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Wenn Heimerziehung scheitert oder schwierige Jugendliche nicht mehr können
Wenn Heimerziehung scheitert oder schwierige Jugendliche nicht mehr können




Karl Müller

Centaurus Verlag
EAN: 9783862260034 (ISBN: 3-86226-003-8)
438 Seiten, paperback, 15 x 21cm, 2010

EUR 24,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Das Buch gibt Einblick in die aktuelle Heimerziehungspraxis im Umgang mit männlichen Jugendlichen, die als schwierig gelten und infolge ausgeprägter Sozialverhaltensstörungen in der Heimerziehung nicht gerne gesehen sind. Es unternimmt den Versuch, das wiederholte Scheitern von Hilfeprozessen aus zweidimensionaler Sicht zu beleuchten. Zum einen aus Sicht der Pädagogen die quasi aufgrund ihrer Vorausbildung und ihres Status wegen Experte zu sein scheinen. Zum anderen aus der Erlebnis- und Wirklichkeitskonstruktion des betroffenen Jugendlichen, der als Experte seines Lebens um all jene Erfahrungen, Entbehrungen und dem Erlittenen weiss, die ihn zu jenem Menschen werden liessen, der jetzt, in Heimerziehung überantwortet für sein Leben eine Positionsbestimmung vorzunehmen hat. Beide, der Pädagoge als auch der Jugendliche sind somit auf das Schicksalhafte miteinander verbunden und beiden obliegt die Kunst des schier Unmöglichen, unterschiedliche Absichten, Erziehungspraktiken, Freiheitsvorstellungen, Bildungsnotwendigkeiten und Akzeptanzbedürfnisse zu einem für den Jugendlichen gehbaren Weg zusammenzuführen. Die Arbeit gibt eine Antwort, wie Bindungsentbehrungen in früher Kindheit sich in jugendlichen Lebenslagen auswirken können. Sie beschreibt die Funktion des dissozialen und gewalttätigen Verhaltens Jugendlicher als notwendigen Überlebenskonstrukt in einer den jungen Menschen bis dato böswillig verfolgenden Welt und schafft Brücken, wie der Pädagoge dennoch einen Zugang zu dieser Problemgruppe finden kann. Weiter belegt die Arbeit dass Vaterlosigkeit als Handicap im Leben vieler im Heim untergebrachter Jugendlicher gilt und bislang nur als Randnotiz in der Heimerziehung zur Kenntnis genommen wurde. Von daher kommt insbesondere den männlichen Pädagogen im Heim eine bedeutende Aufgabe zu, um wünschenswerte Sozialisationseffekte zu sichern und den Jugendlichen auch unter zunächst notwendigen Zwangskontexterfahrungen für ein sozial erwünschtes Leben in der Gesellschaft zu gewinnen, welches sich abseits von Gewalt und drohender Kriminalität in Eigenverantwortung organisieren lässt.
Rezension
Bindungsentbehrungen in früher Kindheit können sich in jugendlichen Lebenslagen auswirken; das dissoziale und gewalttätige Verhalten Jugendlicher kann ein notwendiges Überlebenskonstrukt in einer den jungen Menschen bis dato böswillig verfolgenden Welt sein. Solche ausgeprägt sozialverhaltensgestörte männliche Jugendliche landen in der Regel in der Heimerziehung - und auch hier kann ihnen häufig nicht mehr geholfen werden und auch die Heimerziehung scheitert. Dabei spielt Vaterlosigkeit als Handicap im Leben vieler im Heim untergebrachter Jugendlicher eine wesentliche Rolle. Männlichen Pädagogen kommt dabei eine besondere Rolle zu ... wie überhaupt die Pädagogik von der Vorschule über die Grundschule bis in die Sekundarstufe nicht allein Frauen überlassen werden sollte!

Dieter Bach, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Reihe Pädagogik
Herausgegeben von Centaurus Verlag

Inhaltsverzeichnis
Vorwort 1

Einleitung 5

1. Theoretischer Teil 11
1.1 Heimerziehung als sozialer Ort für schwierige Jugendliche 11
1.2 Erkenntnisleitendes Interesse 16
1.3 Vorbemerkungen zum Begriff
Sozialverhaltensstörung und Dissozialität 18

Kapitel l 27

1.4 Grundlagen der lebensweltorientierten Sozialpädagogik im Heim 27
1.4.1 Strukturen und Aufgaben einer lebensweltorientierten Sozialpädagogik 32
1.4.2 Zur Bedeutung einer differenzierten sozialpädagogischen Diagnostik schwieriger Lebensumstände männlicher Jugendlicher 42
1.4.3 Indikationen für Heimerziehung 44
1.4.3.1 Indikationen für Heimerziehung durch das Jugendamt 49
1.4.3.2 Indikationen aus Sicht der abgebenden Kinder- und Jugendpsychiatrie 51
1.4.3.3 Indikationen aus Sicht der Schule/der Schulbehörden 52
1.4.3.4 Indikationen aus Sicht der Jugendgerichtsbarkeit 54
1.4.3.5 Beweggründe der sorgeberechtigten Eltern 56
1.4.3.6 Erwartungen des betroffenen Jugendlichen an Heimerziehung auf dem Hintergrund misslungener Beziehungserfahrungen in Erziehungshilfen 59
1.4.4.7 Indikationsüberprüfung durch das angefragte aufnehmende Heim 62

