonderes
Kennzeichen des porträtierten Individuums sein kann, hat die
Kunstgeschichte vor allem allegorische und dann zumeist geschlechtsspezifisch
argumentierende Bilder des Alter(n)s hervorgebracht, die es mit Vergänglichkeit
und Hässlichkeit, aber auch mit Weisheit und Würde verknüpfen.
In den seit der Frühen Neuzeit bekannten Lebensalter-Darstellungen wird
Altern als ein sich in der Zeit wandelndes Körperbild imaginiert.29 Die differenziert
ge(kenn)zeichneten Männer- und Frauenkörper repräsentieren unterschiedliche
Lebensphasen, die mit geschlechtsspezifischen sozialen Rollen
verknüpft werden. Die zumeist von links nach rechts und in chronologischer
Abfolge angeordneten Lebensalter-Allegorien fordern den Betrachter zum
Vergleich der Körper auf. Mit dem Nachvollzug der ihnen eingeschriebenen,
die Vergänglichkeit der menschlichen Physis betonenden Metamorphosen
werden der Lauf der Zeit und das transitorische Moment des Alterns erfahrbar.
Das noch im 19. und frühen 20. Jahrhundert prominente Bildformular der
(v.a. weiblichen) Lebensalter30 scheint eine Fortsetzung zu haben in neueren,
28 Vgl. die Zusammenstellung der einschlägigen Literatur bei Caroline Schuster
Cordone: Le crépuscule du corps. Images de la vieillesse féminine, Gollion:
infolio 2009, S. 241f. Siehe auch Mike Featherstone/Andrew Wernick (Hg.):
Images of Aging. Cultural Representations of Later Life, London, New York:
Routledge 1995. Das Kunsthistorische Institut in Florenz ist seit kurzem mit
Forschungsprojekten im „Max Planck International Research Network on
Aging“ (MaxnetAging; www.maxnetaging.mpg.de) engagiert.
29 Vgl. insb. Kristina Bake: „Geschlechtsspezifisches Altern in einem Lebensalter-
Zyklus von Tobias Stimmer und Johann Fischart“, in: Heike Hartung (Hg.), Alter
und Geschlecht. Repräsentationen Geschichten und Theorien des Alter(n)s,
Bielefeld: transcript 2005, S. 113-133; Meike-Marie Thiele: Lebensalterdarstellung
in der Renaissance: ein neuer Bildtypus in der Malerei, Saarbrücken:
Müller 2007; Stefanie Knöll: „Frauen, Körper, Alter: die weiblichen Lebensalter
in der Kunst des 16. Jahrhunderts“, in: Andrea von Hülsen-
Esch/Hiltrud Westermann-Angerhausen (Hg.), Zum Sterben schön: Alter, Totentanz
und Sterbekunst von 1500 bis heute, Regensburg: Schnell & Steiner
2006, S. 43-51.
30 Vgl. Ellen Spickernagel: „Zur Beharrlichkeit von Frauenbildern: ‚Weibliche Lebensalter‘
im späten 19. Jahrhundert“, in: Cordula Bischoff (Hg.), Frauen Kunst
Geschichte: zur Korrektur des herrschenden Blicks, Gießen: Anabas 1984, S.
SABINE MEHLMANN/SIGRID RUBY
18
auch in der kommerziellen Werbung genutzten Darstellungen der Generationen
(Abb. 2). Analogien sind sowohl in kompositorisch-motivischer Hinsicht
als auch bezüglich der Inszenierung von Temporalität gegeben.
Abbildung 2: Werbeanzeige des SchweizerUIhrenfabrikanten Patek Philippe,
2009, aus der Serie „Timeless Portraits“
Wie schon an den frühen Lebensalter-Darstellungen deutlich wird, ist das auf
(körperliche) Veränderung zielende Moment des Alterns eine besondere Herausforderung
vor allem für die statischen Bildmedien. Seit den 1960er Jahren
lässt sich in den visuellen und performativen Künsten eine intensivierte Beschäftigung
zum einen mit Prozessualität und Zeitphänomenen und zum anderen
mit Körpern und Körperbildern verzeichnen, letzteres zum Teil in enger
Auseinandersetzung mit bzw. partizipierend an der feministischen Theoriebil-
124-129; Suse Barth: Lebensalter-Darstellungen im 19. und 20. Jahrhundert:
ikonographische Studien, Bamberg: Aku-Fotodruck 1974.
