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Das antike Christentum Frömmigkeit, Lebensformen, Institutionen
Das antike Christentum
Frömmigkeit, Lebensformen, Institutionen




Christoph Markschies

Verlag C. H. Beck oHG
EAN: 9783406541087 (ISBN: 3-406-54108-9)
271 Seiten, paperback, 12 x 19cm, 2006, 10 Abb. und 1 Karte

EUR 12,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Der bekannte Kirchenhistoriker Christoph Markschies verortet in seinem Standardwerk das Christentum in der antiken Religionsgeschichte und kommt so zu neuen und überraschenden Antworten auf die Frage, warum sich das Christentum im römischen Reich so erfolgreich durchsetzen konnte.



«Markschies versäumt es nicht, auf die früh angelegten Widersprüche im Universum des christlichen Glaubens hinzuweisen... Die Gleichheit aller Christen hier, eine hierarchische Kirchenstruktur dort: In diesen Kategorien wird noch heute gestritten.» Frankfurter Allgemeine Zeitung



«Ein gelungenes Beispiel, wie theologische Wissenschaft ... auch für den interessierten Laien anregend sein kann.» Geist und Leben



«Es lohnt sich sehr, diese äußerst lebendig und anschaulich geschriebene Darstellung des frühen Christentums genauer zu studieren und die in ihr liegenden Anregungen und Anstöße weiter zu diskutieren.» Theologische Literaturzeitung
Rezension
Am antiken Christentum scheiden sich die Geister: die einen glorifizieren und idealisieren es als noch unbeflecktes Urchristentum ganz nah am Herrn und ohne Konflikte, die anderen empfinden es als uns heutigen völlig fremd und weltenfern ... Das antike Christentum ist zugleich wesentlicher Bestandteil kirchengeschichtlichen Unterrichts, im Protestantismus auf ähnlich bedeutsamer Stufe wie das Reformationszeitalter, - für den kirchengeschichtlichen Religionsunterricht mithin ein bedeutsames Thema. Dem Autor gelingt eine lebendige und anschauliche Darstellung der uns nicht selten so fremden Epoche, - und sie gelingt ihm in einer auch für Laien verständlichen Weise. Erfreulich ist die überall durchschimmernde religionswissenschaftliche Perspektive, die manche theologische Vereingung vermeidet.

Jens Walter, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
„Ein gelungenes Beispiel, wie theologische Wissenschaft … auch für den interessierten Laien anregend sein kann.“
Geist und Leben

In seinem vielgerühmten Standardwerk bietet der international renommierte Kirchenhistoriker Christoph Markschies einen kompakten Überblick über die Verbreitung des Christentums und die wichtigsten Zentren und Epochen. Er schildert den Alltag und die Frömmigkeit antiker Christen von ihrer Geburt über Bekehrung und Taufe bis zum Tod, beschreibt Lebensformen wie Ehe und Familie, Askese und Mönchtum und erklärt die Besonderheiten der christlichen Gemeinschaften.

„Es lohnt sich sehr, diese äußerst lebendig und anschaulich geschriebene Darstellung des frühen Christentums genauer zu studieren und die in ihr liegenden Anregungen und Anstöße weiter zu diskutieren.“
Theologische Literaturzeitung

Christoph Markschies ist Professor für Ältere Kirchengeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin und Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Er wurde mit zahlreichen Preisen, u.a. dem Leibniz-Preis (2001), ausgezeichnet. Bei C.H.Beck liegt vor: Die Gnosis (2001).
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Danksagung

DAS ANTIKE CHRISTENTUM – RAUM UND ZEIT
Der geographische Raum der antiken Christentumsgeschichte – seine Prägung und Erschließung
Die Zeit: Gliederung und Abriß der Epoche

DAS INDIVIDUUM
Die Bekehrung zum Christentum
Geburt, Taufe und Tod
Das christliche Leben und seine Frömmigkeit
Der Umgang mit der Bibel
Gebet und Gottesdienstfrömmigkeit
Engel-, Heiligen- und Märtyrerverehrung; die Wallfahrt
Sonstige Ausdrucksgestalten der Frömmigkeit
Das Alltagsleben

