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Barocke Bilderbauten
Erzählung, Illusion und Institution in römischen Kirchen 1580-1700
Zugl. Diss. Universität Hamburg 2000
David Ganz
Michael Imhof Verlag GmbH & Co. KG
EAN: 9783935590532 (ISBN: 3-935590-53-9)
456 Seiten, hardcover, 23 x 31cm, 2003, 200 s/w- und 156 Farbabb.
EUR 99,00 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Seit den 1580er Jahren halten in die Kirchen Roms vielteilige Ausstattungen mit Fresken und Stuckaturen Einzug, welche sich entlang der Hauptachse der Gotteshäuser verteilen: Chor, Vierung und Langhaus werden zur Bühne einer umfassenden Bildpräsentation. Damit etabliert sich im Rom der frühen Neuzeit erstmals eine Bildpraxis, die als charakteristisch für den barocken Kirchenraum überhaupt gelten darf: Bilder ganz unterschiedlicher Medialität kommunizieren über große Distanzen miteinander, Plastik und Malerei verbinden sich mit der Architektur zu einem begehbaren Ensemble, dem „Bilderbau". Was für jeden Kirchenbesucher zu den prägenden Eigenschaften der bildlich ausgestatteten Kirchenräume gehört, ist kunsthistorischen Untersuchungen zu diesem Gegenstand immer wieder entglitten. Anliegen des Buches ist es, die „Ensemblequalitäten" der Werke - also die Interaktion der Bilder untereinander, mit ihrem Umraum und ihren Rezipienten - einer sowohl historischen wie bildtheoretischen Untersuchung zuzuführen. In ausführlichen Einzelanalysen werden mehrere Innenräume römischer Kirchen zwischen 1580 und 1700 auf ihre Bildsprache und ihre kommunikative Funktion befragt. Zur kommunikativen Stoßrichtung wird dabei folgende These entwickelt: Die Erzählung der Bilderbauten weist eine spezifisch „institutionelle" Orientierung auf, über die sich die kirchlichen Amtsträger und Einrichtungen des konfessionellen Zeitalters gegen „private" Sprechabsichten anderer Bilderräume (Kapellen, Paläste) abgrenzen. Prominente Beispiele wie Sant'Andrea della Valle, die Chiesa Nuova, der Gesu oder Sant'lgnazio stehen ebenso im Mittelpunkt des Buches wie die bislang unbekannteren Ausstattungen von Santa Susanna, San Carlo al Corso oder der Madonna dei Monti. Ein Katalogteil mit rund 100 Werkkomplexen lässt die Verbreitung derartiger Hauptraumdekorationen deutlich werden. Die Ausstattung des Bandes mit zahlreichen eigens angefertigten Abbildungen eröffnet einen neuen Blick auf die Synthese von Bild und Raum in den römischen Barockkirchen.
Der Autor: David Ganz, geboren 1970, Studium der Kunstgeschichte in Heidelberg, Marburg und Bologna. Mehrjähriger Forschungsaufenthalt in Florenz und Rom. 2000 Promotion an der Universität Hamburg, seitdem Mitarbeiter der Forschungsgruppe „Kulturgeschichte und Theologie des Bildes im Christentum" an der Universität Münster.
Rezension
So attraktiv kann eine Dissertation sein! - Zum gegenreformatorischen Programm zählt die Kunst des Barock, die - gefördert von den Jesuiten und deren stilbildenden Kirchenbauten wie Il Gesu und S. Ignatio - in illusionistischen Deckenmalereien rekatholisierende Bilderzählungen entwirft, wie sie stilprägend in römischen Kirchen zwischen 1580-1700 umgesetzt werden. Der Verfasser wendet sich exemplarisch den einschlägigen Innenräumen der bedeutendsten Kirchen Roms, darunter Il Gesu, S. Andrea della Valle, S. Ignatio, S. Andrea al Quirinale und Chiesa Nuova zu. Die Barockkirchen Roms gehören zu den großartigsten Schöpfungen ihrer Epoche. Er zeigt nicht nur die Macht der Symbole und Symbolik für die kirchliche Institution auf, sondern entschlüsselt auch die Bilderzählungen vor einem bildtheoretischen Hintergrund, der Plastik und Malerei zu "Bilderbauten" vereinigt. Anliegen des Buches ist es, die „Ensemblequalitäten" der Werke - also die Interaktion der Bilder untereinander, mit ihrem Umraum und ihren Rezipienten - einer sowohl historischen wie bildtheoretischen Untersuchung zuzuführen. Es geht also um die Synthese von Bild und Raum.
