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Rassismus aus der Mitte Die soziale Konstruktion der »Anderen« in Österreich Zugl.: Diss. Universität Wien
Rassismus aus der Mitte
Die soziale Konstruktion der »Anderen« in Österreich


Zugl.: Diss. Universität Wien

Christa Markom

Transcript
EAN: 9783837626346 (ISBN: 3-8376-2634-2)
228 Seiten, paperback, 15 x 23cm, Januar, 2014

EUR 29,99
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Was denkt die »Mitte der österreichischen Gesellschaft« über »die Migrant_innen« und welche differenzerzeugenden Strategien stehen dahinter? Wodurch werden rassistische Haltungen von wem angenommen und wie wird Rassismus innerhalb von Gruppen weitergegeben? Im Rahmen einer sozialanthropologischen Forschung in »antirassistisch« und »rassistisch« wahrgenommenen Gruppen beantwortet Christa Markom diese Fragen.

Zudem diskutiert sie am Beispiel von politisch und medial relevanten Schlagworten wie »Meinungsfreiheit« oder »Political Correctness« den Widerstand gegen Sprachverbote im Kontext von Rassismus, Kultur und Migration.


Rezension
Rassisten - das sind üblicherweise die anderen ... Rassisten - das sind Radikale, Neo-Nazis oder Hooligans ... Rassismus wird üblicherweise an den Rändern der Gesellschaft verortet ... Dieser Band stellt den "Rassismus aus der Mitte" der Gesellschaft (Österreichs) ins Zentrum der Untersuchung; denn der Rassismus in der Mitte der Gesellschaft ist weit verbreitet, wird wenig wahrgenommen und bildet den Nährboden für den Rassismus an den extremen Rändern der Gesellschaft. Trotz Postmoderne und Pluralität gibt es in der Gesellschaft noch immer eine starke Orientierung an einer Idee von ›wir und die anderen‹ bzw. ›Eigenes und Fremdes‹. Trotz der Realität einer großen gesellschaftlichen Vielfalt, siegen häufig negativ bewertete Stereotype und in weiterer Folge oft auch rassistische Erklärungsmodelle. Insofern leistet die Studie auch einen Beitrag zur Erweiterung der anthropologischen Theorien zu Rassismus.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Was denkt und weiß »die Mitte« der österreichischen Gesellschaft über »die Anderen« und wie geht sie mit Sprachge- und verboten um?

Schlagworte:
Rassismus, Migration, Mehrheitsgesellschaft, Österreich, Kulturanthropologie, Kulturwissenschaft
Adressaten:
Soziologie, Kultur- und Sozialanthropologie, Europäische Ethnologie, Politikwissenschaft

Christa Markom (Dr. phil.) lehrt Migrationsanthropologie am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie der Universität Wien. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Rassismus-, Migrations- und Bildungsforschung.

Autoreninterview
... mit Christa Markom

1. »Bücher, die die Welt nicht braucht.« Warum trifft das auf Ihr Buch nicht zu?
Das Buch setzt sich mit Rassisten/-innen ›unter uns‹ auseinander – nicht mit Randgruppen oder ›Ausnahmen‹; Beschreibungen die sicher viele Menschen nachvollziehen können oder gar selbst erlebt haben; Analysen die vielleicht in dieser Form noch nicht angestellt wurden. Das Buch beschreibt, worin derzeit Feindbilder bestehen, was dahinter liegende Ideen sind, und warum es Menschen so wichtig ist darüber sprechen ›zu dürfen‹.

2. Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?
Das Buch zeigt auf, warum Rassismus aber auch Anti-Rassismus als Gruppenphänomene betrachtet werden können, in denen soziales Kapital eine entscheidende Rolle spielt. Meinungsbildungsprozesse innerhalb von sozialen Gruppen funktionieren in allen untersuchten Beziehungsnetzen nach ähnlichen Mustern. Deutlich wurde dies vor allem anhand der Themen ›Meinungsfreiheit‹, ›Sprachverbote‹ und ›political correctness‹.

3. Welche Bedeutung kommt dem Thema in den aktuellen Forschungsdebatten zu?
Aktuelle Forschungen konzentrieren sich häufig auf Diversität oder Fragmentierungen von Gesellschaften. Ich stimme diesen Ansätzen grundsätzlich zu, denke aber, dass es in der Gesellschaft selbst noch immer eine starke Orientierung an einer Idee von ›wir und die anderen‹, ›Eigenes und Fremdes‹ gibt. Trotz der Realität einer großen gesellschaftlichen Vielfalt, siegen häufig negativ bewertete Stereotype und in weiterer Folge oft auch rassistische Erklärungsmodelle. Das Thema Rassismus hat seine Bedeutung und Aktualität nie verloren, und das wird sich so bald auch nicht ändern.

4. Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten diskutieren?
Meine Forschungen der letzten zehn Jahre haben gezeigt, dass es oft unscheinbare und uninteressant wirkende Orte und Menschen sind, die bei genauerem Blick Erstaunliches und Spannendes hervorbringen. Deshalb lasse ich mich grundsätzlich mit jedem Menschen ein, der oder die Interesse hat mein Buch zu diskutieren.

