lehrerbibliothek.deDatenschutzerklärung
System der Philosophie, Bd. III,1 Der leibliche Raum
System der Philosophie, Bd. III,1
Der leibliche Raum




Hermann Schmitz

Verlag Karl Alber
EAN: 9783495490846 (ISBN: 3-495-49084-1)
552 Seiten, hardcover, 14 x 22cm, Dezember, 2019

EUR 49,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
I Die Gegenwart

II,1 Der Leib

II,2 Der Leib im Spiegel der Kunst

III,1 Der leibliche Raum

III,2 Der Gefühlsraum

III,3 Der Rechtsraum. Praktische Philosophie

III,4 Das Göttliche und der Raum

III,5 Die Wahrnehmung

IV Die Person

V Die Aufhebung der Gegenwart
Rezension
Hermann Schmitz (*1928) gilt in der deutschsprachigen Philosophie als Solitär, verfasste er doch von 1964 bis 1980 ein zehnbändiges „System der Philosophie“. Die von ihm begründete Philosophierichtung bezeichnete er als „Neue Phänomenologie“. Mit dieser verfolgt der Kieler Philosophieprofessor – emeritiert 1993 – das Ziel, „den Menschen ihr wirkliches Leben begreiflich zu machen“. Dazu sei, so Schmitz, eine Analyse des Leibes notwendig. Diese steht auch im Zentrum seiner in den letzten Jahren erschienenen Bücher, zum Beispiel in „Kurze Einführung in die Neue Phänomenologie“ (2008), „Der Leib“(2011), „Atmosphären“(2014), „Ausgrabungen zum wirklichen Leben“(2016) oder „Wie der Mensch zur Welt kommt“(2019). Durch seine Fokussierung leiblich situierter Subjektivität erhebt Schmitz den Anspruch, den klassischen Leib-Seele-Dualismus zu überwinden. Psychologistische Konzeptionen von Subjektivität und naturalistische Menschenbilder werden in seiner Leibphilosophie mit guten Argumenten als reduktionistisch entlarvt. Damit leistet Schmitz einen wichtigen Beitrag zur Rehabilitierung von Leib, Gefühlen und Atmosphären in der Philosophie.
Rezipiert wird sein Œuvre, das allein 59 Monographien umfasst, nicht nur in der Philosophie, etwa von seinem Schüler Michael Großheim, Professor für Philosophie an der Universität Rostock, sondern auch in der Medizin und Psychologie etwa von Thomas Fuchs, in der Humangeographie von Jürgen Hasse, in der Architekturtheorie von Achim Hahn oder in der Pädagogik von Barbara Wolf. Von der Rezeptionsbreite der Schmitz`schen Philosophie zeugt auch die im Verlag Karl Alber veröffentlichte Buchreihe „Neue Phänomenologie“ mit mittlerweile 30 Bänden. Dem Freiburger Verlag kommt auch das Verdienst zu, 2019 eine Neuausgabe des vollständigen „Systems der Philosophie“ von Schmitz publiziert zu haben.
In Band III,1 „Der leibliche Raum“ aus dem Jahre 1967 unternimmt Schmitz ausgehend von seinem philosophischen Zentralbegriff Leib eine „Archäologie des Raumes“(S. XVIII). Unter Heranziehung der phänomenologischen Methode entwickelt der Philosoph ein „dem eigenleiblichen Spüren abgewonnenes Modell der Raumvorstellung“(S. XVI), das sich fundamental von mathematisch-naturwissenschaftlichen Raumkonzeptionen unterscheidet. Mit anderen Worten, Schmitz gewinnt in seinem Buch die Räumlichkeit aus der Leiblichkeit des Menschen. Seine Erkenntnisse über Ort und Dimension dienen dem Philosophen zur Systematisierung der Raumerfahrungen, die in einer Klassifikation des leiblichen Raumes in den „Weiteraum“, „Richtungsraum“ und „Ortsraum“ gipfelt. Außerdem enthält der vorliegende Band eine aufschlussreiche „Geschichte des Raumbewusstseins“(S. 413). Erwähnenswert ist noch Schmitz` „Kritische Revision“ seines Hauptwerks im Anhang, in dem er begriffliche Differenzierungen und Präzisierungen zu einzelnen Paragraphen des „leiblichen Raumes“ vornimmt. Philosophie-Lehrkräfte, die in ihrem Unterricht mit Schülerinnen und Schülern fundiert über Raumtheorien reflektieren möchten, finden in dem vorliegenden Band von Schmitz` Philosophie zahlreiche produktive Einsichten.
Fazit: Hermann Schmitz` Buch „Der leibliche Raum“, Band III,1 seines „Systems der Philosophie“ in der Neuausgabe bei Karl Alber, ist ein Muss für alle Freunde der Neuen Phänomenologie.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Der leibliche Raum (Gebundene Ausgabe)
System der Philosophie, Band 3,1