Jens Walter, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Der Band behandelt die Innenräume der bedeutendsten Kirchen Roms, darunter Il Gesu, S. Andrea della Valle, S. Ignatio, S. Andrea al Quirinale und Chiesa Nuova, veranschaulicht anhand von eigens für den Band angefertigen Abbildungen. Die Barockkirchen Roms gehören zu den großartigsten Schöpfungen ihrer Epoche. Zwischen dem ausgehenden 16. und beginnenden 18. Jahrhundert wurden im Zentrum vieler römischer Kirchen Bildprogramme monumentaler Dimensionen geschaffen. Die Medien, die dabei zum Einsatz kamen, waren überaus mannigfaltig: Fresken, Stuckaturen, Tafelgemälde, Marmorskulpturen und Holzdecken wurden in unterschiedlichen Kombinationen zu großen Ensembles zusammengefügt. Dabei gingen die Bilder eine so enge Verzahnung mit der Architektur ein, dass der gesamte Innenraum zwischen Haupteingang und Hauptaltar in ein qualitativ Anderes transformiert wurde: ein komplexes Zusammenspiel von Fiktions- und Aktionssphären entstand, das hier als „Bilderbau” bezeichnet werden soll.
Inhaltsverzeichnis
Dank 9 Einleitung 10
TEIL l
BILDERBAUTEN IN RÖMISCHEN KIRCHEN:
ERZÄHLEBENEN, RAUMBINDUNG, RAHMENHANDLUNG 17
1. Kapitel
Konkurrenz oder Kongruenz? Das Beispiel Sant'Andrea della Valle 18
1.1. Zwei Rivalen ergänzen sich. Narrative Koordination bei Domenichino und Lanfranco 18
'Relais-Funktionen: Domenichinos Johannesfigur und das Prinzip der Projektion - Das Ensemble als Erzählung: Das Strukturmodell der Heilsgeschichte - Differenzen der Präsentation: Beobachter und Betrachter -Wechselseitige Korrelation: Die Konstitution der Erzählebenen - Domenichino und Lanfranco)
1.2. Raumbindung. Sant'Andrea als Bilderbau 40
Einbettung vs. Ausbettung - Tektonisierung der Bilder und Narrativierung der Architektur - Erstes Resümee)
2. Kapitel
Ein vielstimmiger Chor. Die Rahmenhandlung und ihre fiktiven Bildschöpfer 45
2.1. Arazzi finti und Rahmenputten. San Girolamo degli Schiavoni/1 45
(Ein weiterer Bilderbau - Rahmenhandlung l: Auftraggeber und Bildkünstler - Rahmenhandlung II: Himmelshelfer)
2.2. Artefakt und Erscheinung. Sant'Ignazio/1 58
(Die Heiligenvita als roter Faden - Narrativer Illusionismus: Die Inszenierung der Architektur - Rahmenhandlung III: Betrachterbewegung und projektive Dynamisierung - Rahmenhandlung W: „dipinta visione")
2.3. Grenzverkehr und Wolkenbilder. Sant'Andrea al Quirinale 77
(Rahmenhandlung V: Osmotische Bildwunder - Rahmenhandlung VI: Deus artifex - Bilderbau oder bei composto?)
TEIL II
REPRÄSENTATIONEN INSTITUTIONELLER MACHT.
DIE GELTUNGSANSPRÜCHE DER BILDERBAUTEN 93
3. Kapitel
Zur Wende in der Bildausstattung römischer Kirchen um 1580 94
3.1. Gebaute gegen gemalte Bilder. Institutionelle Bildpraxis vor 1580 95
(Das Bildgefälle zwischen Haupt- und Nebenräumen - Weiße Wände. Ein aktiver Verzicht auf Ausstattung -Das Bild der Architektur: Repräsentation institutioneller Koordinationsleistung)
3.2. Gebaute und gemalte Bilder. Institutionelle Bildpraxis nach 1580 98
(Vielfältige Anfänge - Frühe Alternativen: Koordinierte Kapellen und Neuer Archaismus - Durchsetzung in großem Rahmen - Jenseits des Gattungskanons. Spätere Varianten - Ausblick: die Entwicklung nach 1700)
4. Kapitel
Geltungsansprüche im Vergleich. Institutionelle vs.
