Man kommt unweigerlich ins Schmunzeln, wenn man die zeitlos gültigen Beschreibungen der Charaktere Theophrasts liest: Da ist der Abergläubische, dessen rituelle Verhaltensweisen zwanghafte Züge annehmen, da ist der Widerliche, dessen lange Fingernägel und ungewaschene Achselhöhlen bei den Mitmenschen mindestens für deutliches Naserümpfen sorgen, da ist der Übereifrige, der mit allem, was er tut, völlig über das Ziel hinausschießt. Solche Typen und noch einige mehr lernt man durch die Lektüre der hervorragenden Übersetzung von Karsten Wilkens kennen. Wie gesagt, die Darstellungen sind zeitlos und können trotz ihrer Bezugnahme auf das athenische Leben des 4. Jahrhundert vor Chr. ohne Umschweife in unsere Tage übertragen werden - vermutlich hat jeder Leser direkt Typen vor Augen, auf die Theophrasts Darstellungen passgenau zutreffen. Falls doch einmal spezielles Hintergrundwissen zum Verständnis erforderlich ist, liefert der Anhang die entsprechenden Informationen, und das in guter Reclam-Manier schnörkellos und lückenlos. Ebenso sind die Texte zu Werk und Autor sowie das Literaturverzeichnis auf dem aktuellen Stand der Forschung.
Im Griechisch-Unterricht von Schule und Hochschule ist die Lektüre Theophrasts mit viel Freude und Heiterkeit verbunden - einfach, weil die Thematik so naheliegend menschlich ist. Junge Leserinnen und Leser könnten nach der Lektüre als weiterführende Aufgabe vielleicht selbst solche augenzwinkernden Charakterstudien entwerfen - schrullige Typen gibt es auch heutzutage mehr als genug!

Johannes Groß, www.lehrerbibliothek.de

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