Kapitel II 65

1.5 Das Heim zwischen Anspruch und Wirklichkeit 65
1.5.1 Heim als erfahrbare Wirklichkeit gesellschaftlicher Realität 72
1.5.2 Intervention durch Heimerziehung 77
1.5.3 Alltagsnähe als nicht mehr einlösbare Erziehungsmaxime 80
1.5.4 Strukturelle Probleme in der Heimerziehung im Umgang mit schwierigen Jugendlichen 82
1.5.5 Vernetzungsprobleme mit anderen Diensten als Ursache für das Scheitern von Hilfeprozessen 86
1.5.6 Elternhaus und Heim als konkurrierende Systeme 89
1.5.7 Heimerziehung und ihr Vergesellschaftungsanspruch 94
1.5.8 Beteiligungsrechte von schwierigen männlichen Jugendlichen und ihre Grenzen 99

Kapitel III 103

1.6 Zum Verlust von Bindung in öffentlicher Erziehung 103
1.6.1 Spannungen zwischen Familie als Herkunftsort und Heim als Interventionsort 107
1.6.2 Bedeutung einer „gestatteten Bindung" an den Herkunftsort durch das Heim als zentrale Einflussgröße auf den Sozialisationseffekt sozialpädagogischen Handelns 109
1.6.3 Grundlagen der Bindungstheorie116
1.6.4 Bindungstheoretische Unkenntnisse als Mangel in der Heimerziehung 121
1.6.5 Bindungsmuster der psychisch auffälligen männlichen Jugendlichen in Heimerziehung 124
1.6.6 Arbeitsmodelle von Bindung 131
1.6.7 Heimerziehung als vernachlässigtes Feld der Bindungsforschung 141

Kapitel IV 143

1.7 Dissozialilät männlicher Jugendlicher im Heim 143
1.7.1 Was sind das nun für männliche Kinder und Jugendliche mit denen es die Heimerziehung heute zu tun hat? 151
1.7.2 Der Fall J.L. vor Gericht - Bericht der Jugendgerichtshilfe 157
1.7.3 Zum Begriff der Dissozialität 170
1.7.4 Funktionen dissozialer Aktivität - Überlebenskonstrukt in einer hoch verunsichernden Welt? 182
1.7.5 Schwere Formen aggressiv-dissozialen Verhaltens 188
1.7.5.1 Der aggressiv-dissoziale Junge (14,7 Jahre) 190
1.7.5.2 Der aggressiv-dissoziale Jugendliche mit antisozialer Tendenz (15,1 Jahre) 199
1.7.6 Aggressiv-dissoziale Sozialverhaltensstörung im Erleben und Verhalten Jugendlicher und die Grenzen sozialpädagogischer Intervention durch Heimerziehung 216

Kapitel V 227

1.8 Der pädagogische Bezug als Basis gestaltbarer Aushandlungsprozesse 227
1.8.1 Persönlichkeit des Erziehers und sein Vermögen / sein Unvermögen schwierige männliche Jugendliche an sich zu binden 234
1.8.2 Bindungserwartungen des Erziehers an den jungen Menschen - eine Bindungszumutung auf dem Hintergrund misslungener Bindungserfahrungen? 239
1.8.3 Attribute und Attraktivität des Erziehers als Möglichkeit einer Annäherung und Gestaltung einer verlässlicheren Arbeitsbeziehung 242

2. Untersuchungsaufbau und Methode 247
2.1 Der Jugendliche; Experte seines Lebens im Wirklichkeitsbereich Heim 247
2.2 Die Lebensgeschichte als sozialwissenschaftliches Instrument 249
2.3 Die Untersuchungsgruppe / Probandensuche 252
2.3.1 Der konkrete Zugang zu den Jugendlichen 256
2.4 Das Untersuchungsverfahren 259
2.4.1 Der Fragebogen zur Erhebung soziodemographischer Daten 261
2.4.2 Das qualitative Interview im Kontext der aktuellen Lebens weit 263
2.4.3 Der Interviewleitfaden 265
2.4.4 Das Problemzentrierte Interview als Anwendungsform zur Erhebung eines Teils von Lebensgeschichte 268
2.4.5 Zur Kommunikationsbeziehung zwischen Forscher und dem Jugendlichen 271
2.5 Empirischer Teil: Ergebnisse 272
2.5.1 Sozio-demographische Kennzeichnung der Untersuchungsgruppe 272
2.5.2 Alter 272
2.5.3 Nationalität 273
2.5.4 Geburtsstatus 273
2.5.5 Familiensituation Herkunftsfamilie 274
2.5.6 Schulbildung/-abschluss 275
2.6 Die Lebensgeschichten der Jugendlichen 276
2.6.1 Die Lebensgeschichte von F 276
2.6.2 Die Lebensgeschichte von G. 278
2.6.3 Die Lebensgeschichte von J 280
2.6.4 Die Lebensgeschichte von A 281
2.6.5 Die Lebensgeschichte von K 283
2.6.6 Die Lebensgeschichte von H 284
2.6.7 Die Lebensgeschichte von W 285
2.6.8 Die Lebensgeschichte von B 287
2.6.9 Weitere Belastungsfaktoren der Untcrsuchungsgruppe 288
2.7 Ergebnisse/Diskussion 291
2.7.1 Vaterlosigkeit als Handicap vs. Unmännlichkeit der Heimerziehung 293
2.7.2 Legitimer Vergcsellschartungsanspruch vs. Anpassungsanspruch der Pädagogen 308
2.7.3 Eltern als Teil von Lebensgeschichte vs. Wir sind die besseren Eltern 320
2.7.4 Vertrauen in Beziehungen vs. Heim als Unmöglichkeitsraum für Vertrauen 334
2.8 Zusammenfassung 347
2.9 Literatur 357

3. Glossar 381

4. Anhang 405

5. Curriculum vitae 423