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Theodor Fontane Realismus, Redevielfalt, Ressentiment
Theodor Fontane
Realismus, Redevielfalt, Ressentiment




Norbert Mecklenburg

Verlag J. B. Metzler , Springer Nature
EAN: 9783476046550 (ISBN: 3-476-04655-9)
324 Seiten, hardcover, 16 x 24cm, 2018

EUR 39,99
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Das literarische Werk Theodor Fontanes ist erstaunlich gegenwärtig geblieben. Denn er gestaltete Individuen in gesellschaftlichen Verstrickungen, deren Muster bis heute fortbestehen. Dabei registrierte er, wie die jüngste Forschung zeigt, neue Entwicklungen in Politik, Kultur, Medien, Technik. Dieses Buch stellt Fontanes modernen Realismus als eine Kunst dar, Redevielfalt zu inszenieren: Gruppensprachen und Sprachspiele, Diskurse und Ideologien, Mentalitäten und Vorurteile. So regen seine Werke Nachdenken an über Weisheiten und Dummheiten, soziale Distinktionsregeln, Geschlechterrollen, Nationalstereotype. Sie führen sogar Ressentiments des Autors selbst wie etwa gegenüber Juden oft so vor, dass Leser sie durchschauen und sich von ihnen distanzieren können.

Norbert Mecklenburg ist Professor em. für Deutsche Literatur an der Universität zu Köln.


Rezension
Zum 200. Geburtstag von Theodor Fontane im Jahr 2019 erscheinen einige neue Biographien und Monographien. Dieses Metzler Handbuch zählt sicherlich zu den hochwertigen neuesten literaturwissenschaftlichen Veröffentlichen zum großen Romancier des 19. Jhdts. Theodor Fontane (1819-1898) gilt als bedeutendster deutscher Vertreter des poetischen Realismus und ist mit seinen Romanen bis heute populär: Irrungen, Wirrungen, Frau Jenny Treibel, Effi Briest, Die Poggenpuhls, Unterm Birnbaum oder Der Stechlin. Fontane charakterisiert seine Figuren, indem er ihre Erscheinung, ihre Umgebung und ihre Redeweise realistisch genau beschreibt. Dabei gelangt Fontane von einer Kritik an Einzelpersonen oft zu einer impliziten Gesellschaftskritik. Mit seinen Romanen "Der Stechlin" und vor allem "Effi Briest" gehört Fontane zu den bedeutendsten Autoren des 19. Jahrhunderts und zählt auch heute noch in der Schule zu den Klassikern im Bildungskanon, zumal zahlreiche Romane verfilmt sind, u.a. "Effi Briest". Der Schwerpunkt dieses Fontane-Handbuchs liegt auf dem differenziert dargestellten und klar gegliederten Werk.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
200. Geburtstag von Theodor Fontane im Jahr 2019
Inhaltsverzeichnis
Vorwort IX

I. Geschichtlichkeit und Gegenwärtigkeit der literarischen Werke Theodor Fontanes 1

1. Die Fontaneforschung: Richtungen, Leistungen, Grenzen 1
2. Vielstimmigkeit und Humor 9
3. Geburt der Finessen aus dem Dunst der Trivialliteratur 15
4. Gedanken- und Erzählspiele mit soziokulturellen Mustern 22
5. Literarische Arbeit am Geschlechter-Diskurs 24
6. Diagnostik und Ethik 30

II. Redevielfalt, Dialogizität und Intertextualität 39

1. »wie sie wirklich sprechen« 39
2. Mimesis mündlicher Rede und zweistimmiges Wort 41
3. Zur Poetik der Gänsefüßchen 44
4. Die Wellen der Redevielfalt und die Inseln des Autorwortes 50
5. Figurenzitat - Diskurszitat - Bildungszitat 54
6. »Und Dein Haar umspielt der Wind« 62
7. Heldenmut und Herdenmut 66
8. Darüberstehen und Drinstecken 69

III. Vom Sagennachklang zum Gesellschaftsecho. Spuren von Mündlichkeit in erzählten Gesprächen 76

1. Volksmund und fingierte Mündlichkeit 76
2. Mündliche Quellen der Dialogizität 78
3. Wanderungen durch die Mark Brandenburg und Vor dem Sturm 81
4. Nostalgie und Nüchternheit 86