private Bilderräume in Kirchen und Palästen 115
4.1. Mythische Analoga. Die Kunst der Familienpaläste 116
(Gebaute und gemalte varietas: Funktionen, Zuschnitte, Raumentwürfe - Die Sammlung eines Götterlieblings -Konkurrenz der Medien und Zeitalter - Zwischen den Polen - Von günstigen Zufällen. Der Davidszyklus der Sala Ricci - Eine glückliche Familie. David, Apoll und der Igel - Eine Sternenkrone aus Bildern. Die Galleria Farnese -Liebesbilder auf Partnersuche - Liebe siegt über Tugend, Kunst über Liebe - Ein Sieg mit stumpfen Waffen. Die Galleria Pamphilj - Taubenflügel vs. Waagschalen - Harmonische Zwietracht - Zwischenbilanz: Gebaute Institution vs. gemaltes Glück)
4.2. Providentielle Gleichnisse. Die Kunst der Familienkapellen 154
(Die doppelte Matrix der Bilderzählung - Innen/Außen - Oben/Unten - Die Entkoppelung des Altarbildes. Die Cappella Ciocchi del Monte - Reflexion des Rahmens. Die Cappella Cavalletti - Die Vision des Heiligen als kunstvolle Grenzerfahrung. Die Cappella Raymondi - Zwischenbilanz: Die Kohabitation der sakralen Bildpraxen)
4.3. Private Okkupation und institutionelle Rückeroberung. Die cappella maggiore 171
(Maria und Raffael. Santa Maria in Aracoeli um 1511/12 - Maria und Lukas. Der neue Chor ab 1561 - Zusammenfassung)
TEIL III
GEMALTE BILDERLEHREN. DIE BILDERBAUTEN IM DIALOG
MIT NEUEN UND ALTEN BILDERN 179
5. Kapitel
Die Provokation der Tableaukunst 180
5.1. Bilderbau vs. quadreria. Pestgemälde in San Carlo al Corso und bei Poussin 182
(Die Rezeptionsstruktur der Cjuadreria. Wahlfreiheit und Kampf um Aufmerksamkeit - Die Absorption des Betrachterblicks. Poussins Pestbild - Die Ausschlussbeziehung zwischen Bild und Bildergrund -Die Rezeptionsstruktur des Bilderbaus. Quadri riportati und der Faden der Heilsgeschichte - Polyfokale Verknüpfung. Brandis Pestbild - Ein Metadiskurs über die Produktion von Bildern - Integrative Potentiale)
5.2. Kritische Reize. Susanna zwischen profanem Tableau und sakraler Tapisserie 198
(Ein überraschender Auftritt. Susanna in der Kirche des römischen Oberzensors - Vom „pretesto" zur „praefiguratio".
Rückkehr einer verlorenen Tochter in den Schoß der Heilsgeschichte - Offenheit und Ambivalenz.
Die Erzählung der Susannen-Tableaus - Zwischen Verheißung und Zweifel. Die Erzählung der Susannen-Teppiche -
Tableaukunst und die Selbstkonstitution der Betrachter - Eilderbauten und die institutionelle Kontrolle
der Betrachter - Fazit)
6. Kapitel
Das Erbe der antichità cristiane 224
6.1. Autorität und Distanz. Santa Susanna und die Mosaiken von Santa Maria Maggiore 226
(Reaktivierung eines frühchristlichen Erzählprinzips: Typologie zwischen Bildblöcken - Frühchristliche Kunst als fremde Bildsprache. Antikes Vokabular und Disposition auf der Fläche - Spielarten des deus artifex: narrator vs. fictor - Gen-Identitäten: Märtyrertode und die Bildkunst der Alten Kirche)
6.2. Visionäre und Betrachter. Santi Domenico e Sisto und die Arca di San Domenico 240
(Dominikus in Rom und Bologna - Folgerichtigkeit und Exklusivität: die Visionsdarstellungen der Arca -Gedrosselte Bindungskraft. Historische Visionsszenen in Santi Domenico e Sisto - Immerwährende Erfüllung. Erscheinungen in überzeitlicher Aktualisierung - Erweiterte Zugänglichkeit. Kirchenbesucher im Zeugenstand -Quadratura und Wächter - Ausblick: Visionsbild und Visionärskörper)
TEIL IV
