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Ausgebremst
Warum das Recht auf Bildung nicht für alle gilt
Katja Urbatsch
Random House
, Heyne
EAN: 9783453602144 (ISBN: 3-453-60214-5)
224 Seiten, paperback, 14 x 21cm, 2011, Klappenbroschur
EUR 11,99 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Die Wahrscheinlichkeit, ob ein Kind studieren wird, lässt sich am Bildungsstand der Eltern ablesen. Aktuelle Zahlen belegen: von 100 Akademikerkindern nehmen 71 ein Hochschulstudium auf-von 100 Kindern nicht-akademischer Herkunft studieren lediglich 24. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Grundschullehrer empfehlen Kindern aus bildungsfernen Familien eher die Haupt- oder Realschule, Studien- und Berufsberater raten von einem Studium ab, statt Wege aufzuzeigen, oder Eltern sind gegen den Besuch eines Gymnasiums oder ein Studium ihres Kindes. Die Hürden und Stolpersteine beschreibt Katja Urbatsch anhand ihrer eigenen Erfahrung und der zahlreicher anderer Biografien und belegt damit eindrücklich, dass die Bildungschancen überwiegend von der sozialen Herkunft des Einzelnen abhängen.
Katja Urbatsch
Als erste Akademikerin in ihrer Familie ist Katja Urbatsch mit den Problemen von Kindern aus hochschulfernen Familien vertraut und hat daher 2008 das Netzwerk ArbeiterKind.de zur Förderung des Hochschulstudiums von Nicht-Akademikerkindern gegründet, mit dem sie bundesweit für Furore sorgte und für das sie bereits zahlreiche Auszeichnungen erhalten hat. Neben ihrem Engagement für ArbeiterKind.de promoviert Katja Urbatsch zurzeit in Gießen über amerikanische Literatur.
Rezension
Die Statistiken sprechen eine deutliche Sprache. Von 100 Akademikerkindern nehmen 71 ein Hochschulstudium auf. Von 100 Kindern nicht-akademischer Herkunft studieren lediglich 24. Die Gründe hierfür sind vielfältig: von Grundschullehrern, die „Arbeiterkindern" eher vom Gymnasium abraten bis hin zu den Eltern, die den Besuch eines Gymnasiums oder ein Studium ihres Kindes nicht wollen. Katja Urbatsch weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig es ist, als Kind von NichtAkademikern ein Studium aufzunehmen. Sie war selbst die erste, die in ihrer Familie studiert hat und kennt die vielfältigen Ursachen, die dieser sozialen Schieflage zugrunde liegen. Um diesem Ungleichgewicht zu begegnen, hat Katja Urbatsch 2008 das erfolgreiche Netzwerk ArbeiterKind.de gegründet, das unter anderem vom Bundesbildungsministerium gefördert wird und für das sie bereits mehrfach ausgezeichnet wurde. Die Initiative zielt darauf ab, das vorhandene Informationsdefizit zu beheben und Schüler aus nicht-akademischen Haushalten zur Aufnahme eines Studiums zu ermutigen und währenddessen bestmöglich zu unterstützen. Die Initiative leistet mittlerweile einen wichtigen Beitrag dazu, dass die Bildungsperspektiven von Kindern nicht mehr in so hohem Maße vom sozialen Hintergrund abhängen.
Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Alle Menschen sind gleich. Aber manche sind gleicher
Gleiches Recht auf gleiche Bildungschancen? Weit gefehlt! An den Hochschulen studieren überwiegend Akademikerkinder. Diese soziale Schieflage beginnt bereits im Grundschulalter mit der Empfehlung der Lehrer für die richtige Schulform. Das zeigt: In den Köpfen muss sich etwas ändern. Denn nach wie vor ist die Überzeugung weit verbreitet, dass die Herkunft über unser Potenzial bestimmt. Die Autorin weiß, wovon sie spricht: Sie studierte selbst als erste in ihrer Familie. Anhand ihrer eigenen Erfahrung und zahlreicher anderer Biografien beschreibt sie die Bildungshürden, mit denen Kinder aus Familien ohne akademischen Hintergrund konfrontiert sind. – Ein Buch mit gesellschaftlicher Sprengkraft!
