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Wandelbarkeiten des Antisemitismus Zur Stellung des Antisemitismus in der Rassismus-, Ethnizitäts- und Nationalismusforschung
Wandelbarkeiten des Antisemitismus
Zur Stellung des Antisemitismus in der Rassismus-, Ethnizitäts- und Nationalismusforschung




Oliver Marusczyk

Transcript
EAN: 9783837662702 (ISBN: 3-8376-6270-5)
376 Seiten, paperback, 16 x 24cm, Juni, 2022, 1 SW-Abbildung, 1 Farbabbildung

EUR 49,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Der Antisemitismus ist ein gleichermaßen langlebiges wie veränderbares Phänomen der Ausgrenzung. Seine inhomogene Verbreitung über unterschiedliche Milieus, Communities, Kommunikationsräume und Zeitverläufe hinweg verdeutlicht diesen Befund. Um die (Dis-)Kontinuitäten und Wandelbarkeiten des Antisemitismus fassbar machen zu können, entwickelt Oliver Marusczyk eine prozessorientierte Theorie antisemitischer Grenzziehungen. Zu diesem Zweck kombiniert er in innovativer Form das kultursoziologische Grenzziehungsparadigma mit der Intersektionalitätsforschung und leistet damit nicht zuletzt einen Beitrag zur Wiederannäherung von Antisemitismusforschung und soziologischer Ungleichheitsforschung.

Oliver Marusczyk (Dipl.-Pol.) promovierte an der BTU Cottbus-Senftenberg am Lehrstuhl für Interkulturalität. Seine Forschungsschwerpunkte sind Antisemitismus, Ungleichheitssoziologie und Kultursoziologie.
Rezension
Diese Studie untersucht die Wandelbarkeiten des Antisemitismus. Das Kommunikationstabu für offen antisemitische Pejorationen nach 1945, das auf Druck gesellschaftlicher und politischer Eliten in der Bundesrepublik Deutschland errichtet wurde, führte nicht zu einem Verschwinden antisemitischer Wahrnehmungsweisen, sondern zu ihrer Artikulation abseits des öffentlichen Raumes. Weil aber Bewusstsein zur Kommunikation drängt, resultiert die delegitimierende Wirkung der Vorurteilsrepression in einer Themenverschiebung antisemitischer Zuschreibungen hin zu der Umwegkommunikation von Artikulationen in einen sagbaren Bereich des diskursiv Möglichen. Es findet eine Transformation traditioneller Stereotype, Mythen und Vorstellungen statt: der jüdische Staat Israel als exemplarisches Symbol für eine antisemitische Umwegkommunikation sowie sogenannte sekundäre Antisemitismus als »Schuldabwehr-Antisemitismus«. Des weiteren werden Konstruktionen antisemitisch codierter Gruppendifferenzen abgerufen, um einen besonderen jüdischen Einfluss auf Politik, Massenmedien und (Finanz-)Wirtschaft hervorzuheben, sodass sich klassisch antisemitische Motive des gleichermaßen verschwörerisch wie machtvollen agierenden jüdischen »Einflüsterers« oder »Strippenziehers« re-aktualisieren.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Schlagworte:
Antisemitismus, Intersektionalität, Rassismus, Ethnizität, Nationalismus, Ausgrenzung, Soziale Ungleichheit, Grenze, Judentum, Kultursoziologie, Politische Soziologie, Jüdische Studien, Soziologie

Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 11

1.1 Einordnung des Forschungsinteresses 11
1.2 Theoretische Leerstellen und Forschungsinteresse 14
1.3 Auf dem Weg der Konstruktion eines taxonomischen Konzeptes antisemitischer Grenzziehungsprozesse und seiner programmatischen theoretischen Elemente (Kapitel 2, 3, 4, 5, 6) 19
1.4 Der kulturelle Bedeutungswandel antisemitischer Zuschreibungen: Eine empirische Rekonstruktion gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse soziokultureller Grenzziehungen (Kapitel 7, 8, 9, 10) 23
1.5 Konklusion 25

Teil 1: Auf dem Weg der Konstruktion eines taxonomischen Konzeptes antisemitischer Grenzziehungsprozesse

2 Eine intersektionale Grenzziehungsperspektive auf die Mehrdimensionalität
antisemitischer Unterscheidungslinien
Programmatische theoretische Grundlegung einer Taxonomie antisemitischer Grenzziehungsprozesse 29

2.1 Antisemitismus als kultureller Code: Die anpassungsfähigen Stereotypisierungen der jüdischen Figur des Dritten 30
2.2 Kultur als Aushandlungsprozesse von Bedeutung: Zum Cultural Turn der Sozialwissenschaften 36
2.3 Grenzziehungsprozesse als soziokulturelle Mechanismen der In- und Exklusionen 40
2.4 Zur dynamischen Variabilität von Grenzziehungsprozessen: Der ethnic boundary making approach 45
2.5 Das mehrdimensionale Zusammenspiel antisemitischer Klassifikationsrepertoires: Eine Heuristik
der intersektionalen Ungleichheitsforschung 52
2.6 Zwischenfazit und Implikationen für die Forschungsfrage 56