IV. Weisheiten und Dummheiten. Aphorismen, Sentenzen und andere Allgemeinaussagen 90

1. Das Spektrum »großer Sätze« bei Fontane 90
2. Zur Logik und Poetik generischer Sätze 92
3. Vom Einzelfall aufs Ganze gehen 96
4. Totalverdacht oder Relativismus? 99
5. Witz und Komik 102
6. Adelheids Dummheiten und Dubslavs Weisheiten 107

V. Zweideutigkeiten. Formen und Funktionen erotischer Anspielungen 112

1. »... dann lacht Fix ...« 112
2. Kleine Phänomenologie der Zweideutigkeiten 113
3. Erotische Anspielungen und Geschlechterrollen 117
4. Kalte und warme Madonnen, Venusbilder und Pfirsichpflaum 121
5. Freie Liebesverhältnisse und Demimondegesellschaft 125

VI. »Weiber weiblich, Männer männlich«. Reden mit fremder Stimme in Effi Briest 133

1. »Einer von Papas Lieblingssätzen« 133
2. Vom >Naturkind< zur >Kindfrau< 135
3. Ehe-Aufklärungen und -Lügen 138
4. Figurenstimmen und Erzählerstimme 141

VII. Erzählkunst der feinen Unterschiede. Verfahren und Effekte der sozialen Distinktion 143

1. Der Mechanismus der Distinktion 143
2. Ezechiel van der Straaten und Ebenezer Rubehn 150
3. Die Geschichte eines Räusperns 155
4. Sogenanntes Matschwetter 163

VIII. »Denn die Chinesen sind doch auch Menschen«. Fremde, Nationalstereotype, Inter- und Transkulturelles 171

1. Verfahren der Präsentation von Fremden und Gruppen-Stereotypen 172
2. Generalisierungen und ihre erzählerische Einbettung 175
3. Prussozentrismus und Kosmopolitismus, >Völkerpsychologie< und >mental maps< 180
4. Besondere Gruppen von Fremden: die intrakulturellen 189

IX. Fontane und die Juden: Ressentiment mit schlechtem Gewissen und besonderen Finessen 194

1. Antisemitismus und seine literarischen Reflexe vor und bis zu Fontane 194
2. Forschungsdefizite und Forschungsgrundsätze 199
3. Grundzüge und Entwicklung von Fontanes persönlichem Antisemitismus 112
4. Bloßstellung von Antisemitismen, Stichelei gegen Juden in literarischen Werken 206
5. Pastor Lorenzen: Lichtgestalt, ideologisches Chamäleon, Antisemit? 213

X. Altersweisheit und Antisemitismus in der späten Lyrik 219

1. Realismus, Resignation, Ressentiment 219
2. Brunnenpromenade, Knittelvers und Veränderungen in der Mark 220
3. Haus- und Gartenfronten in Berlin W. 224
4. »Als ich 75 wurde« - philosemitisch? 227
5. »der >Meyerheim< sitzt überall« 230
6. Antisemitischer Impuls im »Cohn-Gedicht«? 235

XI. »Moses hat die Priorität«. Die >dritte Konfession< in Mathilde Möhring 242

1. Figurenkonstellation, Handlungsstruktur, leitende Konzepte 242
2. Jüdische Figuren und die Frage antisemitischer Effekte 244
3. Inszenierung des religiösen Diskursfeldes 246
4. Ressentiment und Redevielfalt 253

XII. Ein Dienstmädchen, ein Kommerzienrat und eine Leerstelle im Stechlin 258

1. »war es denn wieder so was?« 258
2. Erzählerische Modellierung der Nebenfigur Hedwig 259
3. Berliner Dienstmädchen: soziale Misere und kollektive Phantasien 262
4. »diesmal war es mehr« 263

XIII. »Bleibt also bloß noch der liebe Gott«. Die Kunst, vom Tod zu erzählen 268

1. Erzählen vom und zum Tode 268
2. Zum Problem des erzählten Todes 270
3. Der Anfang vom Ende 273
4. Zweideutige Besucher 279
5. Desillusionierung und Verklärung 284
6. Der Tod einer hanseatischen Konsulin: ein Blick auf Buddenbrooks 289

Literaturverzeichnis 295
Personenregister 309
Werkregister 313