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Der entseelte Patient
Die moderne Medizin und der Tod
2. Auflage 2015 (1. Aufl. 2004 im Aufbau-Verlag, Berlin)
Anna Bergmann
Franz Steiner Verlag
EAN: 9783515107600 (ISBN: 3-515-10760-6)
448 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 14 x 22cm, 2015, 21 s/w Abb.
EUR 29,90 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Dürfen Patienten für den medizinischen Erkenntnisgewinn als bloße Objekte missbraucht werden? Anna Bergmann geht dieser Grundfrage der medizinischen Ethik in unserer "Kultur der Nebenwirkung" nach. Sie spannt den historischen Bogen von der Leichenzergliederung im Anatomischen Theater über medizinische Menschenexperimente z. B. an unehelich schwangeren Frauen und Menschen in Kolonialgebieten bis hin zu der vom Körper, Sterben und Tod ihrer eigenen Patienten abhängigen Transplantationsmedizin. Sie hinterfragt das Menschenbild der modernen Medizin, das zu einer Entseelung führt, und untersucht die zum Zweck des Heilens unverzichtbare Gewaltanwendung im Tier- und Humanversuch. Anna Bergmann plädiert für ein neues medizinisches Konzept, das den Menschen nicht in einzelne Organe zerlegt, sondern Patienten in ihrer individuellen Ganzheit wahrzunehmen versteht.
Die westliche Kultur ist von der Idee der Unsterblichkeit und Todesvermeidung besessen: Mit Selbstoptimierung bis hin zu Genmanipulationen und Organverpflanzungen wird unserer Anfälligkeit für Krankheiten, dem Alter und dem Tod der Kampf angesagt.
Anna Bergmann macht Medizingeschichte als Kulturgeschichte lesbar — und stellt
das Selbstverständnis der Moderne als eine durchweg rationale, von Magie und Religion befreite Kultur in Frage.
Anna Bergmann, geboren 1953, ist apl. Professorin an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. Sie lehrt Kulturgeschichte auch an österreichischen Universitäten (Graz, Innsbruck, Wien).
Publikationen zur Geschlechtergeschichte, Geschichte der Kindheit und Kulturgeschichte der Medizin. Ihr Buch »Herzloser Tod: Das Dilemma der Organspende« (1999, mit Ulrike Baureithel) wurde ausgezeichnet als »Wissenschaftsbuch des Jahres 2000«.
Rezension
Die „Körperwelten“-Ausstellung des Gunther von Hagen bald nach der Jahrtausendwende hat Hunderttausende angelockt und eine gesellschaftliche Diskussion freigesetzt. Dieses Buch, das nun nach dem Erscheinen im Aufbau-Verlag Berlin 2004 in 2. Aufl. 2015 im Franz Steiner Verlag Stuttgart erscheint, darf sozusagen als Kontrapunkt zu dieser Ausstellung gelesen werden; es belegt kulturwissenschaftlich den Geneseprozess der modernen Medizin im Zusammenhang von Todesbemächtigung und anatomischem Seziertisch, von Hinrichtung und medizinischer Forschung und zieht den Zusammenhang aus in die Gegenwart, wo die Verfasserin die Transplantationsmedizin als Folgeerscheinung des anatomischen Zergliederungsspektakels beschreibt, das dem menschlichen Körper seine Individualität raubt. – Ein Buch zur Lektüre empfohlen allen Kolleg/inn/n, die sich den Themen Medizinethik, Bioethik oder Sterben und Tod unterrichtlich stellen. Ein Buch mit Position, ein sicherlich nicht unbestrittenes Buch – aber ein mutiges Buch, das einen notwendigen Kontrapunkt setzt in einer Zeit, wo Tod wie Menschenwürde gleichermaßen zur Disposition zu stehen scheinen.
Thomas Bernhard für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Aus dem Inhalt
Einleitung | Massensterben und traumatische Todeserfahrungen in
Europa (14.–19. Jh.): Das „große Sterben“: Klimakatastrophen,
Hunger und Pest im 14. und 17. Jahrhundert | Isolieren, Räuchern,
Verbrennen und der Zusammenbruch des Totenkults Jagd auf
Seuchenverdächtige und die Militarisierung in Zeiten der Pest | Das
Pestsystem im kulturellen Gedächtnis des 20. Jahrhunderts t Die
Entstehung der modernen Medizin: Rituale des Tötens, Opferns und
Heilens: Die Geburt der Anatomie aus Riten des Totenkults und der
Hinrichtung | Schafottmedizin und die sakrale Organisation der
Hinrichtung | Todesbemächtigung und Zergliederungsspektakel im
Anatomischen Theater | Die Verwandlung von Hingerichteten in
Objekte des medizinischen Erkenntnisfortschritts t Das Opfer im
medizinischen Fortschritt: Von der Anatomie zur Transplantationsmedizin:
Das Häftlingslager für zum Tode Verurteilte als medizinisches
Laboratorium im aufklärerischen Diskurs | Wissen um
jeden Preis: Menschenexperimente in Krankenhäusern, Gefängnissen
und Konzentrationslagern | Der „Leben-machende Tod“: Die Praxis
der Transplantationsmedizin | Resümee | Anmerkungen | Quellen
und Literatur
Inhaltsverzeichnis
Einleitung 7
Teil I Massensterben und traumatische Todeserfahrungen in Europa (14.-19. Jh.) 29
1. Das »große Sterben«: Klimakatastrophen, Hunger und Pest im 14. und 17. Jahrhundert 30
2. Isolieren, Räuchern, Verbrennen und der Zusammenbruch des Totenkults 40
3. Jagd auf Seuchenverdächtige und die Militarisierung in Zeiten der Pest 60
4. Das Pestsystem im kulturellen Gedächtnis des 20. Jahrhunderts 70
Teil II Die Entstehung der modernen Medizin: Rituale des Tötens, Opferns und Heilens 91
1. Die Geburt der Anatomie aus Riten des Totenkults und der Hinrichtung 110
2. Schafottmedizin und die sakrale Organisation der Hinrichtung 134
3. Todesbemächtigung und Zergliederungsspektakel im Anatomischen Theater 162
4. Die Verwandlung von Hingerichteten in Objekte des medizinischen Erkenntnisfortschritts 183
Teil III Das Opfer im medizinischen Fortschritt: Von der Anatomie zur Transplantationsmedizin 203
1. Das Häftlingslager für zum Tode Verurteilte als medizinisches Laboratorium im aufklärerischen
Diskurs 203
2. Wissen um jeden Preis: Menschenexperimente in Krankenhäusern, Gefängnissen und Konzentrationslagern 223
3. Der »Leben-machende Tod«: Die Praxis der Transplantationsmedizin 256
Resümee 309
Anmerkungen 317
Abkürzungen 387
Quellen und Literatur 389
Bildnachweis 448
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