lehrerbibliothek.deDatenschutzerklärung
Das stille Kind ist das vergessene Kind  Selektiven Mutismus interdisziplinär überwinden
Das stille Kind ist das vergessene Kind
Selektiven Mutismus interdisziplinär überwinden




Andrea Muchenberger-Gebauer, Franziska Florineth-Baatsch, Nitza Katz-Bernstein

Hogrefe-Verlag
EAN: 9783456863214 (ISBN: 3-456-86321-7)
264 Seiten, paperback, 17 x 23cm, Juni, 2024

EUR 35,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Therapeut*innen der Sprachtherapie-Logopädie und der Psychotherapie stellen in ihrer täglichen Arbeit fest, dass das Störungsbild des selektiven Mutismus immer noch zu wenig bekannt ist oder in seiner Bedeutung für Kinder und Eltern verkannt wird. Das stille, passive und angepasste Verhalten im Unterrichtskontext entspricht nicht dem mitteilsamen, aktiven, oft dominanten Verhalten zu Hause. Das löst große Irritationen aus – auf Seiten der Schule durch das beharrliche Schweigen des Kindes – auf Seiten der Eltern, die ein völlig anderes Kind zu Hause erleben.



Die Autor*innen des Fachbuchs sehen sich in diesem Dreieck und auch in anderen Settings als Mediator*innen für Verständnis und Verstehen dieses Störungsbildes: Neben Fallbeschreibungen präsentieren sie aktuelle Zugänge und innovative Methoden für die Therapie des selektiven Mutismus und geben ihre Erfahrungen und Erkenntnisse aus ihrem Praxisalltag weiter. Nur eine in den Methoden vielfältige, innovative und interdisziplinäre Therapie wird Kinder mit diesem Störungsbild ermutigen, verbal in Intderaktion zu treten.
Rezension
Das Störungsbild des selektiven Mutismus bleibt in der Praxis leider noch zu häufig unerkannt oder wird diagnostisch nicht befriedigend erfasst. Betroffene schweigen oft beharrlich oder ziehen sich zurück. Im Gegensatz dazu zeigt sich zu Hause nicht selten ein komplett konträres Verhalten. Dominantes und mitteilsames, extrovertiertes Verhalten bestimmen dort den Alltag. Dies ist für Lehrerinnen, für Erziehungsberechtige und Betroffene häufig irritierend. Letztere können dieses Verhalten selten rational bzw. verbal beschreiben.

In der Schule fallen mutistische Kinder aktuell noch häufig durchs Raster bzw. werden gar nicht wahrgenommen. Ein Grund hierfür könnte sein, dass der Selektive Mutismus diagnostisch hoch mit der sozialen Angststörung korreliert. Die aktuelle ICD-11 stuft das Störungsbild in die Kategorie der Angststörungen ein, wobei diese Einstufung nicht unumstritten ist. Dagegen spricht sich beispielsweise das „Unsafe-World“ Modell von Melfsen und Kolleg*innen, 2021 aus, dass das Schweigen eher als Stressreaktion und nicht per se als Angst einstuft. Auch Sprachentwicklungsstörungen oder vorhandener Migrationshintergrund müssen vorab abgeklärt werden, um Fehldiagnosen auszuschließen. Ein sorgfältiger Diagnoseprozess ist aufgrund dieser facettenreichen Symptomausprägungen von großer Wichtigkeit.

Im vorliegenden Buch werden nun die wichtigsten Grundlagen und Therapiemöglichkeiten aufgezeigt. Anfangs werden Störungsmodelle vorgestellt, diskutiert und miteinander in Beziehung gesetzt. Im Anschluss daran wird die methodische Vielfalt genauer beleuchtet. Darunter finden sich bekannte Ansätze wie „Ich schaffs“, aber auch Gruppenmethoden oder ein Online-Coaching für involvierte Fachkräfte. Abgerundet wird das Werk mit Fallbeispielen aus der Praxis und dem Schulalltag. Hier werden Aspekte wie Mehrsprachigkeit, Migration oder auch die Besonderheiten im Schulsetting aufgezeigt. Hilfreich sind auch die Arbeitsmaterialen, die auf der Webseite des Herausgebers zu finden sind. Ein wichtiges und wertvolles Buch, das aufgrund seines interdisziplinären Ansatzes eine Inspiration über alle Professionen hinweg darstellt.

F. Düring, lbib.de
Verlagsinfo
Die Autor*innen des Fachbuchs „Das stille Kind ist das vergessene Kind“ präsentieren innovative Methoden und Ansätze zur Therapie des selektiven Mutismus, die neben aktuellen Erkenntnissen und Aspekten auf aktuellen Daten aus einer Befragung von Betroffenen, Angehörigen, Lehrpersonen und Therapeutinnen basieren.

