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Theorie der Lebenswelt
Theorie der Lebenswelt




Hans Blumenberg

Suhrkamp
EAN: 9783518585405 (ISBN: 3-518-58540-1)
253 Seiten, hardcover, 15 x 23cm, April, 2010

EUR 29,80
alle Angaben ohne Gewähr

Rezension
Der Philosoph Hans Blumenberg (1920-1996) erlangte Bekanntheit durch voluminöse Bücher wie „Die Legitimität der Neuzeit“(1966), „Die Genesis der kopernikanischen Welt“(1975), „Arbeit am Mythos“(1979), „Die Lesbarkeit der Welt“(1981), „Lebenszeit und Weltzeit“(1986) oder „Höhlenausgänge“(1989). Als Hauptthema des Blumenberg`schen Gesamtwerks lässt sich die Auseinandersetzung des neuzeitlichen Menschen mit der von Sinnverlusten geprägten Welt identifizieren. Ausgehend von tiefschürfenden geistes- und wissenschaftsgeschichtlichen Studien elaboriert der Philosoph eine Phänomenologie der Weltstellung des modernen Menschen. Er untersucht in seinen Schriften die Empfänglichkeit des Menschen für Geschichten, seine Angewiesenheit auf symbolische, mythische und religiöse Deutungssysteme, sowie seinen Rückgriff auf die Technik im „Absolutismus der Wirklichkeit“, um in dem sinnfreien Kosmos Weltbehagen und Sicherheit zu erreichen. Dazu entwickelt der Philosoph eine Anthropologie, eine Theorie der Bedeutsamkeit, eine Metaphorologie und eine Theorie der Lebenswelt.
Letzterer Begriff gehört zu den Kernbegriffen der Phänomenologie, man denke nur an das Œuvre von Edmund Husserl, in dem dieser eingeführt wird, oder an die sozialphänomenologische Rezeption dieses Terminus bei Alfred Schütz. Blumenberg entwickelt in seinem Werk theoretische Grundlagen für eine Theorie der Lebenswelt. Dabei rekonstruiert er den prälogischen und präprädikativen Charakter der Lebenswelt bei Husserl, zudem elaboriert er den Unterschied zwischen Lebenswelt und Alltagswelt. Des Weiteren vergleicht Blumenberg den Terminus „Lebenswelt“ mit dem Begriff des „Lebens“ in der Lebensphilosophie. Blumenberg setzt den Lebensweltbegriff ins Verhältnis zu dem für seine Philosophie zentralen Wirklichkeitsbegriff und zu den Entwicklungen der Technisierung.
Blumenbergs Lebenswelttheorie-Beiträge erschienen 2010 im Suhrkamp Verlag unter dem Titel „Theorie der Lebenswelt“, herausgegeben von Manfred Sommer. Dabei handelt es sich um sieben Texte, von denen sechs aus dem Nachlass stammen und einer bereits in deutscher Sprache veröffentlicht wurde. Zurecht formuliert der Philosoph in seinem Text „Die Lebenswelt als Thema der Phänomenologie“ die philosophische Erkenntnis: „Eine Theorie muß die Beweisforderungen, die sie für sich selbst aufstellt, nicht unbedingt erfüllen, um wirksam zu werden gegen die, die noch weiter hinter diesen Forderungen zurückgeblieben sind.“(S. 129). Lehrkräfte der Fächer Philosophie und Ethik erhalten durch das vorliegende Buch Blumenbergs differenziertes Fachwissen zum Begriff „Lebenswelt“.
Fazit: Der Blumenberg-Band „Theorie der Lebenswelt“ mit unveröffentlichten Schriften aus dem Nachlass des Philosophen schließt eine wichtige Lücke für die Erforschung seines Œuvres.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Hans Blumenberg
Theorie der Lebenswelt
Herausgegeben von Manfred Sommer

Zu den heftig diskutierten Themen der zeitgenössischen Philosophie gehört die Frage nach der Lebenswelt. Oft erscheint sie als eine Welt des alltäglichen Handelns, aus der die Philosophie entspringt, ohne doch in ihr aufgehen zu können. Zum 90. Geburtstag von Hans Blumenberg präsentiert der Suhrkamp Verlag nun einen Nachlaßtext, in dem der Philosoph das Problem weit radikaler faßt. Blumenberg begreift die Lebenswelt nicht als faktische Welt oder Alltagswelt, sondern als die Welt, wie sie wäre, wenn es in ihr keine unbeantworteten Fragen, keine unbefriedigten Bedürfnisse, keine ungesicherten Aussagen gäbe. In dieser Welt der Selbstverständlichkeit ist Philosophie noch nicht möglich oder nicht mehr nötig. Von Kants »Ding an sich« über die Schwarzen Löcher der Astronomen bis hin zum Zustand wunschlosen Glücks reichen Blumenbergs Vergleiche, die auf immer wieder überraschende Weise beleuchten, worin die Schwierigkeiten liegen, die Lebenswelt überhaupt zum Gegenstand von Erkenntnis zu machen. Es zeigt sich, daß die Beziehung zwischen Theorie und Lebenswelt in einer Erfahrung des Verlusts gesucht werden muß: Wissenschaft ist nichts anderes als der Versuch, mit den Folgen des Verschwindens von Selbstverständlichkeit fertig zu werden.
Inhaltsverzeichnis
I Theorie der Lebenswelt 7
1.›Leben‹ ein unbestimmter Begriff 9
2. Konstruktive Beschreibung des Uneinsehbaren 25
3. Ursprungssuche und Sinnfrage 37
4. Integration des Unbekannten 52
5. Husserls irrationales Urfaktum 65
6. Ein Zustand vor aller Theorie 78
7. Die Rationalität von Begründungslosigkeit 90
8. Das Selbstverständliche verstehen 100
II Die Lebenswelt als Thema der Phänomenologie 109
III Selbstverständlichkeit, Selbstaufrichtung, Selbstvergleich 133
IV Delegation als Höhlenausgang 149
V Lebenswelt und Wirklichkeitsbegriff 157
VI Lebenswelt und Technisierung unter Aspekten der
Phänomenologie 181
VII Anhang: Lebensweltliche Beharrung und geschichtlicher Fortschritt 225
Nachwort des Herausgebers 243
Editorische Notiz 248
Namenregister 251