LEBENSFORMEN
Ehe und Familie
Askese und Mönchtum

DIE GEMEINSCHAFT
Das Gemeindeleben
Übergemeindliche Strukturen und Kommunikationsformen
Die kirchlichen Ämter

SCHLUSS

ANHANG
Abkürzungen
Anmerkungen


Leseprobe:

DAS ANTIKE CHRISTENTUM – RAUM UND ZEIT

Der geographische Raum der antiken Christentumsgeschichte seine Prägung und Erschließung

Der geographische Schauplatz der antiken Christentumsgeschichte war für lange Jahre fast ausschließlich mit dem römischen Kaiserreich, dann mit dessen Nachfolgestaaten identisch. Nur ganz partiell sind die Nachbarreiche – etwa Persien – betroffen gewesen, und im Unterschied zum europäischen Mittelalter betrieb die christliche Kirche auch kaum Mission außerhalb der Reichsgrenze. Weltmission hieß hier, die Grenzen des imperium Romanum, des römischen Reiches, erreicht zu haben. Darin darf man kein christliches Spezifikum sehen – im Gegenteil: Die Christengemeinde zeigte sich in dieser Beschränkung als Glied einer antiken Welt, die neben dem imperium meist nur noch ein Barbaren- oder Ödland kannte. Imperium war «oikoumene», die ganze bewohnte Welt. Orbis terrarum, Erdkreis, wurde mit orbis Romanus identifiziert. Wo – wie zum Beispiel in Trier – in der Wandelhalle einer Ausbildungseinrichtung eine Weltkarte an die Wand gemalt war,konnte der Betrachter diese Identifikation auch nachvollziehen. Wer in der Hauptstadt Rom vor dem Mausoleum des 14 n. Chr. verstorbenen Kaisers Augustus stand und dort (oder an irgendeiner der anderen Stellen im Reich, wo er angebracht war) den Tatenbericht las, den der imperator kurz vor seinem Tode abgefaßt hatte, wurde bereits in der Überschrift jenes Textes an diese Vorstellungen erinnert: «[Bericht] der Taten des göttlichen Augustus, durch die er den Erdkreis der Befehlsgewalt des römischen Volkes unterwarf». Dank entsprechender Bemühungen des Augustus, so signalisierte bereits der Titel dieses – nach der besten erhaltenen Kopie im türkischen Ankara auch monumentum Ancyranum genannten – Textes, umfasste das imperium nun die ganze bewohnte Welt, die «oikoumene». Die christliche Kirche hat, solange das römische Kaiserreich bestand, nur äußerst selten mit dieser Ideologie gebrochen und ihre Botschaft außerhalb der Staatsgrenzen verkündigt.
Aber der geographische Raum der Geschichte der antiken Christenheit ist trotzdem nicht einfach mit dem des römischen Kaiserreiches identisch; sein ideelles Zentrum liegt anderswo, und das verschiebt in jeder Hinsicht die Gewichte. Kern und Metropole des paganen Reiches bildete bekanntlich das geographisch vergleichsweise zentral gelegene Rom – als urbs die Stadt schlechthin, andere Städte hießen oppidum, um den kategorialen Abstand deutlich zu machen. Auf Rom war das imperium in jeder Hinsicht zentriert, daneben bestanden nur noch wenige weitere Großstädte wie Alexandria oder Antiochia. Diese Städte waren wegen ihrer teils monströsen Zusammenballung ohne ihr Umland nicht lebensfähig. Neben der Hauptstadt waren viele andere Metropolen (wie beispielsweise Antiochien, Athen und Ephesus) auf Lebensmittelimporte angewiesen, die in den Händen von privaten, allerdings staatlich kontrollierten Geschäftsleuten lagen.