von Hermann Schmitz (Autor/in)

Verlag Karl Alber
1. Auflage 2019
Gebunden
552 Seiten
ISBN: 978-3-495-49084-6
Bestellnummer: P490847

Die überlieferte Lehre vom Raum orientiert sich in Mathematik, Naturwissenschaften und Metaphysik zu einseitig am zentralen Gesichtsfeld. So kommt es zur Vorstellung vom Raum als Form der Äußerlichkeit. Dagegen will dieses Buch die Fülle gemeinmenschlicher Erfahrungsquellen zum Aufbau einer begrifflich strengen Raumtheorie heranziehen. Eine phänomenologische „Archäologie des Raumes“ soll, zwischen der differenziertesten und der primitivsten Schicht der Raumgegebenheit ab- und aufsteigend, das Gerüst zur Ordnung der Befunde liefern. Wichtige Grundbegriffe – besonders Ort und Dimension – werden mit mathematischen Methoden behandelt. Raumängste und Ekstasen, motorisches Verhalten, Sehen von Gestalten und von Bewegung, Handeln, Schwindel, Schallvolumen, kindliche Raumvorstellung, tierische Orientierung werden neben vielen anderen Phänomenen und Themen durchgesprochen; Fragen, die die Räumlichkeit der Gefühle voraussetzen, bleiben dagegen den späteren Teilen des Bandes vorbehalten. Ein ausführliches Schlusskapitel behandelt die Geschichte der Raumvorstellung.
Inhaltsverzeichnis
INHALT

