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Bildung für junge Flüchtlinge - ein Menschenrecht
Erfahrungen, Grundlagen und Perspektiven
Lothar Krappmann, Andreas Lob-Hüdepohl, Axel Bohmeyer, Stefan Kurzke-Maasmeier (Hrsg.)
wbv Media
EAN: 9783763935475 (ISBN: 3-7639-3547-9)
324 Seiten, paperback, 17 x 24cm, 2009
EUR 29,90 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Im Fokus dieses Buches stehen die Grundlagen und Perspektiven der Umsetzung des Menschenrechts auf Bildung für junge Flüchtlinge in Deutschland. Bildung stattet Menschen mit unverzichtbaren Kompetenzen aus und legt die sozialen und kulturellen Fundamente des Zusammenlebens. Nach den OECD-Bildungsstudien der vergangenen Jahre ist Deutschland aber noch weit von dem Ziel entfernt, benachteiligte Schülerinnen und Schüler in Deutschland ausreichend zu fördern und allen Kindern und Jugendlichen gleiche Bildungschancen zu bieten. Dies gilt in besonderem Maße für jugendliche Flüchtlinge, die durch ihre schlechte wirtschaftliche Lage, aufenthaltsrechtliche Beschränkungen und psychosoziale Belastungen besonders unter mangelnden Bildungschancen leiden. Wissenschaftler und Praktiker plädieren in diesem Buch für eine Verbesserung der Situation von Kinderflüchtlingen im Bildungssystem und in anderen Lebensbereichen. Um die unterschiedlichen Implikationen des Rechts auf Bildung junger Flüchtlinge zu verdeutlichen, werden biografische, sozialwissenschaftliche, ethische und rechtliche Facetten beleuchtet und anhand von Praxisbeispielen veranschaulicht.
Rezension
Die fundamentale Bedeutung von Bildung für die Kompetenzentwicklung von Kindern und Jugendlichen ist unumstritten, das Recht auf Bildung ist in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert. Doch laut den OECD-Studien vergangener Jahre werden Flüchtlingskinder in Deutschland nicht ausreichend gefördert. Die Publikation "Bildung für junge Flüchtlinge - ein Menschenrecht" behandelt diese Problematik und fokussiert die Grundlagen und Perspektiven der Bildung für Flüchtlingskinder in Deutschland. - Im Anschluss an Erfahrungsberichte junger Flüchtlinge beleuchtet "Bildung für junge Flüchtlinge" das Recht auf Bildung aus biografischer, sozialwissenschaftlicher, ethischer und rechtlicher Perspektive und stellt unterschiedliche Bildungsprojekte aus Deutschland und Österreich vor. Zahlreiche Wissenschaftler sowie Praktiker erarbeiten in ihren Beiträgen Vorschläge zur Verbesserung der Lebens- und Bildungssituation der benachteiligten Kinder und Jugendlichen.
Die Publikation erscheint in der Reihe „Forum Bildungsethik", die sich auf das DFG-Projekt „Das Menschenrecht auf Bildung: anthropologisch-ethische Grundlegung und Kriterien der politischen Umsetzung" stützt und weitere Beiträge zur Sozialethik der Bildung veröffentlicht.
Dieter Bach, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Themenbereich: Erwachsenenbildung
Andreas Lob-Hüdepohl ist Professor für Theologische Ethik und Rektor der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin (KHSB).
Stefan Kurzke-Maasmeier ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Berliner Institut für christliche Ethik und Politik an der KHSB.
Axel Bohmeyer ist dort Geschäftsführer und lehrt Anthorpologie und Ethik.
Lothar Krappmann ist Professor für Soziologie der Erziehung an der Freien Universität Berlin.