EINLEITUNG
19
dung.31 Das Thema ‚Altern‘ stellt somit eine interessante Schnittstelle dieser
künstlerischen Tendenzen dar und kann als Chiffre oder Metapher für Strategien
der Inszenierung von Temporalität und Wandelbarkeit fungieren. Neue
Medien, Techniken und Materialien, insbesondere die bewegten Bilder (Film,
Video, digitale Bilder), befördern die Destabilisierung und Verflüssigung von
Körperbildern, deren geschlechtlicher, ethnischer und auch altersbezogener
Identität sowohl in den Künsten wie auch in den Massen- oder Populärmedien.
Diese Entwicklungen scheinen der Pluralisierung von Lebensläufen und
-altern, wie sie vor allem seit der Mitte des 20. Jahrhunderts in den westlichen
Industriegesellschaften zu beobachten sind, Rechnung zu tragen – oder aber
doch damit einherzugehen. Für Konstruktionen des alten bzw. alternden Körpers
und das Paradoxon seiner gegenwärtigen, (multi-)medial generierten
Un/Sichtbarkeit sind aber auch die ästhetisch kodierten Normen von Jugendlichkeit
und Schönheit relevant. Deren ungebrochene Idealisierung scheint
einer Art neuem Klassizismus Vorschub zu leisten, der, während er Alterslosigkeit
propagiert, Körpervielfalt nicht mehr zulässt.
Fragestellungen und Zugänge
Die angedeuteten Tendenzen einer Neuverhandlung des Alter(n)s werfen eine
Reihe von Fragen bezüglich der Verfahren der altersbezogenen Normierung
von Körpern bzw. Körperbildern, der damit verknüpften Praktiken der
„Arbeit am Körper“ und den Möglichkeiten ihrer Kritik auf, die in den hier
versammelten Beiträgen in je spezifischer Akzentuierung aufgegriffen und
aus unterschiedlichen disziplinären Perspektiven betrachtet werden.
Bezogen auf die diskursive Hervorbringung altersbezogener Körpernormierungen
ist genauer zu beleuchten, in welcher Weise diese an Texte,
Bilder und Performanzen, also an Strategien der Erzählung, Symbolisierung,
31 Zur kunsthistorischen und bildtheoretischen Auseinandersetzung mit Zeit und
Zeitlichkeit vgl. u.a. Karin Gludovatz/Martin Peschken (Hg.): Momente im Prozess.
Zeitlichkeit künstlerischer Produktion, Berlin: Reimer 2004; Dieter
Mersch: „Ästhetischer Augenblick und Gedächtnis der Kunst: Überlegungen
zum Verhältnis von Zeit und Bild“, in: ders. (Hg.), Die Medien der Künste: Beiträge
zur Theorie des Darstellens. München: Fink 2003, S. 151-176. Siehe auch
Katrin Greiser/Gerhard Schweppenhäuser/Fakultät Gestaltung der FH Würzburg-
Schweinfurt (Hg.): Zeit der Bilder – Bilder der Zeit, Weimar: Max Stein
Verlag 2007. – Für kunsthistorische Überlegungen zu Körpern/ Körperbildern
vgl. Sigrid Schade/Silke Wenk: „Inszenierungen des Sehens: Kunst, Geschichte
und Geschlechterdifferenz“, in: Hadumod Bußman/Renate Hof (Hg.), Genus.
Zur Geschlechterdifferenz in den Kulturwissenschaften, Stuttgart: Kröner 1995,
S. 340-407, insb. S. 371 ff.; Sigrid Schade: „Körper und Körpertheorien in der
Kunstgeschichte“, in: Anja Zimmermann (Hg.), Kunstgeschichte und Gender.
Eine Einführung, Berlin: Reimer 2006, S. 61-72.
SABINE MEHLMANN/SIGRID RUBY
20
Visualisierung und Inszenierung gebunden sind. Welche Rolle spielen medial
vermittelte Ideale von Schönheit, Jugendlichkeit und ‚Fitness‘ bei der Normierung
eines ‚altersgerechten‘ Körperbildes? Welche Medien bzw. Diskursformationen
sind beteiligt, und wie ‚wirkmächtig‘ sind sie im Einzelnen? Mit
Blick auf die Kategorie Geschlecht ist auch danach zu fragen, ob und inwiefern
sich gegenwärtig eine Angleichung der Geschlechter in Bezug auf die altersbezogene
Normierung des Körper(-bildes) abzeichnet oder ob eher Prozesse
der Verfestigung der ‚Natur‘ der Geschlechterdifferenz zu beobachten
sind.