Das Christentum entstand aber gerade nicht dort, in Rom oder im Schmelztiegel der Kulturen, den die anderen größeren Städte bildeten. Es begann seinen Siegeszug durch die antike Welt vielmehr von einigen kleinen Dörfchen im nördlichen Palästina aus. Man kann noch heute den Wirkungsraum Jesu von Nazareth am Nordufer des Sees Genezareth an einem Nachmittag bequem ablaufen: Vier Kilometer Wegstrecke sind es von Kapernaum, seiner Heimat (Mt 9,1), nach Chorazin, wo er viele Wunder gewirkt hat, etwas über fünf Kilometer liegen zwischen Kapernaum und Bethsaida, wo Petrus herstammte.2 Städte am See meidet Jesus, Wirkungsorte dieses einfachen Handwerkersohnes ohne theologische Ausbildung sind die galiläischen Dörfer. Und so nimmt es nicht wunder, wenn ein gebildeter Heide wie der römische Kaiser Julian die Nachfolgerinnen und Nachfolger Jesu an ihre schlichten Ursprünge erinnert und durchgängig «Galiläer» nennt. Ein paar Heilungen in solchen Dörfchen – so der Herrscher polemisch – könne man kaum als große Taten bezeichnen.Bedeutsamer noch als diese kleinen Örtlichkeiten, die für die reichsweite Christenheit schon bald weniger wichtig geworden sind und erst seit dem vierten Jahrhundert wieder in größerem Umfang von Pilgern besucht worden sind, wurde Jerusalem.
Diese aus der Perspektive eines gebildeten Römers fernab an der Peripherie des Reiches in einer relativ jungen und unruhigen Provinz gelegene jüdische Hauptstadt wurde zum Sitz der ersten größeren Gemeinde, die sich nach der Hinrichtung Jesu im Jahr 30 n. Chr. bildete. Das Neue Testament berichtet, wie die verstörten Anhänger durch Erscheinungen des Auferweckten erneut gesammelt wurden und ihn als Messias (Maschiach, griechisch «christos») bzw. Herr (griechisch «kyrios») bekannten (z. B. Lk 24,13–34). Schnell dominierten Verwandte Jesu diese Gruppe, und man erwartete getreu den biblischen Verheißungen seine baldige Wiederkunft auf dem Zionshügel mitten in Jerusalem (so auch Paulus, Röm 11,26 f.). In den ersten Jahren der Geschichte des Christentums bildet Jerusalem nicht nur den ideellen, sondern auch den geographischen Mittelpunkt dieser jungen Gemeinschaft. Paulus trägt das Evangelium «von Jerusalem aus» (Röm 15,19) in die ganze bewohnte Welt und sammelt unter denjenigen Gliedern seiner Missionsgemeinden, die nicht aus dem Judentum stammen (sogenannte «Heidenchristen »), eine Kollekte «für die Armen unter den Heiligen in Jerusalem». Erst als Jerusalem im Zusammenhang mit zwei jüdischen Aufständen 70 und 132–135 n. Chr. durch römische Truppen gründlich zerstört und Juden das Betreten der als Aelia Capitolina wiederaufgebauten Stadt untersagt worden war, ging die reale Bedeutung dieses ideellen Zentrums der Christenheit zeitweilig sehr stark zurück. Trotzdem hielt man in vielen Kreisen weiter daran fest, daß die endzeitliche Wiederkunft Christi auf dem Zion in Jerusalem zu erwarten sei. So erklärt der ursprünglich aus dem heutigen Nablus stammende, dann aber in Rom lehrende Justinus um die Mitte des zweiten Jahrhunderts seinem jüdischen Gesprächspartner, Jesus werde an demselben Ort wieder herrlich erscheinen, wo er einst durch seine äußerst schmachvolle Hinrichtung entehrt worden sei.