Vorrede XIII
1. KAPITEL: EINLEITUNG 1
§ 115: Die phänomenologische Methode der Untersuchung 1
§ 116: Raum überhaupt 7
a) Die Aufgabe einer phänomenologischen Charakteristik des Raumes 7
b) Gegenwart 10
α) Primitive Gegenwart 10
ß) Entfaltete Gegenwart 12
y) Zur Entfaltung der Gegenwart 18
c) Reine Modalzeit 20
d) Raum und Zeit in der Appraesenzdimension 24
§ 117: Der leibliche Raum 28
a) Abgrenzung des leiblichen Raumes 28
b) Empirische Bestätigung 33
c) Die Weisen des leiblichen Raumes 42
2. KAPITEL: DIE WEISEN DES LEIBLICHEN RAUMES 47
§ 118: Der Weiteraum 47
§ 119: Der Richtungsraum 54
a) Struktur und Vorkommen des Richtungsraums 54
b) Der Richtungsraum beim Balancieren 64
c) Der Richtungsraum beim Tanz 69
§ 120: Der Ortsraum 72
a) Übergang vom Richtungsraum zum Ortsraum 72
b) Lagen und Abstände 78
α) Die Lage 81
ß) Der Abstand 86
c) Relative Orte 88
α) Der Ortsbegriff 88
ß) Lage- und Abstandsorte 99
§ 121: Die Eigenständigkeit der drei Raumarten 102
a) Die Aufgabe 102
b) Argument aus dem Vorkommen von Bewegung 104
c) Argument aus der Dauer des Raumes 111
d) Argument aus der Dauer der Bewegung 119
α) Das Ideal der vollständigen Pantachie 119
ß) Beweis, daß vollständige Pantachie mit Bewegung unverträglich ist 125
3. KAPITEL: DER WEITERAUM 131
§ 122: Die Aufgabe der Untersuchung 131
§ 123: Die Raumängste 136
a) Reine Weiteangst 136
α) Die Struktur der reinen Weiteangst 136
ß) Der Schauder des Unendlichen 144
b) Sturzangst 146
c) Dämmerungsangst 153
α) Die synästhetischen Charaktere der Dämmerung 154
ß) Die Struktur der Dämmerungsangst 159
y) Die Abenddämmerung und ihr Dämon 160
§ 124: Die Ekstasen 166
a) Die geschlechtliche Ekstase 166
b) Die Tanzekstase 173
α) Die Struktur der Tanzekstase 173
ß) Die Polarisierung des leiblichen Raumes in der Tanzekstase 179
c) Die mystische Ekstase 183
α) Weite und Weitung in der mystischen Ekstase 184
ß) Engung in der mystischen Ekstase 189
§ 125: Leibliche und räumliche Weite 193
a) Die Einzigkeit der Weite 193
α) Nachweis 193
ß) Bestätigung am Phantasieraum 199
b) Der Hauptsatz der Lehre vom Raum 203
c) Fernschauen und Fernwirken 208
α) Die Möglichkeit leiblicher Fernkommunikation 208
ß) Die tierische Fernorientierung 212
y) Praktische Konsequenzen 214
δ) Die Gedanken H. Werhahns 216
4. KAPITEL: DER RICHTUNGSRAUM 219
§ 126: Der Schwindel und die Einrichtung des Richtungsraums 219
a) Der Schwindel 220
b) Die Einrichtung des Richtungsraumes 229
α) Die Prägung des Raumbildes durch Richtungsraums 230
ß) Die Gängelung der räumlichen Anordnung durch leibliche Richtungen 235
§ 127: Die Räumlichkeit des motorischen Verhaltens 239
a) Das motorische Körperschema 239
α) Die Richtungsräumlichkeit des motorischen Körperschemas 239
ß) Rechts und Links im motorischen Körperschema 248
y) Richtungsräumliche und ortsräumliche Zuwendung zum eigenen Körper 252
b) Die freie Eigenbewegung 260
α) Leibliche Richtung in der freien Eigenbewegung 260
ß) Die willkürliche Bewegung 270
§ 128: Die stationären optischen Gestalten 273
a) Der richtungsräumliche Aufbau optischer Gestalten 273
α) Der allgemeine Gestaltbegriff 273
ß) Bahngebundenheit bei Gestalten und im Richtungsraum 275
y) Der dreigliedrige Aufbau des Gestaltblicks 277
6) Die Dynamik optischer Gestalten 283
b) Empirische Bestätigung 284
c) Das Zusammenwirken optischer Gestaltwahrnehmung mit dem motorischen Verhalten 289
§ 129: Das Handeln 293
a) Der Begriff des Handelns 293
