Der Reclam-Verlag lässt seit Jahrzehnten viele Texte der griechisch-römischen Antike in neuen Übersetzungen erscheinen - in diese Reihe gehört auch der Band mit Gedichten des griechischen Lyrikers Archilochos (7. Jhdt. vor Chr.), die durch Kurt Steinmann eingeleitet, kommentiert und übersetzt wurden.
Die Gedichte des Archilochos zeichnen sich durch einen hohen Grad an Subjektivität und Unmittelbarkeit aus und stehen gewissermaßen im Gegensatz zur etwas älteren Epik Homers und Hesiods. Beides - Subjektivität und Unmittelbarkeit - versteht Steinmann hervorragend in die deutsche Sprache zu übertragen, obwohl es sich bei den überlieferten Texten nur um Fragmente handelt. Die fragmentarische Überlieferung verleiht vielen Texten aus diesem Band einen aphorismenhaften Anstrich.
Steinmann ordnet die Fragmente nach den Themen Krieg, Thasos, Zeitgeschichte, Lebensgesetze, Kampf und Selbstbehauptung, Kult und Kunst, Liebe und Freundschaft. Die Kommentare zu den einzelnen Gedichten erläutern in gewohnt hoher Qualität die Hintergründe und etwaige Besonderheiten der Texte und der Textgeschichte. Das abschließende Nachwort führt vieles von dem zusammen, was vorher in den Einzelkommentaren angesprochen wurde: Neben biographischen Details zum Dichter stellt Steinmann hier in gut nachvollziehbarer Weise die Textgeschichte einzelner Fragmente vor, bevor er zu einer Gesamtwürdigung gelangt, die hier wegen ihrer Prägnanz wiedergegeben werden soll: "Aus seinen Fragmenten leuchtet ein Gold, das bis in unsere Zeit strahlt." (S.119)
Für Griechisch-Kurse der Oberstufe steht die Lektüre von Fragmenten eher selten auf dem Lehrplan, allerdings sind Exkurse in die Lyrik durchaus reizvoll, womöglich als Thema für eine Facharbeit oder ein Projekt.
Für Studierende des Griechischen und alle Liebhaber der griechischen Literatur liegt hier zu einem erschwinglichen Preis eine hervorragende Einführung und Übersetzung dieser wichtigen Texte vor, die trotz ihres Alters eine große Zeitlosigkeit ausstrahlen und mit Fug und Recht kanonisch genannt werden können.

Johannes Groß, www.lehrerbibliothek.de

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