Im Anschluss an die aktuellen sozialwissenschaftlichen Diskussionen zum
Thema Körpertechnologien und -manipulationen, in denen das Gebot der
„Arbeit am (alternden) Körper“ als eine neue Form biopolitischer Regulierung
und Normalisierung betrachtet wird, die sich auf die ‚Autonomie‘ der
Individuen stützt und zwischen Freiheit und Zwang zur Selbstgestaltung
changiert32, stellt sich die Frage, in welcher Weise Normierungen, die auf die
regulierende Kontrolle des Bevölkerungskörpers, und Normierungen, die auf
die Disziplinierung des individuellen Körpers zielen, in den Konzepten des
‚anti-ageing‘ und des ‚erfolgreichen Alterns‘ miteinander verknüpft werden.
Welches sind die ‚Anreize‘ für die Individuen, sich diesen Normierungen –
womöglich aktiv – zu unterwerfen und sie damit zu bekräftigen? Welche neuen
Grenzziehungen zwischen Norm und Abweichung werden im Zuge der
Flexibilisierung und Ausdifferenzierung der Definitionen des Alter(n)s und
den damit verknüpften Imperativen der „Arbeit gegen das Altern“ hervorgebracht?
Welche Strategien und Verfahren der Un/Sichtbarmachung alter(nd)er
Körper sind mit diesen Grenzziehungen verbunden? Welche Funktion kommt
hierbei den so genannten Massenmedien auf der einen und den „nicht mehr
schönen Künsten“ auf der anderen Seite zu?
Und schließlich: Wie können Kritik und Widerständigkeit in Bezug auf
die gegenwärtigen altersbezogenen Normierungen des Körpers bzw. Körperbildes
(neu) gedacht werden? Wie leistungsfähig sind die (künstlerischen)
Medien sowohl hinsichtlich der Un/Sichtbarmachung von „alternden Körpern“
wie auch für Strategien der Subversion oder Negation altersbezogener
Körpernormen? Ist der Verweis auf den Konstruktionscharakter der Norm/des
‚Natürlichen‘ angesichts neuer Körpertechnologien, die direkt und materiell
32 Für den Bereich der v.a. an ästhetischen Normen orientierten Praktiken der
„Arbeit am Körper“, vgl. exemplarisch die Beiträge in Paula-Irene Villa (Hg.):
schön normal. Manipulationen am Körper als Technologien des Selbst, Bielefeld:
transcript 2008. Sabine Maasen spricht dort mit Blick auf die Verschränkung
von wissens- und technologiebasierten Herrschaftstechniken mit ‚Praktiken
des Selbst‘ von einer „bio-ästhetischen Gouvernementalität“. Zur Analyse
des ‚Anti-Ageing‘-Programms als neue Form der Gouvernementalität, die sich
im Horizont eines ‚Gesundheitsdispositivs‘ entfaltet, vgl. K. R. Schroeter: Die
Normierung alternder Körper.
EINLEITUNG
21
am Körper ansetzen und eine weitgehende Angleichung an die Norm in Aussicht
stellen, noch ‚subversiv‘?
Zur Struktur und zu den Beiträgen des Bandes
Entlang der skizzierten Fragenkomplexe wurden drei thematische Blöcke mit
insgesamt dreizehn Beiträgen aus sozial-, erziehungs- und gesundheitswissenschaftlichen,
kultur- und medienwissenschaftlichen, kunst- und gesellschaftsgeschichtlichen
Disziplinen sowie aus Theologie und Philosophie zusammengestellt.
Körpernormierungen und Praktiken der Arbeit
gegen das Altern
Die Beiträge im ersten Themenblock gehen der Frage nach, welche neuen
Normierungen durch die gegenwärtigen ‚Verheißungen‘ eines technologisch
herstellbaren und zu gestaltenden Körpers bzw. Körperbildes (multi-)medial
hervorgebracht werden. Gefragt wird unter anderem, wie oder auf welche
Weise diese Normierungen mit spezifischen Praktiken der „Arbeit am Körper“
verbunden werden, die die Grenzziehungen zwischen ‚Natürlichem‘ und
‚Künstlichem‘ unterlaufen.