THEMATISCHE PRÄFERENZEN. AUSWAHL UND TRANSFORMATION
DER ERZÄHLSTOFFE 261
7. Kapitel
Grenzgänger zwischen den Welten. Heilige als Verkörperung kirchlicher Doppelnatur 262
7.1. Stabreime um Petri Bruder. Sant'Andrea della Valle/2 263
(Zuruf vom anderen Ufer - Christoformitas und Selbstreflexion - Annäherung an Christus und Rückkehr zum verlorenen Bruder - Stationen und Dispositionen - Ausschluss, Einschluss und Aufschluss. Der Heilige und seine Betrachter - Zwischenergebnis)
7.2. Heilige als Baumeister: Verehrung und Kritik in der Literatur der frühen Neuzeit 273
(Der Fall Hieronymus - Der Fall Ignatius)
7.3. Ein Heiliger ohne Eigenschaften. San Girolamo degli Schiavoni/2 276
(Heiligkeit als nachträgliche Ausstattung mit Identität - Der Gelehrte in Gesellschaft. Verschleierung bildlicher Identität - Die Erscheinung als Anker der Heiligkeit)
7.4. Der Heilige als Prisma göttlichen Lichts. Sant'Ignazio/2 282
(Rom als Ort der Heilung. Ignatiuszyklus I - Maßlose Überhöhung. Der Heilige als Stellvertreter Christi in Ignatiuszyklus II - Gegenläufige Tendenzen. Rom als Zentrum der Jesuiten in Ignatiuszyklus II - Lichtkegel, Ignatius und der ideale Augpunkt - Ausblick: Projektion vs. Providenz)
8. Kapitel
Die Macht der Symbole. Super-Zeichen als „Institute" 293
8.1. Interferenzen zwischen Bilderbau und Kulthandlung. Santo Spirito in Sassia 296
(Der Parcours der historischen Betrachter - Pfingsten. Kirchengründung zwischen Universalität und Exklusivität - Geheimnisse, Hierarchien und Transformationen - Zwischen Chiffre und Projektion. Die Doppelfunktion des Taubensymbols)
8.2. Monogramm und Metapher. Aggregatzustände Christi im Gesü 314
(Doppeldeutigkeiten um ein leeres Zentrum. Lesarten des Langhausfreskos - Von Anfang und Ende der Christus-Symbole, Die Bilder der Apsis - Integration von Körper und Zeichen. Das Fresko im Vorchor - Die Enthüllung der Hintergründe. Das Kuppelfresko - Zusammenfassung)
9. Kapitel
Rahmenbedarf. Kultbilder und ihr narrativer Kordon 334
9.1. Vermehrung und Verlebendigung der Bilder. Der Marienzyklus der Madonna dei Monti 335
(Schachtelungen. Der Aufbau des Hochaltars - Zweifel und Entdeckungen - Kehren und Schleifen. Der Parcours des Marienlebens - Vermehrung und Spaltung. Der Bild-Diskurs der Inkarnation - Das Halbe schließt sich, oder: Die Entfaltung des institutionellen Subthemas - Schubkraftumkehr)
9.2. Levitation in der „Neuen Kirche". Rubens und Cortona in Santa Maria in Vallicella 355
(Rahmung L Die Madonna als Gegenstand eines Bildwunders - Kapellenkranz und Messopfer. Der Hochaltar im räumlichen und im funktionalen Kontext - Rahmung II. Die Madonna in einer hagiographischen Einfassung - Die Visionserzählung an der Decke: Aufstieg, 'Neubau, Kirchenreform -Erfüllung des Geschauten. Das Apsisfresko - Maria als Balkenträgerin und die Krönung der „Neuen Kirche". Die Fresken in der Vierung - Deckenbild und Einsturzgefahr - Fazit)
ANMERKUNGEN 379
ANHANG 407
A. Überblick zu Bau- und Ausstattungsgeschichte der behandelten Beispiele (mit Bibliographie) 408
B. Hauptraumdekorationen römischer Kirchen 1540-1750 411
B.1. 1540-1580
B.2.1580-1620
B.3.1620-1660
B.4.1660-1700
B.5.1700-1750
C. Verzeichnis der zitierten Literatur 432
REGISTER 451
Personen 451
Objekte 454
Bildnachweis 456
Weitere Titel aus der Reihe Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte |
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