b) Der Begriff des Behandelns 294
c) Die Richtungsräumlichkeit des Behandelns 298
α) Die Erweiterung des motorischen Körperschemas 298
ß) Der Anteil des Bewußtseins 301
y) Eigenraum und Fremdraum 305
§ 130: Die tierische Orientierung 307
a) Richtungsräumliche Orientierung bei Tieren 308
b) Wechsel der Orientierungsweise mit den Wegphasen 314
§ 131: Das Sehen von Bewegung 317
a) Die richtungsräumliche Natur gesehener Bewegung 317
b) Das Scheinproblem der Objektruhe bei Blickbewegungen 320
c) Das Sehen der Bewegung von Gestalten 324
α) Objektbewegung im Gefüge des Gestaltblicks 324
ß) Die Bewegungstäuschungen 329
y) Sehen von Bewegung als Entlastung des Leibesschwungs 337
δ) Das Sehen sonstiger Bewegung 340
5. KAPITEL: DER ORTSRAUM 343
§ 132: Das Gerade 343
a) Die Aufgabe der Untersuchung 343
b) Die bisherigen Definitionsversuche 345
α) Ein Versuch mit offenkundigem Längenvergleich 345
ß) Versuche ohne offenkundigen Längenvergleich 348
c) Neue Definition des Geraden 353
α) Geradheit als leibliche Charakterlosigkeit 353
ß) Kinderpsychologische Bestätigung 357
d) Die Begradigung leiblicher Richtungen 359
§ 133: Die Teilbarkeit des Ortsraums 361
a) Die Problemlage 361
b) Der aristotelische Beweisversuch 364
§ 134: Die Dimensionen des Raumes 370
a) Die Ortsräumlichkeit der Dimensionen 370
b) Der Dimensionsbegriff 373
α) Die Ergänzungsbedürftigkeit des mathematischen Dimensionsbegriffs 373
ß) Phänomenologischer Aufweis dimensionaler Gebilde 378
1. Die Aufgabe 378
2. Flächen 381
3. Praedimensionales Volumen 386
4. Strecken und Punkte 388
y) Phänomenologische Praezisierung des mathematischen Dimensionsbegriffs 390
c) Beweis, daß jeder vollständig ausgebildete autonome Orts- raum wenigstens dreidimensional ist 391
α) Die praedimensionale Tiefe 393
ß) Die Breite und die dimensionale Tiefe 397
y) Übergang zur dritten Dimension 402
§ 135: Die kindliche Raumvorstellung 405
6. KAPITEL: GESCHICHTLICHES 413
§ 136: Übersieht 413
§ 137: Das Verständnis der Gravitation im Altertum und Mittelalter 416
a) Richtungs- und ortsräumliche Auffassung der Gravitation 416
b) Das kosmologische Gravitationsverständnis im Altertum 418
c) Das geographische Gravitationsverständnis im Altertum und Mittelalter 421
d) Der Antipodenstreit 423
§ 138: Antike, mittelalterliche und naturvölkische Hydrographie 426
a) Hydrographische und kartographische Orientierung 426
b) Die Antike 427
α) Das Stromnetz als geographisches Ordnungsgerüst 427
ß) Die richtungsräumliche Auffassung der Flußnatur 431
y) Die Ordnungstendenz in hydrographischen Irrtümern 434
c) Das Mittelalter 436
d) Die Naturvölker 438
§ 139: Columbus, Rolevinck, Descartes 440
a) Columbus als Entdecker des Ortsraums 440
α) Wodurch hat Columbus Epoche gemacht? 440
ß) Das Ende der Polarisierung des heiligen Raumes 442
y) Die Entwertung des solaren Raum- und Geschichtsbildes 446
b) Die Entstehung der Datierung ante Christum natum 452
c) Die Ausbildung negativer Koordinaten in der analytischen Geometrie 455
§ 140: Die Lehre vom Raum bei Leibniz, Clarke und Kant 459
a) Leibniz und Clarke 459
b) Kants Lehre vom Unterschied der Gegenden 462
c) Reidemeisters Kritik an Kant 466
α) Neue Ableitung des Einwands von Reidemeister 468
ß) Auseinandersetzung mit Reidemeister 474
d) Der Raum in der Kritik der reinen Vernunft 477
α) Die transzendentale Ästhetik 477
ß) Die Kosmologie 481
Anhang: Über die Definition durch Abstraktion 487
Personenregister 497
Sachregister 502