Ausgangspunkt des Beitrages der Soziologin Hannelore Bublitz ist die
Problematisierung des Körpers als eine scheinbar natürliche Ressource, der in
mehr als einer Hinsicht als ‚hinfällig‘ markiert ist: zum einen als ein lebendiger,
vergänglicher, sterblicher Körper, zum anderen als ein ‚Körper nach
Maß‘, der maßlosen Optimierungsmaßnahmen und damit einer ständig neu
produzierten technologisch und medienästhetisch induzierten Hinfälligkeit
unterworfen wird. Im Fokus der Betrachtung stehen gouvernementale (Selbst-
)Technologien eines natürlichkünstlichen Körpers, die sich zwischen eher
‚freiwilligen‘ Maßnahmen einer verantwortungsbewussten − die Gesundheitsrisiken
minimierenden und die ästhetisch-erotisch-sexuelle Attraktivität maximierenden
− Subjektivität und ihrer forcierten Regulierung und Überwachung
durch Formen staatlich und privat organisierter Gesundheitspolitik bewegen.
Als Kehrseite eines gesellschaftlichen Körperkultes, in dem Aufstieg,
sozialer Erfolg, Karriere, Ansehen und Anerkennung an technisch-medial ermittelte
Körperproportionen und -standards gebunden werden, werden Abweichungen
von der Norm als Mangel an Selbstbeherrschung und Zeichen
von Willensschwäche, als persönlicher Makel und inakzeptable Belastung des
‚Gesellschaftkörpers‘ stigmatisiert. Die Schematisierung und Norm(alis)ierung
eines ‚perfekten Körpers‘ ist damit – so wird gezeigt – unmittelbar mit
der Vorenthaltung sozialer Anerkennung und Integration und dem Verlust
SABINE MEHLMANN/SIGRID RUBY
22
von Selbstwertgefühl verbunden. Im Horiont bioästhetischer Gestaltungsversprechen,
die ‚ewige‘ Jugend und Schönheit in Aussicht stellen, wird der alternde
und sterbliche Körper zum Ausnahmezustand, während der asketische
ebenso wie der technisch (auf)gerüstete – der Zeit und Endlichkeit scheinbar
enthobene – Körper quasi-religiöse Züge annimmt.
Der Beitrag des Kunst- und Medienwissenschaftlers Jörg Scheller gilt
dem seit den 1990er Jahren zu beobachtenden Trend zur Ganzkörperrasur.
Als ‚Konsumklassizismus‘ charakterisiert Scheller eine Gegenwart, in der ein
auf Dauer gestellter Konsumismus zum Lebensstil avanciert und mittels einer
auch und gerade am Körper manifesten klassizistischen Ästhetik als überzeitlich
gültig bzw. nachgeschichtlich ausgegeben wird. Die geschlechter- und
generationenübergreifend praktizierte Haarrasur drängt das ‚Natürliche‘ zurück
zugunsten eines klar konturierten, glatten Körpers, der das tradierte Ideal
der klassischen Skulptur aufruft. Ein solcherart zur Schau gestellter, also auch
der Vermarktung dienender nackter „Konsumkörper“ scheint sowohl physische
Alterungsprozesse als auch temporäre Moden zu negieren, um sich kraft
seiner klassizistischen Anmutung als ein außerhalb der Zeit stehendes und daraus
Kapital schlagendes Kunstwerk zu behaupten. Am Beispiel der Ganzkörperrasur
kann Scheller somit eine Überkreuzung der Diskurse über eine vermeintliche
Posthistoire einerseits und Anti-Ageing andererseits aufzeigen.
Nicht so sehr die Relation von jung und alt wird hier verhandelt, sondern das
klassizistische Gebot der Zeitlosigkeit, was wiederum das Problem der Un/-
Sichtbarkeit alternder Körper in einem anderen Licht erscheinen lässt.
Eine Art Zeitlosigkeit kennzeichnet auch die in den modernen Massenmedien
verbreiteten makellosen Körperbilder. Wie der Literaturwissenschaftler
Thomas Küpper aufzeigt, wird zumindest auf diesem Diskursfeld die herkömmliche
Unterscheidung zwischen ‚natürlichem‘ Altern und ‚künstlicher‘
Verjüngung problematisch. In seinem Beitrag untersucht Küpper anhand von
Medienbeiträgen über Schönheitsoperationen von Demi Moore und Brigitte
Nielsen, wie jeweils und unter aktiver Beteiligung der beiden Schauspielerinnen
Schein und Sein gegeneinander ausgespielt werden, um ambivalente
‚Wahrheiten‘ des Alter(n)s und des (nicht) alternden Körpers zu inszenieren.