Jerusalem als Zentrum der frühen Christenheit wurde nach seiner Zerstörung im Jahr 70 n. Chr. durch eine Reihe anderer Zentren abgelöst. Bezeichnenderweise befinden sich darunter diejenigen drei Orte, die wir – etwas anachronistisch – als antike «Großstädte» bezeichnen: Antiochia, Rom und Alexandria. Daneben spielen die zum Teil von Paulus auf seinen Missionsreisen gegründeten Gemeinden im dichtbesiedelten Zentrum der Provinz Asia (beispielsweise Ephesus, aber auch Smyrna) eine gewisse Rolle und gegen Ende des zweiten Jahrhunderts dann auch die Provinzialhauptstadt der Africa proconsularis, Karthago. Das Christentum hatte sich im Laufe von nur einer Generation aus einer ursprünglich im dörflichen Raum beheimateten Bewegung innerhalb der jüdischen Religion in eine zuallererst städtisch geprägte eigene Religion verwandelt. Diese recht drastische Änderung des Charakters dieser Gemeinschaft bildet ein erstes und frühes Phänomen der Akkulturation und hängt ohne Zweifel stark – wenn auch nicht ausschließlich – mit dem Wirken des im kleinasiatischen Tarsus geborenen Missionars Scha’ul (Saul) zusammen. Der besser unter seinem lateinischen Beinamen Paulus bekannte Theologe trug die christliche Botschaft auf drei Missionsreisen in sehr viele Orte im östlichen Mittelmeerraum, an der Ägais und in Kleinasien: nach Zypern, in die südkleinasiatischen Landschaften Lykien und Pamphylien, ins mittelkleinasiatische Galatien und an die kleinasiatische Küste nach Ephesus und Milet. Er wandte sich mit seiner Predigt zunächst an die jüdischen Synagogengemeinden und bevorzugte wohl schon aus reisetechnischen Gründen eher die Städte, in denen sich solche Gemeinden fanden. Während sein Aufenthalt in Athen offenbar keine großen Wirkungen zeitigte, hinterließ er an der kleinasiatischen Westküste, in Korinth und an der makedonischen Küste (Thessaloniki, Philippi) blühende christliche Gemeinden, nachdem er in der Regel relativ schnell aus der Synagoge herausgeworfen worden war. In Rom traf er dann auf dem Wege zu seinem Prozeß etwa in den Jahren 60/61 n. Chr. auf eine schon existierende Gemeinde, in der er vielleicht noch eine Weile gelebt und gelehrt hat (nach Apg 28,30 mindestens zwei Jahre in einem städtischen Mietshaus), bevor er in Rom hingerichtet wurde. Die ganze paulinische Missionspraxis zeigt, wie römisch dieser kleinasiatische Jude dachte, der das begehrte Bürgerrecht also keineswegs nur als ein äußerliches Rechtsinstitut verwendete: Schon vor seiner letzten Reise richtete er seine Aufmerksamkeit auf die römische Gemeinde (Röm 1,10) und wollte bis in das lateinischsprachige Spanien missionieren. Das parthisch-persische Grenzgebiet, die nördlicheren Regionen der germanischen oder dalmatischen Provinzen interessierten ihn nicht; Alexandria, eine Konkurrentin, ja gelegentliche Feindin Roms, ließ er ebenfalls links liegen. Und trotzdem scheint es in dieser großen Bildungsmetropole, ebenso wie in Rom, schon Anfang des zweiten Jahrhunderts Christen gegeben zu haben – in beiden Fällen sind die Gemeindegründer nicht mehr namentlich bekannt. Aber an beiden Orten bestanden große jüdische Gemeinden, die intensiven Kontakt mit dem Mutterland und insbesondere dem Tempel in Jerusalem pflegten; über solche Kontakte dürfte sich das Christentum in beiden Städten ausgebreitet haben. So wie sich der geographische Rahmen des Christentums durch seine Verwurzelung in den großen Metropolen veränderte, wandelte sich auch die Gestalt dieser Religion: Sie partizipierte nun am kulturellen Klima dieser Städte, an deren Bildungsniveau und -einrichtungen, aber natürlich auch an der im Vergleich zu nordgaliläischen Dörfern breiteren sozialen Schichtung.

S. 7 - 15; Copyright Verlag C.H.Beck oHG