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Zwischen
Zwischen "Genuss" und "Ekel"
Ästhetik und Emotionalität als konstitutive Momente historischen Lernens




Bodo von Borries

Wochenschau Verlag
EAN: 9783899749274 (ISBN: 3-89974-927-8)
540 Seiten, 14 x 21cm, März, 2014

EUR 52,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Kunst und Historie, Emotionen und Geschichte - Passen die wirklich zusammen, haben Sie überhaupt etwas miteinander zu tun? Geschichtslernen stellt - das sagt unsere eigene Erfahrung - einen nicht-nur-kognitiven Prozess dar. Emotionen, Ästhetik, Moral, Politik, Imagination, Triebdynamik usw. haben ihren Anteil am Auslösung, Verlauf und Ergebnis. Sie treiben nicht nur Lernen an, sondern ändern sich auch durch Umgang mit Geschichte. Unterrichtspraxis und akademische Geschichtsdidaktik haben diesen Zusammenhang bisher weitgehend ausgeblendet.

Im vorliegenden Band werden an exemplarischen Fällen die Urgewalt und die Unvermeidlichkeit der nicht-nur-kognitiven Memento des Geschichtslernens aufgezeigt, um anschließend anzudeuten, wie Ästhetik und Emotionalität in Unterrichtspraxis und geschichtsdidaktischer Theorie reflektiert und integriert werden könnten.
Rezension
Das ist ein echter Bodo von Borries: präzise in der Beobachtung, geistreich in der Analyse und brillant in der Darlegung. Wie so oft öffnet Bodo von Borries mit diesem Band neue Perspektiven und gibt wertvolle Anregungen für die zukünftige Gestaltung von Geschichtsunterricht. Gekonnt wechselt er dabei zwischen exemplarischen Fallanalysen und synthetisierenden Schlussfolgerungen oder Zusammenfassungen.
Im Kern geht es von Borries darum, die Bedeutung von Emotionen und künstlerisch dargebrachten Auseinandersetzungen mit Geschichte (zum Beispiel Gemälde oder Gedichte) für den Geschichtsunterricht herauszuarbeiten sowie Anregungen für einen sinnvollen Einbezug zu liefern. Auch wenn das Buch dabei keine fertig ausgearbeiteten praktischen Materialen bereithält, so können Geschichtslehrer bei aufmerksamer Lektüre zahlreiche wertvolle Akzente aus den vielfältigen exemplarischen Fallanalysen gewinnen.
Nicht zuletzt legt Bodo von Borries seine Erkenntnisse ganz im Sinne des Themas nicht nur einfach so dar, sondern schafft selbst eine ganz eigene ästhetisch ansprechende wissenschaftliche Darstellungsform, deren geistreiche Windungen für den intellektuellen Leser nicht nur anregend, sondern ein Vergnügen sind.

FAZIT: Sicherlich kein Buch, das direkt anwendbare Praxiskonzepte liefert, sondern eines, das zum Nachdenken über die Zukunft des Geschichtsunterrichts anregt und somit nicht weniger wichtig ist.

Matthias Schmid, lbib.de
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung: Aufgabe des Buches 11

"Historiografie" (Der große Reinecke über den großen Ranke) 11
Kunst und Historie, Emotionen und Geschichte - Passen die wirklich zusammen, haben sie überhaupt etwas miteinander zu tun? 13
Betonung von Ästhetik und Emotionalität der Historie - ohne Verlust an kognitiver Kraft und Klarheit 16
Klarstellungen zu manchmal vergessenen Selbstverständlichkeiten 18

TEIL A
Ästhetik und Emotionalität: Unvermeidlich, reflexionsbedürftig und handlungsrelevant beim Geschichtslernen 23

1. Voraussetzungen: Verschiedene Lernarten und Fokussierung auf "Emotionen und Ästhetik"! 28
2. Lernerfahrung: "Geschichtliche Bilder im Kopf" 38

2.1 Ein Fall von autobiografischer Erinnerung: "Historische Bildimaginationen eines Kindes" (Bogumil Glotz 1847) 38
2.2 Autobiografische Fälle von "Bildern (und Tönen) im Kopf": "Innere" ("mentale") nicht nur "äußere" ("mediale") Ästhetik aller Historie 42

3. Erkenntnislogik: "Methodisierung des Umgangs mit Bildern und Affekten" 49

3.1 Ein Fall von methodologischer Reflexion: "Masken als Gesellschaftsschlüssel" (Lévi-Strauss 1977) 49
3.2 Historische Wissenschaftsdisziplinen mit bildlichem und gegenständlichem Material - Systematik von Quellenarten 54