Die Gestaltbarkeit des Körpers erweist sich hier als Motor der Berichterstattung
und Publikumsbindung, entfaltet aber auch ein emanzipatives Potenzial,
weil sie den Protagonistinnen erlaubt, die normative Kraft des vermeintlich
‚Natürlichen‘, dem Lebensalter und Geschlecht Gemäßen in Frage zu stellen.
Die Historikerin Annika Wellmann beschäftigt sich in ihrem Beitrag mit der
Aufwertung der Alterssexualität im Kontext des Anti-Aging-Diskurses. Am
Beispiel der Sexratgeberliteratur der 1980er und 1990er Jahre rekonstruiert
Wellmann die Genese und Normierung des Alterssexes als optimierbare wie
optimierende Praktik zur Tüchtigerhaltung von Körper und Geist, die mit dem
Versprechen einhergeht, einem einsamen und von Krankheit gekennzeichneEINLEITUNG
23
ten Alterungsprozess zu entgehen und auf diese Weise als begehrenswerte
Körpertechnik fixiert wird. Eingespannt in eine doppelte Logik von ‚Mangel‘
und ‚Zugewinn‘ wird im Zuge der Diskursivierung des Alterssexes einerseits
eine Ordnung reproduziert, die eine sozial wirksame Grenze zwischen alten
und jungen Körpern zieht, dabei die jungen, reproduktionsfähigen Körper privilegiert
und den Sex älterer Menschen einer ökonomischen Logik unterwirft,
die den Individuen die Verantwortung für den Zustand des eigenen Körpers
zuschreibt und damit die Individualisierung sozialer Risiken vorantreibt. Andererseits
trägt der Alterssexdiskurs zu einer Erweiterung von Möglichkeitsfeldern
und Handlungsspielräumen bei, insofern Sexualität im Alter nunmehr
als denk- und praktizierbar ‚normalisiert‘ wird. Wellmanns Befunde zeigen
darüber hinaus, dass in Bezug auf die ratgebermediale Popularisierung von
Alterssexualität als Praktik des ‚anti-ageing‘ und Modell für ein ‚erfolgreiches
Altern‘ eher eine Dramatisierung und Re-Naturalisierung als eine Nivellierung
oder Relativierung von Geschlechterdifferenzen zu beobachten sind.
(Ent-)Pathologisierungen des Alter(n)s
Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Neuverhandlung der „Natur des Alter(
n)s“ fokussiert der zweite Themenblock Prozesse der Neujustierung der
Grenzziehungen zwischen Norm und Abweichung, die implizit oder explizit
an die traditionsreiche Verknüpfung von Alter und Krankheit bzw. an das
Bild von Alter(n) als Krankheit anschließen.
Aus der Perspektive der „Disability Studies“ problematisiert Markus Dederich
die Tendenz zu einer verstärkten Pathologisierung des vierten ‚hohen
Alters‘ im bzw. als Kontrast zur Gruppe der ‚jungen Alten‘, die dem dritten –
positiv besetzten – ‚gesunden‘ Lebensalter zugerechnet werden. Anknüpfend
an die repräsentationstheoretischen Überlegungen des Phänomenologen
Bernhard Waldenfels wirft Dederich die Frage nach der medialen Präsenz
‚gebrechlicher‘ Menschen auf, die aufgrund ihres Alters, durch Behinderungen
oder chronische Erkrankungen als ‚verkörperte Negationen‘ der Normen
physischer und psychischer ‚Fitness‘, Jugendlichkeit und Schönheit erscheinen.
Mit Blick auf die Funktion ‚außerordentlicher Körper‘ für die Produktion
und Reproduktion des Sozialen zeigt Dederich, dass alte behinderte Körper
gegenwärtig vor allem als Repräsentationen gesellschaftlicher Ängste ‚sichtbar‘
(gemacht) werden, die das moderne Verständnis von Subjektivität und
die damit verbundenen Ideale von Selbstständigkeit, Unabhängigkeit, Vertragsfähigkeit,
Selbstkontrolle und Autonomie untergraben und Bewältigungsversuche
im Spannungsfeld von verantwortlicher Sorge, Reparaturbedürfnis,
Verleugnung, Abschiebungstendenzen und gelegentlich auch Vernichtungsimpulsen
auf den Plan rufen. Diese Form der beunruhigenden
‚Sichtbarmachmachung‘ des ‚vierten‘ Lebensalters ist zugleich mit Strategien
SABINE MEHLMANN/SIGRID RUBY
24
der ‚Unsichtbarmachung‘ durch die – auch räumliche – Ausgrenzung und institutionelle
Separierung alter behinderter Körper verknüpft. Angesichts der
Grenzen der Repräsentation, die auf einen ‚in der Sache selbst‘ liegenden
Überschuss verweisen, plädiert Dederich – jenseits der Festlegung des Lebens
alter behinderter Menschen auf ein belastendes und belastetes Leben – für
eine Erweiterung der Perspektive, die es ermöglicht, sie als Fremde wahrzunehmen,
die wir uns nur um den Preis der Verdinglichung ganz aneignen
können.