3 Zur Konzeptualisierung von rassialisierten Narrativen des Antisemitismus Antisemitismus und »Rasse« 59

3.1 »Situating Racism« – Eine allgemeine Annäherung an den Gegenstandsbereich der
Rassismusforschung 60
3.2 Dominante paradigmatische Perspektiven der Rassismusforschung – Eine Diskussion über ihre analytischen Potenziale für die Untersuchung antisemitischer Grenzziehungsprozesse 62
3.3 Rassialisierte Kontingenz in soziokulturellen Konstruktionsprozessen antisemitischer Grenzziehungen 65
3.4 »Cultural stuff matters«? – Die ambivalente Stellung von Mechanismen der Kulturalisierung in Rassenkonstruktionsprozessen 73
3.5 Zwischenfazit und Implikationen für die Forschungsfrage 80

4 Zur Konzeptualisierung von ethnisierten Narrativen des Antisemitismus
Antisemitismus und »Ethnizität« 83

4.1 »Situating Ethnicity« – Eine allgemeine Annäherung an den Gegenstandsbereich der Ethnizitätsforschung 84
4.2 Dominante paradigmatische Perspektiven der Ethnizitätsforschung – Eine Diskussion ihrer analytischen Potenziale für die Untersuchung antisemitischer Grenzziehungsprozesse 86
4.3 Eine de-essentialisierende Perspektive auf die diskursive Positionierung des jüdischen
»Fremden« 89
4.4 »Politics of Belonging« – Zugehörigkeitstheoretische Perspektiven auf ethnisierte Differenzkonstruktionen in antisemitischen Grenzziehungsprozessen 97
4.5 »Säkularität«, »Antijudaismus« und »muslimischer Antisemitismus« – Ethno-religiöse Konstruktionsmechanismen antisemitischer Grenzziehungen 103
4.6 Doing Ethnicity – »Ethnizität« als Struktur- und Prozesskategorie 108
4.7 Zwischenfazit und Implikationen für die Forschungsfrage 112

5 Zur Konzeptualisierung von nationalisierten Narrativen des Antisemitismus
Antisemitismus und »Nation« 115

5.1 Situating Nationalism – Eine allgemeine Annäherung an den Gegenstandsbereich der Nationalismusforschung 116
5.2 Dominante paradigmatische Perspektiven der Nationalismusforschung – Eine Diskussion ihrer analytischen Potenziale für die Untersuchung antisemitischer Grenzziehungsprozesse 118
5.3 Die soziale Konstruktion des »Nationalen« – Prozessuale Charakteristika nationaler Vergemeinschaftungen 122
5.4 Die Stellung des jüdischen »Anderen« in nationalisierten Grenzziehungsprozessen 126
5.5 »Staatsbürgerlich-zivile« und »primordial-ethnische« Idealtypen des »Nationalen« – Die symbolische Dimension nationaler Vergemeinschaftungsprozesse 130
5.6 Nationale Narrative als Homogenisierungsmechanismen nationaler Vergemeinschaftungen 137
5.7 Der jüdische »Störenfried« kollektiver Erinnerungsprozesse 141
5.8 Zwischenfazit und Implikationen für die Forschungsfrage 145

6 Eine systematisch synthetisierende Zusammenführung des Theorievergleiches und die deduktive Konzeptualisierung eines taxonomischen Modells antisemitischer Grenzziehungsprozesse 149

6.1 Programmatische Merkmale einer prozessorientierten Taxonomie antisemitischer Grenzziehungen 150
6.2 Methodologische Vorüberlegungen über die Konstruktionsprinzipien einer Taxonomie antisemitischer Grenzziehungsprozesse 163
6.3 Besondere Merkmale einer Taxonomie multidimensional verschränkter Grenzziehungen: Eine Darstellung ihrer Analyseebenen 166
6.4 Konklusion: Abschließende Betrachtung der Vorteile einer Taxonomie antisemitischer Grenzziehungen 175

7 Ein Forschungsdesign zur empirischen Untersuchung der (Dis-)Kontinuität und Wandelbarkeit antisemitischer Grenzziehungen 179

7.1 Grundlagen des Forschungsprogramms der Wissenssoziologischen Diskursanalyse 180
7.2 Zur Methodischen Umsetzung der WDA – Auf dem Weg zu ihrer Operationalisierung 181
7.3 Der analytische »Werkzeugkasten« der Wissenssoziologischen Diskursanalyse 184
7.4 Korpusbildung und Analyse 188

Teil 2: Diskurse der Grenzziehung im Bedeutungswandel der Zeit

8 Das Diskursereignis der Walser-Bubis-Debatte
Eine Wissenssoziologische Diskursanalyse von Konstruktionsmechanismen der antisemitischen Grenzziehung 203