4. Erkundungspraxis: "Landschaften und Kunstwerke sind geronnene Geschichte" 59

4.1 Der Fall "Bilderviten der heiligen Elisabeth in Marburg" 61
4.2 Nachdenkliche Exkursion zu Stadt und Dom Ratzeburg 73

5. Geschichtskultur: "Extremfall Holocaust-Comics" (von Johannes Meyer-Hamme) 92

5.1 Holocaust in "Maus" (Spiegelmann 1989/92) und "Auschwitz" (Croci 2002) 92
5.2 Unterricht mit dem Comic "Maus": Emotionen zur Ästhetik einer historischen Darstellung (10. Klasse Gymnasium, 2010) 111

6. Unterrichtsthema: "Gestaltete und bewegende Historie verhandeln" 128

6.1 Ein Fall konflikthaften Nicht-Lernens über den NS? - Experteninterview zur Doku-Filmserie "Der unvergessene Krieg" (11. Klasse Gymnasium, 1982) 130
6.2 Parallel- oder Gegenbeispiel? - Auswertungsgespräch zum Spielfilm "Kolberg" (9. Klasse Gymnasium, 1965) 130

7. Folgerungen: Ästhetisch-emotionale Praxis mit "nicht-nur-kognitiven historischen Kompetenzen" als Lernzielen?! 150

TEIL B
Emotionen und historisches Lernen - Bilanzen und Ausblicke 165

1. Voraussetzungen (Nicht-nur-kognitive Momente und prototypische Funktionen) 167
2. Emotionen in Vergangenheit und Geschichte 173

2.1 Geschichte der Emotionen (hier "Elternstrafen und Kindheits-Erinnerungen") 173
2.2 Fehlende Anerkennung/Wahrnehmung einer Geschichte der Emotionen (hier "Anthropologische Konstanten?") 180

3. Emotionen in Geschichtswissenschaft und Geschichtskultur 185

3.1 Geschichtswissenschaft: Erkenntnislogik und Forschungspraxis von Historie (hier "Forschungskontroversen") 185
3.2 Geschichtskultur: Produktion und Implementation von Geschichtsbewusstsein (hier "Historikerträume") 190

4. Emotionen in Geschichtslernen und Geschichtsunterricht 196

4.1 Emotionssteigerung und Emotionsverweigerung in Unterrichtsprotokollen (hier "Erschütterung", 10. Klasse Realschule, um 1960, und "Blockade", 12. Klasse Berufliches Gymnasium, 2002, "Faszination", 6. Klasse Gesamtschule, 2006, und "Distanzierung", 12. Klasse Gymnasium, 1966) 196
4.2 Strukturen in repräsentativen Befragungen und exemplarischen Auskünften (hier "Biografierelevanz") 208

5. Emotionen in Geschichtsumgang und Geschichtsverarbeitung 220

5.1 Methodologische Reflexionen mit Identitätsrevision (hier "Dokumentarfotos als Quelle, Byer 1989) 220
5.2 Kollektive Identifikationen durch Denkmäler (hier "Umgang umkämpfter Geschichte", Donatius von Biertan) 226

6. Folgerungen (Interdependenz als Problemfelder und Konkretisierung des Kompetenzmodells) 231

TEIL C
Geschichte lernen/erschließen aus Kunstwerken - Kunstwerke verstehen/genießen aus Geschichte? 241

1. Herausforderung: Geschichtslernen im Zeitalter von "Bilderflut" und "visueller Zeitenwende"/Kunstverstehen im Zeitalter der "Enthistorisierung" und "Beliebigkeit"? 245

1.1 Das Phänomen: "Visual Turn" und "sekundäre Oralität 245
1.2 Enthistorisierte, beliebige Kunstpraxis? 249
1.3 "Narrativität" von Bildern und ihre Grenzen 252

2. Ein beispielhafter Denkmalskomplex 257

2.1 Polnisches "Grundwald" oder deutsches "Tannenberg" 258
2.2 Lernchancen im Erlebnis- und Erfahrungsaustausch vor Denkmälern! 265

3. Zwei beispielhafte Ikonenreihen 270

3.1 Prototypisches "Bürgertum" auf einem geistlichen Möbelstück: Das "Chorgestühl" in der Stadtkirche St. Martin zu Memmingen (um 1501-1507) 273
3.2 Prototypisches "Bauerntum" auf weltlichen Gemälden: Die "Bauernbilder" der Brüder le Nain (um 1642) 284