Mit „Fremde im Spiegel“ ist wiederum der an Dederich anschließende
Beitrag der Literaturwissenschaftlerin Heike Hartung überschrieben. Hartung
untersucht literarische Repräsentationsformen von Alzheimer, die eine differenziertere
Perspektive auf die Verknüpfung von Alter und Krankheit ermöglichen.
Die vorgestellten Erzählungen von Ulrike Draesner einerseits und Alice
Munro andererseits verwenden unterschiedliche narrative Strategien, um
die Erfahrung von Alzheimer innerhalb einer heterosexuellen Paarbeziehung
zu schildern. Hartung kann unter anderem und mit Verweis auf das Motiv der
Spiegelung zeigen, wie die in den Texten evozierten Körper- und Altersbilder
der an Alzheimer erkrankten Frauen aus der Beziehung zum Partner und deren
zeitlicher Ausdehnung heraus entwickelt werden und dadurch Vollständigkeit
bzw. Gestalt erlangen. Den tendenziell zersetzenden Prozessen des Alterns
und der Krankheit werden somit integrative Momente und auch positive
Entwicklungsmöglichkeiten gegenübergestellt.
Der Beitrag von Ulrike Manz lotet aus sozialwissenschaftlicher Perspektive
die Grenzen der Optimierung bzw. Optimierbarkeit von Körper(bilder)n
aus. Im Zentrum der Analyse stehen Diskrepanzerfahrungen zwischen den
Normen körperlicher Leistungsfähigkeit und den Veränderungen bzw. dem
Verfall des eigenen Körpers, die individuell verarbeitet werden müssen. Anhand
von Ergebnissen einer empirischen Studie zu Körperkonzepten, (körperbezogenen)
Zeiterfahrungen und Bewältigungsstrategien von MS-Patientinnen,
die mit der Unausweichlichkeit eines fortschreitenden körperlichen ‚Verfalls‘
konfrontiert sind, zeigt Manz, dass in der Aneignung von Alterszuschreibungen
auch ein positives Potential liegt, das eine subjektive Bewältigung
chronischer Krankheitsverläufe im Sinne einer Entpathologisierung der
‚Schwächung des Körpers im Laufe der Zeit‘ ermöglicht.
Einsprüche und Perspektiven kritischer Invention
Die Beiträge des dritten thematischen Blocks beschäftigen sich mit den Bezugspunkten
für die Kritik altersbezogener Normierungen von Körpern bzw.
Körperbildern ‚im Zeitalter ihrer technologischen Herstellbarkeit‘. Dabei
werden zum einen konstruktivistische Gender-Theorien und Körperkonzepte
auf ihre Kritikpotentiale und Visionen von Widerständigkeit angesichts
EINLEITUNG
25
erodierender ‚Grenzen der Verfügbarkeit‘33 über den Körper befragt. Des
Weiteren und damit einhergehend werden ausgewählte Arbeiten aus den bildenden
und den theatralen Künsten auf ihre je spezifische Leistungsfähigkeit
bezüglich der Zurschaustellung alternativer Bilder des Alter(n)s hin untersucht.
