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Der gekreuzigte Gott Das Kreuz Christi als Grund und Kritik christlicher Theologie
Der gekreuzigte Gott
Das Kreuz Christi als Grund und Kritik christlicher Theologie




Jürgen Moltmann

Gütersloher Verlagshaus
EAN: 9783579050164 (ISBN: 3-579-05016-8)
320 Seiten, kartoniert, 15 x 23cm, 2002, 7. Auflage 2002

EUR 39,95
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Das Kreuz wird nicht geliebt und kann nicht geliebt werden. Und doch verschafft nur der Gekreuzigte jene Freiheit, die die Welt verändert, weil sie den Tod nicht mehr fürchtet. Der Gekreuzigte galt in seiner Zeit als Ärgernis und Torheit. Auch heute ist es unzeitgemäß, ihn in den Mittelpunkt des christlichen Glaubens und der Theologie zu stellen. Gerade heute kommt es aber darauf an, daß sich Kirche und Theologie auf den gekreuzigten Christus besinnen , um der Welt seine Freiheit zu zeigen, wenn sie werden wollen, was sie zu sein behaupten: nämlich die Kirche Christi und christliche Theologie.



Wer Hilfen zur Reflexion und Artikulation seines Glaubens sucht: Hier wird er sie in reichem Maße finden. Ein Buch nicht nur für diejenigen, die an Fragen der Wissenschaft interessiert sind.



Jürgen Moltmann geboren 1926, Dr. theol., war von 1967 bis 1994 Professor für Systematische Theologie an der Universität Tübingen.
Rezension
"Wir aber predigen den gekreuzigten Christus" (I Kor 1,23) - die Rede über das Kreuz Christi ist Mitte jeder christlichen Predigt. Dieser Vers des Paulus kann dem Buch Moltmanns gleichsam als Motto zugeordnet werden. Auch bei Luther erhält die Theologie des Kreuzes besonderes Gewicht: "im gekreuzigten Christus sind wahre Theologie und Gotteserkenntnis" (Heidelberger Disputation 1518, Übersetzung G.S.). Insofern reiht sich diese Arbeit (Erstveröffentlichung 1972) des reformierten Theologen Moltmanns in die Lutherische Linie ein und hat - wie auch schon seine "Theologie der Hoffnung" - eine lebhafte theologische Diskussion ausgelöst (vgl. z.B. das Buch von Michael Welker: "Diskussionen über Jürgen Moltmanns Buch 'der gekreuzigte Gott'" [1979]).

Im 1. Kapitel fragt Moltmann, inwieweit die Reflexion auf das Kreuz zu einer Klärung von Identität und Relevanz des Christlichen führt. Ihre Identität findet die christliche Theologie und Existenz im Kreuz Christi und in der Identifizierung mit dem Gekreuzigten. Ihre Relevanz dagegen findet sie "in der durchdachten und praktizierten Hoffnung auf das Reich des Gekreuzigten, indem sie an den 'Leiden der Zeit' leidet und den Schrei der gequälten Kreatur zu ihrem eigenen Schrei nach Gott und Freiheit macht" (29). Da dieser Schrei nicht nur im Todesschrei Christi am Kreuz, sondern auch im Leiden der heutigen Gesellschaft vernehmbar wird, "ist Kreuzestheologie eine praktische Theorie" (30).

Die Kapitel 1 bis 3 sind Bestandsaufnahme. Kernstück des Buches sind die drei folgenden Kapitel über die christologischen (4 + 5) und trinitarischen Aspekte (6) einer theologia crucis. Moltmann fragt nach den historischen Gründen des Kreuzestodes Jesu: Jesus wurde verurteilt a) als Gotteslästerer im Konflikt mit dem seinerzeit herrschenden Gesetzesverständnis und b) als Aufrührer im Konflikt mit den politischen Herrschern. Das Entscheidende liegt aber in der Tatsache, dass Jesus c) als ein Gottverlassener stirbt - der Todesschrei Jesu ("Mein Gott, warum hast du mich verlassen", Mk 15,34) ist Ausgangs- und Schwerpunkt von Moltmanns Darstellung: im Kreuz Christi geht gleichsam ein "Riß" durch Gott selbst.

Hierin liegt auch der Ansatz für Moltmanns Betrachtung der Trinitätslehre: "Das Kreuz steht mitten im trinitarischen Sein Gottes, trennt und verbindet die Personen in ihren Beziehungen zueinander und zeigt sie konkret" (192). Moltmann geht es eben um diese Konkretion, mit der er alle Abstraktion und theoretische Spekulation der traditionellen Trinitätslehre überwinden will: "kann man konkret trinitarisch Gott denken, wenn man nicht das Kreuzesgeschehen vor Augen hat?" (223). Das Kreuzesgeschehen ist ein personales Geschehen in der trinitarischen Beziehung zwischen Vater und Sohn (232).