„Katja Urbatsch hat mehr für die Bildungsgerechtigkeit erreicht als zehn Jahre Pisa-Diskussion." (Zeit Campus)
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 7
Einleitung 12
»Ohne Hilfe kannst du es nicht schaffen.«
Wie Herkunft über die Schulempfehlung bestimmt 27
»Man kommt gar nicht auf die Idee, dass man weitermachen könnte.«
Warum es so schwierig ist, die einmal gewählte Schulform zu wechseln 51
»Mach mal lieber ’ne Ausbildung und verdien Geld, ist sicherer.«
Was Nicht-Akademikerkinder vom Studium abhält 91
»Dann müssen Sie halt Ihre Eltern verklagen.«
Der Kampf um die Studienfinanzierung 129
»Zu Hause muss ich mich rechtfertigen und in der Uni fühle ich mich verloren.«
Wie sich Nicht-Akademikerkinder zwischen zwei Welten bewegen 158
»Ich gehöre immer noch nicht dazu.«
Immerwährende Loyalitäts- und Identitätskonflikte, ein Leben lang 187
Ausblick 208
Nachwort 219
Anmerkungen 223
Leseprobe:
Vorwort
Vor etwa zwei Jahren kontaktierte mich eine Literaturagentin
und fragte mich, ob ich schon mal darüber nachgedacht hätte,
ein Buch zu schreiben. Sie war durch ein Zeitungsporträt auf
mich und die von mir gegründete Initiative ArbeiterKind.deaufmerksam
geworden. Ich antwortete mit einem »Nicht wirklich
« und winkte innerlich ab. Ich sah es nicht wirklich als realistische
Option an, ein Buch zu schreiben. Aber dann wurde
ich doch etwas neugierig auf diese Literaturagentin und darauf,
warum sie auf die Idee gekommen war, dass ausgerechnet
ich ein Buch schreiben sollte und auch könnte. Also willigte
ich ein, sie zu treffen – natürlich ganz unverbindlich. Sie erklärte
mir, wie das so funktioniert mit dem Bücherschreiben,
dass man zunächst ein Exposé verfasst und es dann Verlagen
anbietet. Sie zeigte mir einige Beispiele und ich sagte: »Ich
weiß nicht, ob ich das kann. So kann ich doch nicht schreiben!
« »Doch, doch«, sagte sie, »das können Sie, ich helfe Ihnen
dabei, gemeinsam kriegen wir das hin!« Ich konnte mir das
immer noch nicht so recht vorstellen. Schließlich überredete
sie mich, es mit dem Exposé doch einmal zu versuchen – ganz
unverbindlich natürlich. Ich dachte, dass sich für das Projekt
eh kein Verlag fände, wenn sie also meint, es unbedingt versuchen
zu müssen, dann soll sie machen. Sie wird schon sehen,
dass es nicht klappt.
Einige Wochen gingen ins Land, sodass ich annahm, die Sache
würde im Sande verlaufen. Doch meine Literaturagentin
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ließ nicht locker, fragte immer wieder nach, ob ich denn schon
etwas geschrieben hätte. Ich musste mich etwas überwinden,
brachte dann aber doch etwas zu Papier. »Die Qualität wird
niemals ausreichen, die wird ganz schön enttäuscht sein«, grübelte
ich, als ich ihr den ersten Entwurf schickte. »Das ist doch
schon mal sehr gut, da kann man was draus machen!«, lautete
die überraschende Antwort. »Die ist doch verrückt«, dachte
ich, »kein Verlag wird das haben wollen geschweige denn je
veröffentlichen!« Sie überarbeitete mein Exposé noch ein bisschen
und schickte es dann an einige Verlage. Wie ich erwartet
hatte, gab es keine Rückmeldungen. Wir blieben locker in
Kontakt, ich war auch mit dem weiteren Aufbau meiner Initiative
ArbeiterKind.de ausreichend ausgelastet. Nach einigen
Wochen meldete sich meine Agentin wieder und fragte, ob
ich nicht noch eine kurze Leseprobe verfassen wolle, das wäre
zum einen ein schöner Anlass, sich bei den Verlagen noch einmal
zu melden, zum anderen würde deutlich werden, dass ich
es ernst meinte und dass das Buch ein echtes Anliegen sei. Ich
zögerte – zunächst. Denn gerade in dieser Zeit wollten immer
mehr von uns wissen, was Nicht-Akademikerkinder vom Studium
abhält und was ihnen den Weg zum erfolgreichen Studienabschluss
erschwert. Ich bekam auch immer mehr Einladungen
zu Vorträgen und Podiumsdiskussionen. Zudem
wurde auch die Resonanz auf ArbeiterKind.de immer größer,
täglich stieg die Anzahl der Unterstützer und Ehrenamtlichen.
