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Die Gesellschaft des Zorns Rechtspopulismus im globalen Zeitalter
Die Gesellschaft des Zorns
Rechtspopulismus im globalen Zeitalter




Cornelia Koppetsch

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EAN: 9783837648386 (ISBN: 3-8376-4838-9)
288 Seiten, paperback, 15 x 23cm, Mai, 2019

EUR 19,99
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Was noch in den 1990er Jahren undenkbar war, ist mittlerweile Alltag: Ganze Bevölkerungsgruppen verlassen den Boden der gemeinsamen Wirklichkeit, kehren etablierten politischen Narrativen zornig den Rücken oder bestreiten gar die Gültigkeit wissenschaftlichen Wissens. Der Aufstieg des Rechtspopulismus markiert nach Dekaden der Konsenskultur eine erneute Politisierung der Gesellschaft.

Gängige Erklärungen für die Entstehung des Rechtspopulismus ziehen die Ereignisse der Fluchtmigration von 2015 oder vorgebliche Persönlichkeitsdefizite seiner Anhänger als Ursachen heran. Cornelia Koppetsch dagegen sieht die Gründe in dem bislang unbewältigten Epochenbruch der Globalisierung. Wirtschaftliche, politische oder kulturelle Grenzöffnungen werden als Kontrollverlust erlebt und wecken bisweilen ein unrealistisches Verlangen nach der Wiederherstellung der alten nationalgesellschaftlichen Ordnung. Konservative Wirtschafts- und Kultureliten sowie Gruppen aus Mittel-und Unterschicht, die auf unterschiedliche Weise durch Globalisierung deklassiert werden, bilden dabei eine klassenübergreifende Protestbewegung gegen die globale Öffnung der Gesellschaft.

Cornelia Koppetsch, geb. 1967, ist seit 2009 Professorin für Soziologie an der TU Darmstadt. Sie studierte Soziologie, Psychologie und Philosophie und promovierte in Soziologie bei Martin Kohli und Wolf Lepenies am Graduiertenkolleg »Gesellschaftsvergleich« der Freien Universität Berlin. Weitere wissenschaftliche Stationen waren die University of Chicago, die Universität Jena und die HU Berlin. Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Sozialen Ungleichheiten, der Geschlechterverhältnisse in Paarbeziehungen, der Biografieforschung sowie des Aufstiegs der neuen Rechtsparteien.
Rezension
Dieses Buch ist der Versuch einer Soziologin, sich einen soziologischen Reim auf den Aufstieg der neuen populistischen Rechtsparteien zu machen; es bietet eine interessante Erklärung für das derzeitige Anwachsen von Rechtspopulismus: Wirtschaftliche, politische oder kulturelle Grenzöffnungen durch die Globalisierung werden als Kontrollverlust erlebt und wecken ein unrealistisches Verlangen nach der Wiederherstellung der alten nationalgesellschaftlichen Ordnung. Konservative Wirtschafts- und Kultureliten sowie Gruppen aus Mittel-und Unterschicht, die auf unterschiedliche Weise durch Globalisierung deklassiert werden, bilden dabei eine klassenübergreifende Protestbewegung gegen die globale Öffnung der Gesellschaft. Konnte man den Horizont der Globalisierung bis zur Jahrtausendwende noch mit Bildern von Reichtum und Emanzipation in Verbindung bringen, so mehren sich heute die skeptischen Stimmen. Viele erleben Globalisierung angesichts der Explosion von Ungleichheiten, der Erosion des gesellschaftlichen Zusammenhalts und des Rückschlags externalisierter Kosten als kollektiven Kontrollverlust.

Dieter Bach, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Einleitung | 9

Die globale Moderne 15 | Mobilisierung gegen die Folgen der
Globalisierung 23 | Wegweiser durch das Buch 26 | Methodologische
Randbemerkungen 31 | Dialektik der Protestbewegungen 34

1. Eine andere soziale Frage.
Rechtspopulismus als gesellschaftliche Protestbewegung | 37

Wie Protestbewegungen entstehen und was sie erfolgreich macht 42 |
Rechtspopulismus, 1968 und aktuelle Protestbewegungen im
Vergleich 43 | Dialektik des Protests: Die Wurzeln des
Rechtspopulismus 47 | Was den Rechtspopulismus ausmacht 49 |
Eine Schubumkehr: Veränderungen in den Tiefenstrukturen der
Gesellschaft 52 | Die neue Rigidität: Top-down-Strukturen und
sinkende Ambiguitätstoleranz 53 | Die Nostalgie-Welle 57 |
Spaltungen und Abspaltungen: Bewältigungsstrategien 59 | Wann
schlägt ein Gefühl ins Politische um? 61 | Stellungskonflikte 63