Dieses Buch richtet sich an: Logopäd*innen, Sprach- und Sprechtherapeut*innen, Ärzt*innen, Erzieher*innen, Lehrkräfte und Heilpädagog*innen.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Dank 9
Vorwort 11
Teil 1: Grundlagen, Erkenntnisse und wichtige Aspekte 15
1 Definition und relevante Aspekte 17
Franziska Florineth-Baatsch, Nitza Katz-Bernstein, Andrea Muchenberger-Gebauer
1.1 Auswirkungen auf Partizipation sowie Schweregradbeurteilung 18
1.2 Ausschluss- und Differentialdiagnosen, Komorbiditäten und Risikofaktoren 19
1.3 Screening und Diagnostik 20
1.4 Bedeutung der Interdisziplinarität in der Therapie 20
2 „Safe Place“ und „Unsafe-World“-Modell als Grundlagen 23
Nitza Katz-Bernstein
2.1 Der therapeutische Raum als „Safe Place“ 25
Nitza Katz-Bernstein
2.2 Das „Unsafe-World“-Modell als Verständnisgrundlage 26
Siebke Melfsen, Susanne Walitza
2.2.1 Das „Unsafe-World“-Modell 27
2.2.2 Wissenschaftliche Befunde zum „Unsafe-World“-Modell 30
2.2.3 Therapeutische Implikationen 30
3 Beratung und Supervision 35
Nitza Katz-Bernstein
3.1 Begleitung und Beratung der Eltern 35
3.2 Besonderheiten in der Supervision für Fachpersonen 39
4 Wirkfaktoren 45
Franziska Florineth-Baatsch
4.1 Theorie der Wirkfaktoren 45
4.1.1 Wirkfaktoren in der Psychotherapie 45
4.1.2 Wirkfaktoren in der Kinder- und Jugendpsychotherapie 46
4.1.3 Wirkfaktoren in Logopädie, Pädagogik, Coaching und Beratung 47
4.1.4 Fazit 47
4.2 Viele Wege führen aus dem Schweigen – Eine Befragung 48
4.2.1 Befragung zu den Wirkfaktoren 48
4.2.2 Fazit – wichtige Erkenntnisse 63
Teil 2: Methodenvielfalt – Vielfalt als Methode: ein Gamechanger? 69
5 Die große Bedeutung der methodischen Vielfalt 71
Nitza Katz-Bernstein, Franziska Florineth-Baatsch, Andrea Muchenberger-Gebauer
5.1 Allen eine Stimme geben – alle Stimmen hören 73
Thomas Duttwiler, Andrea Muchenberger-Gebauer;
Illustrationen: Madleina Jorina Muchenberger
5.1.1 Unser Verständnis von selektivem Mutismus 73
5.1.2 Eine kleine Geschichte der Soziokratie 75
5.1.3 Ablauf in Phasen 76
5.2 „Ich schaff’s“ – ein lösungsfokussierter Ansatz 86
Andrea Muchenberger-Gebauer in Zusammenarbeit mit Ben Furman
5.2.1 Die 15 Schritte 89
5.2.2 Ergebnisse aus der Forschung 91
5.2.3 Interview mit Ben Furman 92
Andrea Muchenberger-Gebauer
5.3 Gruppentherapie mit selektiv mutistischen Kindern 98
Babette Bürgi Wirth, Nina Frunz, Katharina Keller
5.3.1 Theoretischer Zugang – Einblick in bisherige Veröffentlichungen 98
5.3.2 Therapeutischer Zugang und Interventionsebenen 101
5.3.3 Organisation und Durchführung 105
5.3.4 Fazit 110
5.4 Online-Coaching für pädagogische und therapeutische Fachkräfte 113
Franziska Florineth-Baatsch
5.4.1 Rahmen des Online-Coachings 113
5.4.2 Amilas Entwicklung bis zum Coachingstart 114
5.4.3 Start des Online-Coachings – Befähigung im Team aufbauen 117
5.4.4 Prozess der Zwillingsschwestern Uma und Kala 121
5.4.5 Befragung zum Nutzen des Online-Coachings 124
5.4.6 Wichtige Voraussetzungen und Erfolgsfaktoren 130
5.4.7 Betrachtungen aus der Metaebene 131
Teil 3: Kasuistik des selektiven Mutismus 135
6 Mutismus in der Schule 137
Franziska Florineth-Baatsch, Andrea Muchenberger-Gebauer