Inhaltsverzeichnis
Geleitworte
Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung
Vernor Muñoz-Villalobos, UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Bildung
Einleitung
(Lothar Krappmann, Andreas Lob-Hüdepohl, Axel Bohmeyer, Stefan Kurzke-Maasmeier)
A. Biografische Wegerkundungen
1. Von Zenica nach Chicago. Eine autobiografische Bildungsreise
(Sanja Jagesic)
2. "Etwas für die Gerechtigkeit tun" Ein Gespräch mit Ibrahim Kanalan
3. Die Proviantmeisterin - Elizabeths Geschichte
(Stefan Kurzke-Maasmeier)
B. Fachwissenschaftliche Zugänge
B.I Sozial- und Humanwissenschaftliche Perspektiven
1. Europa als Integrationsprojekt: Globale Migrationsbewegungen und die Chancen europäischer Gesellschaften
(Rita Süßmuth)
2. Junge Flüchtlinge - ein blinder Fleck der Migrations- und Bildungsforschung
(Manuela Westphal und Birgit Behrensen)
3. Lebenslagen von jungen Flüchtlingen in Deutschland
(Karin Weiss)
4. Die Ressource Bildung in der Sozialen Arbeit mit jungen Flüchtlingen
(Monika Treber)
5. Jenseits des Traumas: die Bedeutung von (schulischer) Bildung aus psychologischer und psychotherapeutischer Perspektive
(Hubertus Adam und Birgit Möller)
6. Bildung als Medium der Anerkennung - Migration und Bildungsgerechtigkeit
(Georg Auernheimer)
B.II Anthropologische und ethische Perspektiven
1. Das Menschenrecht auf Bildung - Anthropologisch-pädagogische Zugänge
(Axel Bohmeyer)
2. Menschenrechte in Illegalität?! Theologisch-ethische Anmerkungen zu einem neuzeitlichen Problem
(Andreas Lob-Hüdepohl)
3. Bildung als universelles Menschenrecht - Grundlagen und Forderungen
(Claudia Lohrenscheid und Mona Motakef)
4. Menschenrechtsbildung als ein Schlüssel zur Verwirklichung der Menschenrechte - auch im Flüchtlingsschutz
(Karl-Peter Fritzsche)
B.III Rechtliche Perspektiven
1. Das Übereinkommen über die Rechte des Kindes: seine Entstehungsgeschichte, normative Kraft und Bedeutung mit Blick auf Flüchtlingskinder und Bildung
(Hendrik Cremer)
2. Das Recht des statuslosen Kindes auf Bildung
(Erich Peter)
3. Arbeitserlaubnis und Ausbildungsförderung für Flüchtlinge
(Georg Classen)
C. Bildungsperspektiven im Alltag junger Flüchtlinge
1. Vorurteilsbewusste Erziehung - ein Konzept auch für junge Flüchtlinge. Das Projekt "Vielfalt gestalten".
(Donja Amirpur)
2. Die Potenziale junger Flüchtlinge durch schulische Förderung - die SchlaU-Schule
(Michael Stenger)
3. Bildung und Integration von jungen Asylsuchenden in Österreich
(Heinz Froneck)
4. Proben für den richtigen Auftritt im Leben
(Gabi Klein)
5. Den Einstieg in den Beruf erleichtern - das Projekt KUMULUS
(Wahiba Megdad)
6. Fit für die Zukunft. Auswege aus der Ausbildungssackgasse für junge Flüchtlinge
(Doris Kölsch)
D. Politische Handlungsfelder und Herausforderungen
D.I Herausforderungen für Politik und Kirchen
1. Bildung für junge Flüchtlinge. Politische Herausforderungen
(Maria Böhmer)
2. Möglichkeiten der Verbesserung von Bildung und Beschäftigung junger Migranten
(Kajo Wasserhövel)