2. Die Neuordnung des politischen Raums | 65

Politische und kulturelle Paradigmenwechsel 65 | Die Geschichte
der Globalisierung: Ein Abriss 67 | Globale Transformationen seit
1989 68 | Die neuen Konfliktlinien: National vs. postnational 70 |
Globale Migration, migrantisches Deutschland 72 | Mauern gegen
die Globalisierung 75 | Der Wandel der Parteienlandschaft 78 |
Linke Globalisierungskritik und das postindustrielle Bürgertum 80 |
Der doppelte Liberalismus 83 | Der gesellschaftliche Wandel hinter
der Transformation der Parteienlandschaft 85 | Die neue
Hegemonie des Liberalismus 88 | Ursachen der Repräsentationslücke
90 | Fazit: Rechtspopulismus als sinnstiftendes Narrativ 92

3. Die neuen Trennlinien.
Zur Transnationalisierung des Sozialraums | 95

Wer sind die AfD-Wähler? 95 | Die ökonomische Globalisierungsverlierer-
Hypothese 97 | Die kulturelle Backlash-These 101 |
Ökonomische und kulturelle Motive: Eine zusammengesetzte
Konfliktlinie 104 | Neue Trennlinien: Die Transnationalisierung des
Sozialraums 106 | Vertikale Trennlinien: Die Herausbildung
globaler Märkte 108 | Transnationales kulturelles Kapital: Neue
Distinktionsordnungen 111 | Konservative gegen Kosmopoliten: Eine
neue horizontale Konfliktlinie 114 | Der kosmopolitische
Habitus 116 | Gegen den kosmopolitischen Geist 119

4. Herrschaftskonflikte: Eine Koalition der Deklassierten | 123

›Guter‹ Kulturliberalismus und ›böser‹ Neoliberalismus? 124 |
Ideologische Kämpfe sind Klassen- und Machtkämpfe 126 | Das
Postfaktische als subversive Häresie 128 | Die Mobilisierung von
Koalitionen 130 | Die AfD als ideologisches Sammelbecken für
Häresien 131 | Islam- und Migrationsthema als ›allgemeine
symbolische Klammer‹ 135 | Oben, Mitte, Unten: Milieus der
Anhängerschaft im Spiegel der Islam- und Migrationskritik 137 |
Deklassierung: Abwärtsmobile Flugbahnen 141 | Rechtspopulismus
als Therapie 145

5. Emotionen und Identitäten.
Der Aufstieg der (Neo-)Gemeinschaften | 149

Ressentiments und Ängste: Zur Politik der Gefühle 150 |
Ressentiments und Kollektivbewusstsein 153 | Rigidität und
Abschottung: Wenn Angst starr macht 157 | Das Zeitalter des
Individualismus 159 | Neogemeinschaften: Eine Welle der Re-
Kollektivierung 162 | Rechtspopulistische Neogemeinschaften 165 |
Ethnonationale Grenzziehungen: Das System des abgestuften
Außenseitertums 168

6. Dialektik der Globalisierung:
Ein neues Imaginarium sozialer Zugehörigkeit? | 175

Der Preis der Globalisierung 175 | Solidarität und Kollektiv 177 |
Nation, Staat und Solidarität 182 | Die Fragmentierung der
Mittelschicht 186 | Grenzbefestigungen und Diasporas 189 |
Postnationale Klassen: Eine neue Geografie sozialer Grenzen und
Zugehörigkeiten 191 | Sozialräumliche Trennung und Abspaltung
der Privilegierten 193 | Globale Verteilungs- und Deutungskämpfe –
ethnische und soziale Ungleichheiten 196 | Die Monopolstellung
des Zentrums und der soziale Frieden 199 | Globale Verteilungskonflikte
im Gewand ethnonationaler Kämpfe 200 | Fazit: Gegen
den Verlust der Ausbeutungsprämie 202

7. Neue Bürgerlichkeit und die illiberale Gesellschaft:
Eine historische Perspektive auf (De-)Zivilisierungsprozesse | 205

Distinktive Lebensführung im Prozess der Zivilisation 206 |
Postindustrielle Bürgerlichkeit: Affektmodellierung und
Abgrenzung nach unten 210 | Polarisierende Spaltungen und
Märkte 218 | Deklassierung und Ent-Zivilisierungsprozesse 224 |
›Phantasiepanzer‹ gegen die Deklassierung 227 | De-Zivilisierung
und Zornbewirtschaftung 229

8. In Deutschland daheim – in der Welt zu Hause.
Alte Privilegien und neue Spaltungen | 233

Die Heimat der Eingeborenen und die Heimat der
Zugewanderten 235 | Was ist Heimat? 243 | Fazit: Heimat – ein
Machtkonflikt 246
Schluss – Von der Therapiekultur zur Demokratieangst:
Neue deutsche Ängste | 249
Neue deutsche Ängste 249 | Reaktionen auf den
Rechtspopulismus 251 | Irrtümer im Umgang mit dem
Rechtspopulismus 253 | Wie umgehen mit der AfD? 256 |
Gesellschaftliche Gründe für den politischen Rechtsschwenk 257

Danksagung | 259
Literatur | 261