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Gegenständlichkeit
Das Hermeneutische und die Philosophie
Günter Figal
Mohr
EAN: 9783161562426 (ISBN: 3-16-156242-9)
447 Seiten, kartoniert, 16 x 23cm, Oktober, 2018
EUR 59,00 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
»Für Derrida war die Gerechtigkeit das Nichtdekonstruierbare, und dementsprechend gab er die Ontologie im Namen der Ethik auf. Mit seinem epochalen Buch zeigt Günter Figal, der größere hermeneutische Philosoph unserer Zeit, dass die Gegenständlichkeit das Nichtdekonstruierbare ist. Gewiss garantiert Gegenständlichkeit allein weder Solidarität noch Freiheit noch Gerechtigkeit. Doch ohne sie hätten wir nichts oder, um genau zu sein, nur die Illusion von Solidarität, Freiheit und Gerechtigkeit.«
Maurizio Ferraris, Universität Turin, Italien
Rezension
Günter Figal (*1949) gehört zu den wenigen Vertretern einer phänomenologisch-hermeneutischen Philosophie im deutschsprachigen Raum, die auch internationale Bekanntheit besitzen. Der emeritierte Professor für Philosophie an der Universität Freiburg im Breisgau gilt als einer der führenden Heidegger-Experten. Von 2003-2015 war er auch Vorsitzender der Martin-Heidegger-Gesellschaft, deren Vorsitz er nach der Veröffentlichung der „Schwarzen Hefte“ niederlegte. Zu seinen bekanntesten Werken zählen sein Band „Martin Heidegger zur Einführung“(1992, 8. Aufl. 2020), „Sokrates“(1998, 3. Aufl. 2006), „Der Sinn des Verstehens. Beiträge zum hermeneutischen Philosophieren“(1996), „Verstehensfragen. Studien zur phänomenologisch-hermeneutischen Philosophie“(2009), „Unscheinbarkeit. Der Raum der Phänomenologie“(2015) und „Gegenständlichkeit. Das Hermeneutische und die Philosophie“(2006, 2. Aufl. 2018).
Letzteres Werk ist wie fast alle philosophischen Studien des renommierten Philosophieprofessors im Tübinger Verlag Mohr Siebeck erschienen. „Gegenständlichkeit“ wurde auch ins Englische, Italienische, Spanische und Ungarische übersetzt. Figal liefert mit diesem Opus in einer „Mischung aus Beschreibung, begrifflicher Reflexion und kritisch interpretierender Auseinandersetzung mit anderen Konzepten“ einen überzeugenden, philosophischen Grundriss einer „phänomenologischen Hermeneutik“(S. V). Gegenständlichkeit identifiziert der Gadamer-Schüler als „die Hauptsache der hermeneutisch ansetzenden Philosophie“(S. 3), da Verstehen und Interpretieren sachabhängiger seien als andere Weltzugänge. Die Welt wird von ihm charakterisiert als ein hermeneutischer Raum, als dessen drei Dimensionen er Freiheit, Sprache und Zeit bestimmt. Dazu rekurriert Figal auf philosophische Erkenntnisse von Platon, Aristoteles, Hegel, Nietzsche, Dilthey, Husserl, Heidegger, Plessner, Merleau-Ponty und Gadamer. Die Ausführungen Figals beispielsweise über die Rezeption der „Hermeneutik der Faktizität“(Heidegger), über das Verhältnis von Hermeneutik und praktischer Philosophie, über den Unterschied von Interpretation und Übertragung, über einen hermeneutischen Raum- und Zeitbegriff, über „schriftliches Denken“ unterstreichen die Fruchtbarkeit einer hermeneutischen Philosophie. Dabei wird allerdings der Beitrag von Otto Friedrich Bollnow zur Begründung einer hermeneutischen Philosophie nicht gewürdigt.