Kreuzestheologie "stellt nicht fest, was ist, sondern ist darauf angelegt, Menschen aus ihren unmenschlichen Definitionen und ihren idolisierten Festlegungen zu befreien, auf die sie sich selbst und auf die die Gesellschaft sie fixiert hat" (74). Das 8. Kapitel ist daher der politischen Theologie im Lichte einer Kreuzestheologie gewidmet: "Was bedeutet die Vergegenwärtigung des gekreuzigten Gottes in den politischen Religionen der Gesellschaft?" (293). Bezieht man Moltmanns andere Veröffentlichungen und sein politisches Engagement mit ein und geht man mit diesen Erwartungen an die beiden letzten Kapitel heran, so wird man jedoch etwas enttäuscht. Oft kann man nur schwer mit der gleichen Selbstverständlichkeit und Deutlichkeit den Sprung aus der Kreuzestheologie in die politische Konkretion mitvollziehen.

So ist letztlich weniger der Bezug auf eine bestimmte (!) Kreuzestheologie überzeugend, als vielmehr die reflektierte Analyse der Wirklichkeit des Menschen im Lichte Christi und seines Kreuzes, an dem Jesus Christus - verlassen und verworfen - zum Heil des Menschen stirbt. "Das Symbol des Kreuzes lädt zum Umdenken ein. So will auch dieses Buch nicht Diskussionen dogmatisch abschließen, sondern wie ein Symbol zum Denken und zum Umdenken einladen" (11). "Der Gekreuzigte Gott" enthält ein kühnes theologisches Programm. Damit eröffnet es eine anregende Perspektive, die ungeachtet mancher Fragezeichen überaus inspirierend wirkt.

Gerhard Schreiber, Mitarbeiter für lehrerbibliothek.de



Inhaltsverzeichnis
Inhalt

Zur Verständigung über das Thema ... 7

I. Identität und Relevanz des Glaubens ... 12
1. Die Relevanzkrise des christlichen Lebens ... 12
2. Die Identitätskrise des christlichen Glaubens ... 23
3. Die Offenbarung im Widerspruch und das dialektische Erkennen ... 30

II. Der Widerstand des Kreuzes gegen seine Deutungen ... 34
1. Das unreligiöse Kreuz in der Kirche ... 34
2. Der Kult des Kreuzes ... 44
3. Kreuzesmystik ... 47
4. Kreuzesnachfolge ... 55
5. Theologie des Kreuzes ... 66

III. Die Fragen nach Jesus ... 78
1. Ist Jesus der wahre Gott? ... 84
2. Ist Jesus der wahre Mensch? ... 90
3. "Bist du der Kommende?" ... 95
4. "Wer sagt ihr, daß ich sei?" ... 100

IV. Der geschichtliche Prozeß Jesu ... 105
1. Zur Frage des Ursprungs der Christologie ... 107
2. Der Weg Jesu zum Kreuz ... 119
a) Jesus und das Gesetz: der "Gotteslästerer" ... 121
b) Jesus und die Gewalt: der "Aufrührer" ... 129
c) Jesus und Gott: der "Gottverlassene" ... 138

V. Der eschatologische Prozeß Jesu Christi ... 147
1. Eschatologie und Geschichte ... 147
2. Jesu Auferweckung von den Toten ... 153
3. Die Bedeutung des Kreuzes des auferweckten Christus ... 166
4. Zukunft Gottes im Zeichen des Gekreuzigten ... 174

VI. Der "gekreuzigte Gott" ... 184
1. Der "Tod Gottes" als Ursprung christlicher Theologie? ... 184
2. Theismus und Kreuzestheologie ... 193
3. Kreuzestheologie und Atheismus ... 205
4. Die Zwei-Naturen-Lehre und das Leiden Christi ... 214
5. Trinitarische Kreuzestheologie ... 222
6. Jenseits von Theismus und Atheismus ... 236
7. Jenseits von Gehorsam und Revolte ... 239
8. Trinität und Eschatologie ... 243
9. Die Erfahrung des menschlichen Lebens im Pathos Gottes ... 255
a) Die Apathie Gottes und die Freiheit des Menschen ... 256
b) Das Pathos Gottes und die Sympathie des Menschen ... 259
c) Die Fülle des Lebens in der trinitarischen Geschichte Gottes ... 263

VII. Wege zur psychischen Befreiung des Menschen ... 268
1. Psychologische Hermeneutik der Befreiung ... 268
2. Figuren des theologisch-psychoanalytischen Dialogs ... 271
3. Das Gesetz der Verdrängung ... 275
4. Das Gesetz des Vatermörders ... 281
5. Das Prinzip der Illusion ... 285

VIII. Wege zur politischen Befreiung des Menschen ... 293
1. Politische Hermeneutik der Befreiung ... 293
2. Poltische Religion ... 298
3. Politische Kreuzestheologie ... 301
4. Teufelskreise des Todes ... 306
5. Lebensrichtungen der Befreiung ... 308
6. Die Wandlungen Gottes in den Befreiungen des Menschen ... 312

Namensregister ... 316