Aus philosophischer Perspektive reflektiert Uta Müller in ihrem Beitrag
den Zusammenhang zwischen Konzeptionen von Körperlichkeit und Alter(n)
hinsichtlich normativer Bezugspunkte für ethische Probleme, die sich aus den
technologischen Möglichkeiten des Zugriffs auf bzw. des Eingriffs in den
Körper (auch) im Kontext der ‚Anti-Ageing-Medizin‘ ergeben. Sie geht dabei
von der These aus, dass die verschiedenen Sichtweisen des Körpers für normative
Bewertungen von Handlungen, die den menschlichen Körper betreffen,
letztlich nicht entscheidend sein können. Denn was Menschen mit ihrem
Körper tun dürfen oder nicht tun dürfen, hängt wesentlich von normativethischen
Einstellungen und deren Rechtfertigung ab. Vor dem Hintergrund
‚normativer Leerstellen‘, die Müller in konstruktivistischen Körperkonzeptionen
ausmacht, werden, ausgehend von einer phänomenologischen Sicht des
Menschen als ein leibliches Wesen, die philosophischen Konzepte ‚Autonomie
und Selbstbestimmung‘, ‚Glück und gutes Leben‘ und ‚Gerechtigkeit‘ in
Bezug auf deren Potentiale für eine ethische Begründung von Handlungsentscheidungen
diskutiert.
Der Beitrag der Theologin Stefanie Schäfer-Bossert fragt noch den Bedingungen
des Alter(n)s in einer technisierten Umwelt, in die der biologische
Körper, der zwangsläufig Alterserscheinungen zeige, eingebettet und von der
er auch durchdrungen ist. Sie schließt dabei an den materiell-konstruktivistischen
Ansatz der Biologin und Wissenschaftshistorikerin Donna Haraway
an und greift die Figur des/der Cyborg auf, um die Denkfigur des Mensch-
Maschine-Mischwesens als Deutungshorizont gegenwärtiger Körpernormierungen
in Bezug auf das Alter(n) zu entfalten und hinsichtlich seines kritischen
Potentials auszuloten. Mit Blick auf den Umstand, dass im industrialisierten
Westen heute kaum jemand ohne Implantate oder andere Hilfen der
Technosciences altert, lässt sich anhand der Figur des/der Cyborg – so Schäfer-
Bossert – nicht nur zeigen, dass sich Kultur und Natur in unseren Körpern
(immer schon) mischen. Vielmehr können auch die Ambivalenzen jener ‚Cyborgisierung
des Alter(n)s‘ ausgeleuchtet werden, welche einerseits die ‚Natur‘
als Normlieferant für menschliche Körper und Identitätszuschreibungen,
einschließlich der Norm eines ‚ständig aktiven Jungseins‘, aushebelt und andererseits
neue Normen der Funktionsfähigkeit hervorbringt, indem das Bild
eines ewig leistungs- und konsumfähigen Körpers und das Versprechen auf
33 Vgl. Paula Villa: Sexy Bodies, Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften
2006, S. 18.
SABINE MEHLMANN/SIGRID RUBY
26
eine Revision der Depotenzierungen des Alter(n)s (re)produziert werden. Vor
dem Hintergrund fortschreitender technologischer Entwicklungen, plädiert
Schäfer-Bossert – mit Haraway – für einen verantwortlichen Umgang mit der
zunehmenden ‚Cyborgisierung des Alter(n)s‘, der sich an der Qualität sozialer
Beziehungen und Verteilungsgerechtigkeit orientiert und zugleich zu einer
Entdämonisierung von Schwäche, Versehrtheit und Sterblichkeit beiträgt.
Auch die Kunsthistorikerin Barbara Paul bezieht sich auf Donna Haraway,
wenn sie aus feministisch-politischer Perspektive den diskursiv-medial
herbeigeführten Kurzschluss von Alter und Alterität und die damit einhergehenden
diskriminierenden und machtpolitisch funktionalisierten (Körper-)
Vorstellungen problematisiert, die Alter(n) als hässliche und/oder abjekte Deformation
beschreiben. Pauls Ansatzpunkt ist die grundsätzliche Relativität
des Alters, die sich aus der Zeitlichkeit und dem transitorischen Moment des
Alterns ergibt und in der Gegenwartskunst auf ganz unterschiedliche Weise
vor Augen geführt wird. In ihrem Beitrag stellt sie neuere Arbeiten von fünf
Künstlerinnen (Ines Doujak, Cindy Sherman, Cherry Sunkist alias Karin
Fisslthaler, Inez van Lamsweerde, Susanne Weirich) vor, die mit Rekurs auf
das Alter(n) kontingente, im ständigen Wandel begriffene Identitäten vorstellen
und sich somit der Konstruktion von Alter als Differenzkategorie und der
tendenziell hierarchisierenden Markierung von Alteritäten verweigern. Diese
künstlerischen Formen der Un/Sichtbarmachung alternder Körper erscheinen
hier als mitunter sehr effektive Strategien, um auch stereotype Verknüpfungen
von Alter und Geschlecht aufzuzeigen bzw. in Frage zu stellen.
