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Tatort Odenwaldschule Das Tätersystem und die diskursive Praxis der Aufarbeitung von Vorkommnissen sexualisierter Gewalt Mit Beiträgen von
Andreas Langfeld, Bastian Schwennigcke und Steffen Marseille
Tatort Odenwaldschule
Das Tätersystem und die diskursive Praxis der Aufarbeitung von Vorkommnissen sexualisierter Gewalt


Mit Beiträgen von

Andreas Langfeld, Bastian Schwennigcke und Steffen Marseille

Jens Brachmann

Verlag Julius Klinkhardt
EAN: 9783781522992 (ISBN: 3-7815-2299-7)
560 Seiten, hardcover, 15 x 22cm, 2019

EUR 44,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Pädosexuelle Gewalt ist Ausdruck eines Systemversagens.

Tatsächlich bedarf es eines »ganzen Dorfes«, um ein Kind zu missbrauchen.

Diesbezüglich bieten gerade Internate und Heime potentiellen Tätern und Täterkollektiven besonders günstige Gelegenheitsstrukturen für Gewalt gegen Schutzbefohlene - organisatorische Defizite, Diffusion der Professionsrollen, Verwerfungen in den Hierarchieebenen.

Vor allem aber findet man in den Gremien, in den Kollegien oder im institutionellen Umfeld dieser Einrichtungen Mitwissende, Kollaborateure, schweigende Zeuginnen und Zeugen, aktive wie passive Tatbeteiligte, welche die Übergriffe begünstigen.

Auf der Grundlage umfangreicher Quellenstudien und kulturhistorischer Analysen dokumentiert »Tatort Odenwaldschule« die Vorkommnisse in dem einstigen südhessischen Reforminternat als ein erschütterndes Beispiel für eine geschlossene Organisation, in der Heranwachsende seit den 1960er-Jahren hundertfach einem solchen »Tätersystem« ausgeliefert waren.
Rezension
Spätestens durch die Aufdeckung von sexuellem Kindes- und Jungendlichenmißbrauch in kirchlichen, (vereins-)sportlichen und (reform-)pädagogischen Institutionen wird über Tatort, Täter, Tätersysteme und die Ermöglichungsbedingungen für die sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen gesellschaftlich diskutiert und es ergeben sich durchaus gemeinsame Muster, die zukünftig vermieden werden müssen (vgl. insbesondere Kap. 7 dieses Buchs). Hinsichtlich der mittlerweile geschlossenen reformpädagogischen Odenwaldschule stellt das hier anzuzeigende Buch nicht nur eine umfassende geschichtliche Aufarbeitung der Vorkommnisse sexualisierter Gewalt dar, sondern bietet zugleich auch Aspekte zukünftiger Prävention, - fast 10 Jahre nach der Aufdeckung massiver sexueller Übergriffe in pädagogischen Institutionen: Berliner Canisius-Kolleg, Klosterinternat Ettal, Bonner Aloysius-
Kolleg.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 7

2 Zielsetzung und methodische Zugänge der Rostocker Teilstudie 19

3 Täter, Tätersysteme, Ermöglichungsbedingungen sexueller Gewalt 27

3.1 Die Täter und der Tatort Odenwaldschule 33
3.2 Der Haupttäter Gerhard T. 38
3.3 Der Haupttäter Wolfgang H. 60
3.4 Der Haupttäter Jürgen K. 96
3.5 Der Haupttäter Dietrich W. 122
3.6 Der Haupttäter Gerold Becker 142
3.6.1 Die dunkle Lebensgeschichte des Gerold Becker 146
3.6.2 Gerold Becker und die Odenwaldschule 165
3.6.3 Die Odenwaldschule: Organisation, Struktur, System unter Gerold Becker 190
3.6.4 Die Personalpolitik unter Gerold Becker: zur Neutralisierung von Oppositionen (Andreas Langfeld) 208
3.6.5 Gerold Beckers konspirative Zusammenarbeit mit Behörden – Das Beispiel: Der Senat von Berlin (West) 220
3.6.6 Die Odenwaldschule als inszenierter pädagogischer Sehnsuchtsort – Ein Exkurs 244
3.6.7 Gerold Becker und der Tatort Odenwaldschule nach 1985 253
3.7 Weitere Beschuldigte und das „System Becker“ 288

4 Sozialökologische Faktoren der Ermöglichung und Legitimation von sexualisierter Gewalt an der Odenwaldschule (Andreas Langfeld) 313

4.1 Der systemimmanente Bedingungsrahmen: Die Odenwaldschule als Tätersystem 313
4.1.1 Allgemeine theoretische und hypothetische Vorüberlegungen 314
4.1.2 Die Odenwaldschule als Ort systematischer und systemischer Grenzverletzungen 318
4.2 Der gesellschaftliche Bezugsrahmen: Der Missbrauch an der Odenwaldschule im Kontext diskursiver Legitimationsstrategien 327
4.2.1 Das kritische Erbe der Jugendbewegung 328
4.2.2 Die Paradoxien der sexuellen Revolution 331

5 Die Odenwaldschule im Kontext der öffentlichen Aufklärungskampagne (Bastian Schwennigcke) 345

5.1 Herausforderung öffentliche Aufarbeitung: 1999 und 2010 im Vergleich 345
5.1.1 Zwischen 1997 und 1999: Warum die Debatte ausblieb 345
5.1.2 Die Debatte über Missbrauch in Institutionen ab 2010: Kurzatmigkeit und thematische Selektivität 349
5.1.3 Eine Verschiebung, keine Aufhebung der Grenzen des Diskurses über Missbrauch in Institutionen 357
5.2 Die öffentliche Debatte in der Phase der Aufklärungs- und Präventionsbemühungen 360
5.2.1 Wie ist Intervention möglich? Theoretische Vorbemerkungen zum Diskurs über den Missbrauch an der Odenwaldschule 360
5.2.2 Datenerhebung und analytisches Vorgehen 364
5.2.3 Diskursfeld Ermittlungsarbeit – Prozesse der diskursiven Ordnung und Verschiebung von Aufklärungsverantwortung 367
5.2.4 Diskursfeld Entschädigung und Wiedergutmachung 375
5.2.5 Zusammenfassung: Interventionsmodelle in der Phase der Aufklärung (2010-2013) 382

6 Das Scheitern der Odenwaldschule – Konsequenzen für Prävention und Aufklärung 389

6.1 Der Versuch eines Neuanfangs: Das Präventionskonzept an der Odenwaldschule (Steffen H. Marseille) 389
6.2 Der Fall Frank G.: Zur Ereignisgeschichte des letzten Kapitels der Odenwaldschule 401
6.3 Das öffentliche Scheitern der Odenwaldschule (Bastian Schwennigcke) 423
6.3.1 Diskursfeld Glaubwürdigkeit 423
6.3.2 Diskursfeld Zukunftsfähigkeit – Die Odenwaldschule als hoffnungsloser Fall in einem Diskurs über ideologisch vergiftete Orte 426

7 Die Odenwaldschule: Tatort, Täter, Tätersysteme und die Ermöglichungsbedingungen für die sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen – Ein Fazit 431

8 Quellen und Literatur 451

9 Abbildungsverzeichnis 485