6.1 Elif: Nur Mut – deine Stimme zählt! 141
Salome Wyss
6.1.1 Die Kindergartenzeit 141
6.1.2 Die Einschulung 142
6.1.3 Vom kleinen Kätzchen zur mutigen Löwin 144
6.1.4 Vom Therapiezimmer der Logopädie ins Klassenzimmer 146
6.1.5 Das Schattentheater und der Verlust von Vertrautem 147
6.1.6 Reflexion 148
6.2 Leo: Gemeinsam aus dem Schweigen 149
Imelda Jeker
6.2.1 Vorgeschichte und erste diagnostische Erhebungen 149
6.2.2 Prüfen verschiedener Unterstützungsangebote 151
6.2.3 Dialogische Geräusche 152
6.2.4 Einsatz der Flüstersprache 153
6.2.5 Über das Räuberflüstern zur Sprechstimme 155
6.2.6 Reflexion und Fazit 157
6.3 Fabiana: lebenslustig, eigenwillig, fantasievoll, mutistisch 159
6.3.1 Die Sicht der Mutter: „Unser Kind doch nicht!“ 159
Danielle Cadruvi (Pseudonym)
6.3.2 Die Sicht der Psychotherapeutin: Intensives Coaching der Lehrenden 167
Franziska Florineth-Baatsch
6.3.2.1 Erstes Jahr der Therapie: Übergang vom Kindergarten in die erste Klasse 168
6.3.2.2 Zweites Jahr der Therapie: Übungen in Therapie und Schule
intensivieren 173
6.3.2.3 Drittes Jahr der Therapie: In Riesenschritten zum Durchbruch 178
6.3.3 Reflexion 183
7 Mutismus, Mehrsprachigkeit und Interkulturalität 185
Nitza Katz-Bernstein
7.1 Grundlage: Entwicklungs psychologie 185
7.2 Mehrkulturelle Identität 186
8 Fallgeschichten 189
8.1 Yasmina: verstummt zwischen zwei Kulturen 189
Babette Bürgi Wirth
8.1.1 Therapiephase 1: Erste Interventionen in Schule und Therapie 192
8.1.2 Therapiephase 2: Stimme der Therapeutin preisgeben 193
8.1.3 Therapiephase 3: Vom Einwortsatz zum freien Plaudern 194
8.1.4 Therapiephase 4: Das Sprechen in die Schule bringen 195
8.1.5 Therapiephase 5: Das Sprechen im Schulzimmer konsolidieren 197
8.1.6 Therapiephase 6: Soziale Kompetenzen in der Gruppentherapie
aufbauen 199
8.1.7 Fazit 199
8.2 Lea: „Ja, man darf auch schweigen!“ 200
Esther Marnelaki
8.2.1 Die Sicht der Logopädin 200
8.2.2 Die Sicht der Mutter 206
8.3 Florin Heisenberg: Therapiebericht, Rückblick und Interview 208
Andrea Muchenberger-Gebauer
8.3.1 Kindergarten und Schule 208
8.3.2 Sprachheilschule und Internat 210
8.3.3 Logopädische Therapie 211
8.3.4 Transfer der Therapieinhalte in den Alltag 213
8.3.5 Wechsel in die Realschule 216
8.3.6 Ein retrospektiver Blick aus der Metaebene 220
8.4 Tilda Niemeyer: Die Geschichte einer heutigen Hochschuldozentin 221
Andrea Muchenberger-Gebauer
8.4.1 Die Zeit im Kindergarten und die Erkenntnis: „Ich bin anders!“ 221
8.4.2 Die Schulzeit: facettenreich 222
8.4.3 Die größte Hürde – Das Ende der Schulzeit 225
8.4.4 Ein Blick aus der Metaebene – Erkenntnisse für die Praxis 232
8.5 Ali Samadi: Das Schweigen akzeptieren 233
Ali Samadi (Pseudonym)
9 Fazit, Forschungsfragen, Ausblick 237
Franziska Florineth-Baatsch, Nitza Katz-Bernstein, Andrea Muchenberger-Gebauer
9.1 Beziehung als wichtigster (Wirk-)Faktor 238
9.2 Forschungsfragen 238
10 Abschließende Betrachtungen 243
Anhang: Fragebogen 245
Fragebogen Lehrende 245
Fragebogen Fachpersonen 246
Fragebogen Eltern 246
Fragebogen ehemals Betroffene 247
Sachwortverzeichnis 249
Autor*innen 259
Hinweise zu Zusatzmaterialien 261