3. Bildung als Kinderrecht - nicht für junge Flüchtlinge?
(Marlene Rupprecht)
4. "Da stand Josef in der Nacht auf und floh mit dem Kind und dessen Mutter nach Ägypten" (Mt 2, 14). Die Katholischen Kirche und der Anspruch junger Flüchtlinge auf Schutz, Bildung und Entwicklung
(Georg Kardinal Sterzinsky)
5. "Wer ein solches Kind in meinem Namen aufnimmt" (Mk. 9, 36-37). Die Evangelische Kirche und das Recht junger Flüchtlinge auf Schutz, Bildung und Entwicklung
(Stephan Reimers)
D.II Nichtregierungsorganisationen und UN-Institutionen: Programme und Forderungen
1. Die Arbeit des UN-Kinderrechtssauschusses und die Umsetzung des Rechts auf Bildung in Deutschland
(Lothar Krappmann)
2. Zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland im Bereich des Schulwesens
(Jörg Maywald)
3. Das Recht auf Bildung für junge Flüchtlinge - Forderungen des Bundesfachverbands Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge e. V.
(Albert Riedelsheimer)
4. "Best Interests of the Child": Die UNHCR-Richtlinien und das Recht auf Bildung
(Uta Rieger)
5. "Education for All" - damit Bildung für alle Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen bis 2015 Wirklichkeit wird
(Antonie Curtius)
6. Bildung für Kinder in Not - Ausgewählte Projekte von UNICEF
(Kerstin Bücker)
Nachwort
Bildung für alle - die Diskrepanz zwischen Recht und Realität
(Rita Süsmuth)
Anhang
Ausgewählte internationale Dokumente
Stichwortverzeichnis
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
Leseprobe zu "Bildung für junge Flüchtlinge - ein Menschenrecht"Von Zenica nach Chicago. (Seite 25)
Sanja Jagesic
Als ich klein war und im Jugoslawien vor dem Krieg aufwuchs, gefiel mir die Idee vom Lernen. Ich schaute meiner Schwester immer mit Neid zu, wenn sie sich fleißig über ihre Hausaufgaben beugte und sehnte mich nach dem Tag, an dem ich das Gleiche würde tun können.
Bevor ich allerdings meine ersten Hausaufgaben machen konnte, wurde mein normales Familienleben durch den Bürgerkrieg in Jugoslawien zerstört. Im Jahr 1992, kurz nach meinem sechsten Geburtstag, entschied sich meine Mutter dafür, meine Schwester und mich von unserem damaligen Zuhause im bosnischen Zenica zu unseren Großeltern nach Stari, einem kleinen Dorf an der kroatisch-dalmatinischen Küste, zu schicken, damit wir den Gefahren des Krieges entkämen. Sie blieb selbst noch ein Jahr in Bosnien, zunächst um unser Haus vor potenziellen Einbrechern zu schützen und später, weil sie von dort nicht mehr weg konnte.
So begann meine erste Bildungserfahrung in Kroatien, getrennt von meinen Eltern und ohne zu wissen, wie es künftig weitergehen würde. Wie viele andere Kinder merkte auch ich, dass die Schule nicht dem entsprach, was ich mir vorgestellt hatte. Vor allem verloren die Hausaufgaben ihren ursprünglichen Glanz. Ich war in allen Fächern schlecht und wurde häufig wegen meiner vielen mathematischen und grammatikalischen Fehler von der Lehrerin geschlagen. Ich weiß noch, dass schon die erste Klasse mir nicht gefiel. Als eine der schlechtesten unter den Schülern habe ich die meiste Zeit damit verbracht zu beten, dass die Lehrerin mir keine Frage stellen würde. Als ich bereits einige Monate in der zweiten Klasse war, konnte meine Mutter aus Bosnien fliehen und kam zu meiner Schwester und mir ins Haus unserer Großeltern. Meine Bildungsgeschichte nahm eine weitere dramatische Wende, als meine Mutter die Entscheidung traf, dass wir nach Hamburg ziehen würden, wo mein Vater bereits seit 1992 als Flüchtling lebte. Wieder musste ich Abschied nehmen, dieses Mal von meinen Großeltern.
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