5. Ihr Buch in einem Satz:
Das Buch widmet sich den Gemeinsamkeiten und Unterschieden verschiedener rassistischer Haltungen und Kommunikationsstrategien bzw. welche Funktionen diese für die Konstituierung von Subjekten und Gruppen sowie für die Formierung der Gesellschaft einnehmen.

Editorial
Die Reihe Kultur und soziale Praxis präsentiert sozial- und kulturwissenschaftliche Studien, die zwischen empirischer Forschung, theoretischer Reflexion/Konzeption und textueller Praxis neue Zugänge zu Kultur und sozialer Praxis entwickeln. Im Rahmen dieses Programms werden soziale Differenzen und identitäre Prozesse auf verschiedenen Ebenen und entlang verschiedener raumzeitlicher Achsen - etwa als (trans-)lokale oder (trans-)nationale Prozesse - untersucht.
Inhaltsverzeichnis
Danke | 9
Vorwort | 11

TEIL 1: FORSCHUNGSMETHODISCHE UND -THEORETISCHE AUSGANGSPUNKTE

Hypothesen und Forschungsfragen | 21

Sozialanthropologie „zu Haus" | 23
Eigene Positioniertheiten | 25
Auswahl der Beziehungsnetze und Personen | 26
Interviews 29
Beobachtungen | 31
Auswertung | 31
Diskursanalyse | 32

Theoretische Basis | 37

Rassismustheorie - Unterschiedliche Zugänge zu einer Ideologie | 37
Historische Zugänge | 38
Rassismus und Hierarchie | 42
Von der Natur zur Kultur | 44
Differenzierung - Ideologie, Struktur, Handlung | 45
„Rasse(n)" - Zur Konstruktion | 48
Ausgangspunkte der linguistischen Anthropologie | 50
Aus der Mitte: Mehrheit - majorisiert - etabliert | 54
Konstitution der Beziehungsnetze über Speech Communities | 57
Soziales Kapital in den Beziehungsnetzen von etablierten Gruppen | 60

Die untersuchten Beziehungsnetze | 65

Beziehungsnetz A - Sportverein | 65
Beziehungsnetz B - Zivilgesellschaftliche NGO Beziehungsnetz C - Stammgäste einer Bar | 70 Beschreibung der Personen | 72
Profile - Beziehungsnetz A | 73
Richard (Jänner 2006) | 73
Marianne (März 2006) | 75
Susanne (März 2006) | 78
Profile - Beziehungsnetz B | 80
Thomas (April 2005) | 80
Eva (August 2005) | 82
Sonja (Jänner 2006) | 83
Profile - Beziehungsnetz C | 85
Maria (Juli 2007) | 85
Gerda (September 2007) | 87
Martin (August 2007) | 88

TEIL 2: DISKURSSTRÄNGE ZUM HERSTELLEN VON DIFFERENZ

Legitim(iert)es Herstellen von Differenz | 93

Kultur und Multikulturalismus | 95

Multikulturalismus als „Pseudotrendwort" und Multikulturalität als „Zwangsbeglückung" | 95
Rücktritt oder Verweigerung?
Multikulturalismus im Vergleich | 102
Essentialistische Kulturdiskurse – „Es ist einfach so“ und der Erhalt von Frieden in der Gesellschaft | 106
Zu viel Kultur für Multikulturalismus in Österreich | 110
Kultur und Gender – Vom Antirassismus bis zum Stammtischfeminismus | 113
Stammtischfeminismus | 115
Sexismuskritischer Antirassismus | 118
Rassistischer Sexismus | 123

Heimatverbundenheit und Grenzen | 127

Lokalpatriotismus und die „Heimat“ | 128
Lokalpatriotismus und Neonationalismus | 130
… oder einheimisch in der „Heimat“? | 134
Öffnung der Grenzen oder die Illusion einer Weltbürgerin | 136
Transnationale Beziehungsnetze als ökonomisches Mittel für
„Sozialschmarotzer_innen“? | 139
Bedrohlicher Grenzübertritt – Der EU-Beitritt der Türkei | 142
Conclusio zum „Reizthema Türkei“ | 148

„Rasse“ und Rassismus | 151

Rassistische Grundtendenzen | 151
„Rasse(n)“ – doch real? | 158

TEIL 3: LEGITIMATIONSSTRATEGIEN UND ANTI/RASSISMUS IN GRUPPEN

Drei Beziehungsnetze, drei Diskursstränge, mehrere Schlussfolgerungen | 163
Drei Diskursstränge und ihre Legitimationsstrategien von Differenz und Gleichheit | 168

Herstellen von Differenz und Rassismus als Gruppenphänomen | 171

Situation 1 (C) | 172
Analytische Betrachtung | 175
Situation 2 (C) | 177
Analytische Betrachtung | 178
Situation 3 (A) | 179
Analytische Betrachtung | 180
Situation 4 (A) | 182
Analytische Betrachtung | 182
Über die Akteur_innen des Rassismus: eine Zusammenfassung | 183

Herstellen von Political Correctness als Gruppenphänomen im Antirassismus | 191

Wiederkehrender Topos im Antirassismus – Politische Korrektheit | 191
„Wir sind so alternativ und so politisch korrekt und vor allem grenzenlos“ | 195
Jetzt deaf i nix Foisches sogn | 197
„Bemühn, dass’d pc bleibst“ | 198
Analytische Betrachtung | 200

Conclusio | 205

Literatur | 213