Mit seinem gegenstandshermeneutischen Ansatz, der einen philosophischen Realismus stützt, setzt sich Figal positiv ab von verschiedensten Konstruktivismusvarianten und auch manchen Vertretern Analytischer Philosophie. Philosophielehrkräften bietet Figals Monographie sehr gutes, historisch-systematisches Wissen von Grundbegriffen der Phänomenologie und Hermeneutik, wie zum Beispiel Interpretation, Verstehen, hermeneutischer Raum, Freiheit, Zeichen, Bedeutung, Zeit, Leben, Lebensform, Körper und Leib. Über diese Begriffe lässt sich mit Schülerinnen und Schülern im Unterricht produktiv philosophieren, wenn sie in Bezug zu ihrer Lebenswelt gesetzt werden.
Fazit: Günter Figals Werk „Gegenständlichkeit. Das Hermeneutische und die Philosophie“ verdient gelesen zu werden von allen, die sich für das Selbstverständnis der hermeneutischen bzw. phänomenologischen Philosophierichtung interessieren.
Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Günter Figals phänomenologische Hermeneutik, wie sie in diesem Buch entwickelt wird, gehört mittlerweile zu den maßgeblichen Positionen hermeneutischen Denkens. Die nachhaltige Provokation von Gegenständlichkeit besteht darin, dass Interpretation und Verstehen, die oft als subjektive Leistungen gelten, realistisch bestimmt werden. Das Interpretieren erweist sich dabei als originärer Bezug auf eine Sache; es ist auf etwas bezogen, das entgegensteht und herausfordert und so das Interpretieren in Gang setzt. Deshalb wendet sich Figals Gegenstandshermeneutik auch gegen die in der modernen Philosophie verbreitete Kritik der 'Vergegenständlichung'. Figal zeigt außerdem, dass sich in der hermeneutischen Erfahrung nur intensiviert, was für das menschliche Leben allgemein gilt: Das Leben ist durch einen die Lebensvollzüge tragenden Sachbezug bestimmt, der von den hermeneutischen Dimensionen der Welt – Freiheit, Sprache und Zeit – ermöglicht ist.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Einleitung 1
Erstes Kapitel: Von der philosophischen Hermeneutik
zur hermeneutischen Philosophie 5
§ 1 Geisteswissenschaft als Problem 5
§ 2 Hermeneutik der Faktizität 9
§ 3 Hermeneutik und praktische Philosophie 22
§ 4 Ursprung 31
§ 5 Ursprungsmodelle 36
§ 6 Ursprungsmomente 47
Zweites Kapitel: Interpretation 59
§ 7 Übertragung 59
§ 8 Was zu interpretieren ist 67
§ 9 Einsetzen 74
§ 10 Außenverhältnisse 79
§ 11 Darstellendes Erkennen 92
§ 12 Verstehen 104
§ 13 Gegenständlichkeit 126
Drittes Kapitel: Die Welt als hermeneutischer Raum 143
§ 14 Phänomenologie 143
§ 15 Raum 153
§ 16 Weltbegriff 173
Viertes Kapitel: Freiheit 183
§ 17 Handeln 183
§ 18 Überlegen 190
§ 19 Freiheit der Dinge 196
§ 20 Geteilte Freiheit 205
§ 21 Freie Betrachtung 218
Fünftes Kapitel: Sprache 225
§ 22 Vom Sprechen aus 225
§ 23 Ein einzelner einfacher Satz 233
§ 24 Zeichen 242
§ 25 Bedeutung 251
§ 26 Dekonstruktion der Stimme 266
§ 27 Positionen 277
§ 28 Schriftliches Denken 286
Sechstes Kapitel: Zeit 301
§ 29 Überall und an allem 301
§ 30 Etwas geschieht 303
§ 31 In der Zeit sein 319
§ 32 Vollzugszeit 325
§ 33 Zeitlichkeit 335
§ 34 Konstellationen des Sinns 348
Siebtes Kapitel: Leben 357
§ 35 Im hermeneutischen Raum 357
§ 36 Herausgehobenheit und Verschränkung 362
§ 37 Ursprünglichkeit 369
§ 38 Lebensform 378
§ 39 Körper und Leib 392
§ 40 Vernunft 398
§ 41 Lebensgefüge 403
§ 42 Mangel und Fülle 412
Literaturverzeichnis 417
Personenverzeichnis 433
Sachverzeichnis 436
Verzeichnis griechischer Begriffe 446
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