8.1 Historische Hintergründe und politische Kontexte der Walser-Bubis-Debatte 204
8.2 »Schuld«, »Schande« und »Gewissen« – Erinnerungsdiskurse als mehrdimensionale Grenzziehungsprozesse des Antisemitismus 207
8.3 »Das Weltjudentum ist eine Jroße Macht« – Antisemitische Klassifikationsrepertoires in mehrdimensionalen Grenzziehungsprozessen 219
8.4 Taxonomie der Analyseebene von Grenzziehungsstrategien: Eine Übersicht über antisemitische Kategorien der Praxis in der Walser-Bubis-Kontroverse 231
8.5 »Die Erinnerungspolitik wird mit und ohne Walser universalistischer.« – Mechanismen des boundary blurring in der Walser-Bubis-Debatte 234
8.6 Taxonomie der Analyseebenen von Mechanismen des Boundary Blurring: Strategien der Grenzverwischung in der Walser-Bubis-Kontroverse 238

9 Das Diskursereignis der Beschneidungsdebatte
Eine Wissenssoziologische Diskursanalyse von Konstruktionsmechanismen der antisemitischen Grenzziehung 241

9.1 »Das Zeichen des Bundes«: Das gerichtliche Verbot der »Brit Mila« in ihrem historischen und politischen Kontext 242
9.2 »Man tut Kindern nicht weh, man macht ihnen keine Angst.« – Das Stereotyp »jüdischer Grausamkeit« als antisemitische Praxiskategorie in medizinisch- juristischen Spezialdiskursen 245
9.3 »ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten« – Ethno-rassialisierte Kulturalisierungen der jüdischen Glaubenspraxis 254
9.4 Taxonomie der Analyseebene von Grenzziehungsstrategien: Eine Übersicht über antisemitische Kategorien der sozialen Praxis in dem öffentlichen Diskurs der Beschneidungsdebatte 269
9.5 Boundary Blurring: Strategien der Grenzverwischung in der Beschneidungsdebatte 272
9.6 Taxonomie der Analyseebene von Mechanismen des boundary blurring: Eine Übersicht über Strategien der Grenzverwischung in dem öffentlichen Diskurs der Beschneidungsdebatte 276

10 Das Diskursereignis der Gaza-Demonstrationen
Eine Wissenssoziologische Diskursanalyse von Konstruktionsmechanismen der antisemitischen Grenzziehung in dem öffentlichen Diskurs der Gaza-Proteste 279

10.1 Historische Hintergründe und politische Kontexte des Diskursereignisses der Gaza-Demonstrationen im Sommer 2014 280
10.2 »Jude, Jude feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein« – Antisemitische Klassifikationsstrategien muslimischer Akteur*innen im Kontext der Gaza-Proteste 283
10.3 Grenzen der »Willkommenskultur – Mechanismen der Invisibilisierung antisemitischer Überzeugungen der Mehrheitsgesellschaft in Prozessen der Grenzziehung 290
10.4 Taxonomie der Analyseebene von Grenzziehungsstrategien: Eine Übersicht über antisemitische Kategorien der Praxis in dem öffentlichen Diskurs über die Gaza-Demonstrationen 309
10.5 Boundary Blurring: Strategien der Grenzverwischung in der öffentlichen Debatte über die Gaza-Demonstrationen 311
10.6 Taxonomie der Analyseebene von Mechanismen des boundary blurring: Eine Übersicht über Strategien der Grenzverwischung in dem öffentlichen Diskurs über die Gaza-Demonstrationen 317

11 Zusammenfassende Schlussbetrachtung
Analytische Potenziale und Anschlussfähigkeiten einer Taxonomie antisemitischer Grenzziehungsprozesse 319

11.1 Der Kulturelle Bedeutungswandel antisemitischer Grenzziehungen im Wandel der Zeit: Über das Zusammenspiel von Theorie und Empirie innerhalb der Taxonomie 320
11.2 Ein Plädoyer für Kontingenz – Warum ein reflexiv-ethischer Werkzeugkasten zur Analyse antisemitischer Grenzziehung der Komplexität des Phänomens gerecht werden kann 324
11.3 Wie profitiert die Antisemitismusforschung von dem analytischen Werkzeugkasten? 327
11.4 Wie profitieren die Forschungsfelder der Ethnizitäts-, Rassismus-, Nationalismus- und Antisemitismusforschung von dem analytischen Werkzeugkasten? 328
11.5 Wie profitieren Zugänge und Modelle im Anschluss an das Grenzziehungsparadigma von dem analytischen Werkzeugkasten? 328

12 Literaturverzeichnis 331

13 Anhang 371
13.1 Dokumentenverzeichnis: Analysierte Dokumente (Feinanalyse) 371
13.2 Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 373