Auf die stereotype, die ‚Natur‘ der Geschlechterdifferenz bekräftigende
Diskursivierung des Alter(n)s verwies Susan Sontag schon 1972 in ihrem
seither vielfach rezipierten Text The Double Standard of Aging. Die Literaturwissenschaftlerin
Miriam Haller untersucht vergleichend Sontags Essay und
Silvia Bovenschens 2006 erschienenes Buch Älter werden. Notizen. Das besondere
Augenmerk gilt dabei den in diesen beiden autobiographischen Texten
verwandten Schreibweisen in ihrem Bezug zu und Auswirkungen auf
Konstruktionen des ‚alternden Ich‘ bzw. des alternden Körpers. Mit Rückgriff
auf das von Klaus R. Schroeter formulierte Konzept des „doing age“ und angelehnt
an den Performativitätsbegriff von Judith Butler arbeitet Haller in
ihrer Analyse der Texte unterschiedliche narrative Strategien von „un/doing
age“ heraus, die hinsichtlich ihrer ‚Widerständigkeit‘ gegenüber Alter(n)snormierungen
beleuchtet werden. Während Sontag (von Frauen) eine affirmative
Identitätspolitik einfordert, dieses Postulat aber durch ihre eigene
Schreibweise performativ unterläuft, leistet Bovenschen durch die enge Verschränkung
von Schreibweise und Ich-Konstitution einer permanenten Resignifikation
des alten bzw. alternden Körpers Vorschub.
Das Sprechtheater als ein in und mit der realen Zeit sich entfaltendes
künstlerisches Medium bietet besondere Möglichkeiten für ‚un/doing‘ bzw.
EINLEITUNG
27
‚playing age‘. In ihrem Beitrag „Wie spielt man Altsein?“ stellt die Theaterwissenschaftlerin
Miriam Dreysse einige Inszenierungen seit den 1980er Jahren
vor, die auf ganz unterschiedliche Weise das Spannungsverhältnis zwischen
Realität und Repräsentation thematisieren und für Vergegenwärtigungen
des Alter(n)s fruchtbar machen. So wird zum einen der von Darsteller/
inne/n und Publikum geteilte Zeit-Raum der Aufführung genutzt, um die
Prozesshaftigkeit des Alter(n)s als eine gemeinsame Erfahrung zu markieren,
die Zuschauer und Zuschauerinnen also aus ihrer passiven Rolle heraus zu
einer, mitunter auch somatisch wirksamen, aktiven Teilhabe am Theatergeschehen
zu bringen. Zum anderen werden die Modi des Dokumentarischen
und des Fiktionalen gegeneinander ausgespielt, wenn tatsächlich alte (Laien-)
Darsteller/innen die Bühne besetzen und Alt-Sein vorführen. Ihre konkreten,
zugleich in das Schau-Spiel oder den Tanz eingebundenen Körper lassen die
Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fiktion verschwimmen. Stereotype
Wahrnehmungsgewohnheiten und darin eingeschlossene Normierungen des
Alter(n)s werden so erfahrbar.
Solches leisten auch die Arbeiten der Künstlerin Annegret Soltau. Sabine
Kampmann betrachtet in ihrem Beitrag eine von Soltaus so genannten ‚Fotovernähungen‘,
die eine weibliche Generationenfolge voller körperlicher, über
die Collage des fotografischen Materials herbeigeführter Risse und Brüche
zeigt. In ihrer Analyse der zum Teil heftigen Abwehrreaktionen auf Soltaus
Arbeit kann die Kunstwissenschaftlerin Kampmann unter anderem die anhaltende
Wirksamkeit der historischen Verschränkung von Misogynie und Alter(
n) nachweisen. Der Vergleich der 1994 entstandenen ‚Fotovernähung‘ mit
frühneuzeitlichen Lebensalter-Darstellungen macht zudem deutlich, wie Soltau
das tradierte Bildformular nutzt, um den ‚normalen‘ Lebenslauf, wie er
üblicherweise über das mit der Zeit kontinuierlich sich wandelnde Körper-
(bild) zu sehen gegeben wird, in Frage zu stellen. Stattdessen zeigt die Künstlerin
eine Verschränkung nicht nur der Körper selbst, sondern auch der an ihnen
kraft herkömmlicher Zeichen ablesbaren Alterszustände, so dass jegliche
auf das Alter(n) bezogene Regelhaftigkeit aufgehoben scheint.
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