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Die zehn Gebote eines Schriftstellers
Stephen Vizinczey
SchirmerGraf
EAN: 9783865550071 (ISBN: 3-86555-007-X)
282 Seiten, hardcover, 13 x 20cm, März, 2004
EUR 22,80 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
"Du sollst keinen Tag vergehen lassen, ohne etwas Großes wiederzulesen."
Stephen Vizinczey
"Ein intellektuell aufregendes und moralisch inspirierendes Buch."
Jesús Moreno Sanz, Diario 16 (Madrid)
"Das Eindrucksvollste an diesen Essays (abgesehen von ihrer Reichweite und ihrer Gelehrsamkeit) ist die Art und Weise, wie hier Literatur und Leben miteinander verschränkt werden."
Mark Le Fanu, The Times (London)
Rezension
Stephen Vizinczey (1933*-), Verfasser des Romans „In Praise of Older Woman“(1966), gehört zu den anerkanntesten ungarisch(-kanadischen) Schriftstellern. Dass er nicht nur einen Beitrag zur Weltliteratur leistet, sondern auch zur Interpretation von Literatur, demonstriert seine Essaysammlung „Truth und Lies in Literature“ (1985), dessen erweiterte deutschsprachige Neuausgabe 2004 im „SchirmerGraf Verlag“ unter dem Titel „Die zehn Gebote eines Schriftstellers“ erschien. Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung von Texten aus überregionalen englischen Zeitungen, die nun in der hervorragenden Übersetzung von Melanie Walz und Bernhard Robben vorliegen. Die 18 Essays weisen einen unterschiedlichen Charakter auf. Das Spektrum reicht von der Rezension von erstmals ins Englische übersetzte Werken der Weltliteratur wie beispielsweise über Honoré de Balzacs „Verlorene Illusionen“ oder Thomas Manns Briefe, über die Gesamtdeutung eines Schriftstellers wie zum Beispiel Stendhal oder Heinrich von Kleist bis hin zu metatheoretischen Abhandlungen wie der buchtitelgebende Essay.
In diesem formuliert der Literat zehn Ratschläge für angehende Schriftsteller, die zugleich Einblick in die Arbeitsweise und das literarische Ethos von Vizinczey geben. Im ersten Gebot fordert er ein striktes Drogenverbot für Literaten, um die Verstandeskräfte nicht zu beeinträchtigen (S. 11). Authentiziät bzw. „Wahrhaftigkeit“ gilt Vizinczey als wichtigste Tugend eines Literaten (S. 178). Außerdem stellt der Schriftsteller das Postulat auf: "Du sollst keinen Tag vergehen lassen, ohne etwas Großes wiederzulesen“(S. 16). Von den „Großen“, so behauptet er, könne der angehende Literat lernen seine „eigene Technik [des Schreibens] zu entwickeln.“(S. 17) Die „größten Meister der Prosa“ bekennt Vizinczey sind für ihn allesamt Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, nämlich Puschkin, Gogol, Tolstoi, Dostojewski, Stendhal, Balzac und Kleist.(S. 18) An dem deutschen Schriftsteller, diesem „Genie“ schätzt Vizinczey insbesondere den „dichten, suggestiven Stil“ (S. 168) ganz im Gegensatz zu „viktorianische[n] Romane[n] [...], die vor Verlogenheit strotzen und mit redundanten Wörtern aufgebläht sind.“(S. 17) Deutlich wird anhand dieser Zitats, dass der Literat auch mit Kritik nicht gerade sparsam umgeht. Ein hartes Urteil trifft auch einen der Säulenheiligen deutscher Literatur, Johann Wolfgang von Goethe, der von Vizinczey als „Speichellecker“ (S. 171-185) verurteilt wird. Gegen den Vertreter Weimarer Klassik bringt der ungarische Schriftsteller einiges vor, zum Beispiel seine Geheimdiensttätigkeit, „fehlende moralische Courage“ (S. 174), „Vermengung von Wahrheit und Heuchelei“ (S. 181). Vizinczeys Behauptung Goethes Faust – es geht um den Pakt des Protagonisten mit dem Teufel - habe „mehr mit der Unterstützung des Bildungsbürgertums mit Hitler zu tun als sämtliche Werke von Nietzsche zusammengenommen“(S. 175), zeugt allerdings nicht gerade von fundierter historischer Kenntnis. Besser gelingt Vizinczey dagegen eine „ideologiekritische“ Analyse des „tragischen Helden“ Georg Lukács (vgl. 239-243). In seinen pointierten, zum Teil provokanten und von Ironie getränkten Essays verbindet Vizinczey biographische Details mit der literarischen Interpretation prägnanter Textstellen.
Fazit: Literaturlehrer oder Freunde der Weltliteratur werden Vizinczeys Essays, in denen Unwahrheit, Manipulation und Opportunismus angeprangert werden, manchen fruchtbaren Gedanken abgewinnen können.
Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Erstmals auf deutsch: Die international gerühmten, ebenso gehaltvollen wie pointierten Essays zur Weltliteratur des großen ungarisch-kanadischen Autors und Literaturkritikers. Stendhal und Balzac, Tolstoi und Dostojewski, Herman Melville und Vladimir Nabokov, Kleist, Goethe und Thomas Mann – dies sind die Stars dieser Sammlung, aber unter dem gleichzeitig schwärmerischen wie unerbittlichen Blick Stephen Vizinczeys erscheinen einige von ihnen in einem ganz neuen Licht.
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„Es gibt im Grunde zwei Arten von Literatur. Die eine dient dem Verständnis, die andere dem Vergessen; die eine verhilft uns dazu, ein freier Mensch zu werden, die andere dient dazu, uns zu manipulieren. Die eine ist mit der Astronomie verwandt, die andere mit der Astrologie.
Der Unterschied zwischen Astronomie und Astrologie, zwischen Wissenschaft und Scharlatanerie, ist für die meisten sonnenklar; der Unterschied jedoch zwischen guter und schlechter Literatur ist es nicht. Das Geschönte, Verlogene, Ambitionierte wird oft für große Literatur gehalten, während die wirklich große Literatur viel zu häufig unverstanden ist." S.V.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
11 Die zehn Gebote eines Schriftstellers
23 Einer der Very Few. Über Stendhal
81 Das unvollendete Meisterwerk. Über Stendhals Lucien Leuwen
87 Balzacs Tolldreiste Geschichten
105 Das letzte Wort über die Medien. Über Honoré de Balzacs Verlorene Illusionen
109 Rousseau auf den Kopf spucken
115 Vom Rande des Wahnsinns aus. Über Gérard de Nerval
123 Das Genie, dessen Zeit gekommen ist. Über Heinrich von Kleist
171 Das Genie als Speichellecker. Über Johann Wolfgang von Goethe
185 Thomas Manns Briefe
193 Die Macht der Prätention. Über Gregor von Rezzoris Der Tod meines Bruders Abel
207 Einblicke ins menschliche Kuddelmuddel. Über Henri Troyats Gogol
215 Der Ahnenbaum der Tolstois
221 Ein Geflecht von Anarchisten. Über Michael Confinos Daughter of a Revolutionary
229 Nabokovs große Lüge
235 Verdammte Welt, literarisches Königreich. Über Norman Mailer
239 Fragwürdiger Held. Über Georg Lukács
245 Wahrheit und Lügen in der Literatur. Hermann Melville: Billy Budd – Charles Dickens: Nicholas Nickleby – Marcel Proust: Contre Sainte-Beuve
271 Quellenverzeichnis
275 Personenregister
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