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Literarizität Herausforderungen für Literaturdidaktik und Literaturwissenschaft
Literarizität
Herausforderungen für Literaturdidaktik und Literaturwissenschaft




Jörn Brüggemann, Mark-Georg Dehrmann, Jan Standke (Hrsg.)

Schneider Verlag Hohengehren
EAN: 9783834015358 (ISBN: 3-8340-1535-0)
278 Seiten, paperback, 15 x 23cm, Dezember, 2015

EUR 22,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die Frage nach der Literarizität ist für Literaturdidaktik und Literaturwissenschaft gleichermaßen relevant. Das gilt umso mehr, als es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Konstruktion des Gegenstandes und seiner legitimen Erschließungs- und Vermittlungsweisen zu geben scheint. Doch während die literaturwissenschaftlichen Bemühungen um eine Klärung grundlegender Kategorien im Zuge der wissenschaftlichen Ausdifferenzierung der Disziplin gerade nicht zu Vereinheitlichungen geführt haben, besteht im Bereich der schulischen Vermittlung ebenso wie im Bereich der fachdidaktischen empirischen Forschung Bedarf an konsensfähigen Konstruktionen, die der Ausgestaltung von Vermittlungsprozessen bzw. der Konstruktion von Forschungsinstrumenten zugrunde gelegt werden. Dieser Bedarf ist seit der bildungspolitisch vorangetriebenen Kompetenzorientierung und Standardisierung von Bildungsprozessen sowie den Bemühungen um eine empirische Erweiterung der germanistischen Literaturdidaktik in den letzten Jahren gestiegen. Damit sind an der Schnittstelle von Wissenschaft, (Bildungs-)Politik und Erziehung Desiderate entstanden, die ein erweitertes Nachdenken über Literarizität in den Bereich der Theoriebildung, empirischen Forschung und Vermittlung notwendig machen. Dieser Band versammelt fachdidaktische und fachwissenschaftliche Beiträge, die sich dieser Herausforderung gestellt haben.
Rezension
Es ist eine Frage, die an den Grundfesten der Literaturdidaktik rüttelt: Erfordern literarische Texte domänenspezifische Fähigkeiten, um deren Inhalt und Sinn zu entschlüsseln? Oder handelt es sich bei der Lesekompetenz im Sinne der PISA-Studie um eine "universelle Kulturtechnik", die für alle Texte, also auch für Sachtexte, gleichermaßen gilt? Gerade letztere Annahme stellt sowohl für die Literaturwissenschaft als auch für die Literaturdidaktik eine echte Herausforderung dar, da dies ja bedeuten würde, literarischen Texten ihre Literarizität abzusprechen und diese sozusagen zu nivellieren würde. So erscheint es geradezu folgerichtig, dass die Autoren dieses Bandes, allesamt Germanisten, in den vielfältigen Beiträgen genau jene Spezifika herausarbeiten, die für das Verständnis literarischen Texte notwendig sind. Quasi im Sinne einer Grundlagenforschung zur Sicherung der Disziplin. Ein wichtiges Anliegen des Bandes ist es dabei einen Dialog zwischen der theoriebasierten Literaturwissenschaft und der empirischen Literaturdidaktik anzustoßen, da nur ein Ausgleich zwischen fachlichen Anforderungen und empirisch gestütztem Wissen der Sache gerecht werde. Beides dürfte auch für Lehrkräfte von Bedeutung sein, da diese bei ihrer Unterrichtsvorbereitung sowohl den fachlichen Horizont als auch die spezifischen Fähigkeiten der Schüler berücksichtigen müssen. Auffällig ist, dass neben anderen Merkmalen immer wieder emotionale Faktoren in den Blick rücken, die es somit auch im Literaturunterricht zu berücksichtigen gilt. Weil sich der Band grundsätzlich an die universitäre Fachwelt richtet, zielen die Ansätze aber erst in den jeweils enthaltenen Schlussfolgerungen auf die Praxis ab. Dennoch liefert der Band allen interessierten Lehrkräften wichtige Erkenntnisse für den eigenen und somit auch unterrichtlichen Umgang mit literarischen Texten.

FAZIT: Ein wichtiger Grundlagenband, der in vielfältigen Schattierungen zeigt, dass es eine domänenspezifische literarische Lesekompetenz gibt. Auch wenn damit noch nichts darüber gesagt ist, wie diese im Unterricht explitzit gefördert werden kann, so entfaltet der Band zumindest wichtige Dimensionen, die es dabei zu berücksichtigen gilt.

Matthias Schmid, lbib.de
Inhaltsverzeichnis
Jörn Brüggemann, Mark-Georg Dehrmann, Jan Standke
Literarizität als Herausforderung für Theoriebildung,empirische Forschung und Vermittlung 7

Literarizität in Wissenschaftsgeschichte und Literaturtheorie

Hans-Harald Müller & Myriam Isabell Richter
Poetik, Ästhetik und Literaturwissenschaft zwischen 1890 und 1920 15

Matthias Aumüller
Von der inneren Sprachform zur Literarizität.
Zur Geschichte des Poetizitätsbegriffs und seiner Terminologie 29

Mario Saalbach
Literarizität und Appellstruktur literarischer Texte.
Zu den Grundlagen literarischer Kommunikation 45

Massimo Salgaro
Ist Literarizität messbar?
Annäherungen an eine kontroverse Frage aus der Perspektive der kognitiven und empirischen Literaturwissenschaft 57

Johannes Odendahl
"Die geheimste und stärkste Anziehungskraft."
Rückschlüsse aus Untersuchungen zur Rezeption von Musik auf Literarizität und literarisches Verstehen 71

Literarizität in der empirischen Literaturdidaktik

Volker Frederking, Jörn Brüggemann, Christian Albrecht, Sofie Henschel, Dietmar Gölitz
Emotionale Facetten literarischen Verstehens und ästhetischer Erfahrung.
Empirische Befunde literaturdidaktischer Grundlagen- und Anwendungsforschung 87

Wiebke Dannecker
"Jeder liest nicht gleich zwischen den Zeilen".
Literarizität als sprachlich, kulturell und sozial situierte Textaneignung 133

Christian Dawidowski
Literarizität und literarische Bildung im Literaturunterricht:
Eine empirische Annäherung 155

Andrea Bertschi-Kaufmann & Tanja Graber
Jugendlektüre und literarische Urteilsbildung 169

Literarizität in der (hoch-)schulischen Vermittlung

Kaspar H. Spinner
Empathie beim literarischen Lesen und ihre Bedeutung für einen bildungsorientierten Literaturunterricht 187

Simon Jander
"Aber was hat das mit der Seele zu tun?"
Heuristisch-assoziatives Schreiben als Technik zur Erschließung von Literarizität im Literaturunterricht – am Beispiel des romantischen Aphorismus 201

Michael Dobstadt & Renate Riedner
Eine 'Didaktik der Literarizität' für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache 215

Christian Schäfer
Literarizität im Deutschunterricht an berufsbildenden Schulen – nur eine Verlustanzeige? 237

Peggy Fiebich
Literarische Bildung und Vernunftbildung 259

Die Autorinnen und Autoren 275