4. Zwei beispielhafte Bildergeschichten 297

4.1 Dokumentation "Osteuropäisches - besonders karpato-ukrainisches - Judentum vor und in Auschwitz (Auschwitz-Album und Vishniac-Zeugnisse) 302
4.2 Rekonstruktion: Zweimal "Die Torstraße" (Draeger 1977 versus Draeger 2001) 310

5. Ein beispielhafter Geschichtsdiskurs in Bildern mit retrospektiver Kontroverse 313

5.1 "Nationalsozialismus" und "Kolonialismus" bei A. Paul Weber (1931-1945) 314
5.2 Anhaltende Kontroverse: Offene "NS-Propaganda", billiger "Opportunismus" oder listiger "Widerstand"? 333

6. Zwei beispielhafte Unterrichtsprotokolle zu Bildikonen 346

6.1 Eine prähistorische Bildergalerie: Hypothesenbildung über "Höhlenmalerei in Lascaux" (6. Klasse Gymnasium 2002) 347
6.2 Eine herausragende Bildreportage: Nicht-Interpretation von Goyas "Erschießung der Aufständischen am 3. Mai 1808" (8. Klasse Gymnasium 1978) 360

7. Praxiserfahrungen: Seminare und Unterrichtsexperimente mit Historischen Kunstwerken, d.h. Bildern und Bildergeschichten 369

7.1 Streiflichter auf empirische Studien: "Anhaltender Bildanalphabetismus"? 369
7.2 Erprobungen in Universität und Schule: Leistungen und Fallstricke 375
7.3 Generalisierungsversuch: "Geschichtslernen aus Kunst" und "Kunstlernen aus Geschichte" 384

TEIL D
Ästhetik (Poetik und Rhetorik) als vergessene Dimension historischer Texte 389

1. Problem: "Auch historische Texte - aller Art - sind absichtsvoll gestaltet und lösen ästhetischen Umgang aus" 391

2. Fiktionale und dichterische Texte 394

2.1 Beispiel: Drei Gedichte von Heinrich Heine - "Die Schlesischen Weber" (1844), 1649-1793 - ????" (1851) und "Das Sklavenschiff (1853/54) 394
2.2 Chancen von Poesie und Prosa, Lyrik, Drama und Epik 407

3. Textdokumente und Dokumentarische Texte 415

3.1 Beispiel "Zwei Gedenkreden als Großtat und als Skandal?" (8. Mai 1985, 10. November 1988) 415
3.2 Autobiografien und Dokumentarische Dramen 426

4. Historiographische Texte 430

4.1 Beispiel "Dreimal, Kolonialismus im Zeitalter der Aufklärung" (Bailey Nasalier, Bitterli und Galeano) 430
4.2 "Globalisierung": Perspektiven von "Weitwinkel" bis "Teleobjektiv" und Zeitstrukturen von "Historie evénementelle" bis longue durée" 446

5. Schulbücher und Schulbuchtexte 450

5.1 Beispiel "Zweimal Machtergreifung und NS-Verarbeitung" in "quellenorientiertem Arbeitsbuch" oder "handlungsorientierter Lernanleitung"? 453
5.2 Von Novellenbuch und Leitfaden über Quellenorientierung und Kompetenzansatz zu DVD und Internet-Portal? 462

6. Geschichtsunterricht mit unkonventioneller/innovativer Textbenutzung 466

6.1 Beispiel einer kollektiven Lernblockade: "Emotional verursachtes Scheitern und dessen ästhetisch gestützter Überwindung" (8. Klasse Hauptschule, 1962) 466
6.2 Beispiel eines De-Konstruktions-Versuches: "Bonifatius und die Donareiche" - Wunder, Trick, Lüge?" (8. Klasse Gymnasium, 2003) 470

7. Lösung: Ästhetisch-historische Re-Konstruktions- und De-Konstruktions-Kompetenz - Wiederentdeckung der Poetik und Stilistik des Historischen" (von Bodo von Borries und Johannes Meyer-Hamme" 479

Schlussbemerkung: Kernthesen des Buches 489

Zusammenfassung in Merksatzform 489
Keine Reduktion von Geschichtsforschung auf Positivismus, d.h. bloße Quellenkritik und Quellenedition! 492
Wer beherrscht wen`Wer friss wen? Wer liefert Antrieb für was? 494
Das alltägliche Kerngeschäft (inner- wie außerschulisch!) 499

Erwähnte Literatur 501

















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