Einige Tage nach dem Anruf meiner Agentin dachte ich
schließlich: »Okay, dann fange ich jetzt halt an, dieses Buch zu
schreiben!« Und als dann noch jemand sagte: »Wer liest schon
ein Buch von Katja Urbatsch?!«, dachte ich: »Jetzt, erst recht!«
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Ich rief meine Literaturagentin daraufhin an, was sie wiederum
ungemein motivierte. Sie ist übrigens auch die erste
Akademikerin in ihrer Familie, sodass ihr die Problematik aus
eigener Erfahrung heraus vertraut ist. Gemeinsam machten
wir uns also auf den Weg, auch wenn ich mir immer noch
nicht vorstellen konnte, dass ich ein Buch schreiben und einen
Verlag finden würde. Meine Literaturagentin trieb mich
an, erste Textproben zu verfassen. Ich war weiterhin skeptisch,
aber motiviert. Plötzlich kam die erste Rückmeldung, das erste
Gespräch, das erste Angebot. Ein kleiner Verlag, aber immerhin
eine Zusage. »Jetzt können wir schon mal sicher sein,
dass du dein Buch schreibst und es veröffentlicht wird«, jubelte
meine Agentin. Ich freute mich, mir war aber auch etwas mulmig
zumute. Aber sie sagte: »Jetzt geht’s erst richtig los, jetzt
wird es doch erst richtig spannend. Pass’ mal auf, da kommen
jetzt noch andere Verlage.« »Na, erst mal abwarten«, dachte
ich und konnte mir das immer noch nicht so recht vorstellen.
Doch sie sollte – wie immer – Recht behalten. Ich fuhr zum
Heyne Verlag nach München und führte ein sehr nettes Gespräch,
das ebenfalls mit einer Zusage endete. Kaum war ich
aus der Tür, rief ich meine Literaturagentin an. Sie war völlig
aus dem Häuschen. »Katja, das wird gut, das wird gut!«, rief sie
ins Telefon. Ich konnte es noch nicht richtig begreifen und bekam
Angst vor meiner eigenen Courage. Ich gab vor, ein Buch
schreiben zu können, obwohl ich weder inhaltlich noch zeitlich
wusste, wie ich das machen sollte. Ich, ein Buch schreiben,
das in wenigen Monaten in den Buchläden stehen würde?
Meine Literaturagentin glaubt daran, dass es gelesen wird,
und bis jetzt hat sie noch immer Recht behalten. Es ist ein
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großer Kraftaufwand, ein Risiko, aber auch eine Chance. Ich
weiß nicht, was passieren wird, aber eigentlich gibt es ja nichts
zu verlieren. Die Bildungschancen für Kinder aus Nicht-Akademikerfamilien
in Deutschland können kaum schlimmer,
sondern nur noch besser werden. Und vielleicht kann ich dazu
einen kleinen Beitrag leisten, etwas mehr Bewusstsein schaffen.
Und ich kann stolz darauf sein, dass ich mein Buchprojekt
schließlich doch noch realisiert habe. Das kann mir niemand
nehmen. Zu verdanken habe ich das meiner Literaturagentin
Marion, die nicht aufgehört hat, an mich zu glauben, mich anzutreiben,
zu motivieren, zu ermutigen und zu unterstützen.
Ohne sie hätte ich es nicht geschafft und auch gar nicht erst
versucht.
Wenn Sie in dem gerade Gelesenen »Buch schreiben« durch
»studieren« ersetzen, wissen Sie, wie es sich für viele anfühlt,
wenn sie die oder der Erste in ihrer Familie sind mit der Chance
zu studieren, die sich schließlich durchringen und sich auf
den abenteuerlichen Weg zum Hochschulabschluss machen.
Sie trauen es sich nicht zu, sie zweifeln, sie können es sich nicht
vorstellen. Leider haben viele von ihnen keine Literaturagentin
oder besser gesagt keine Bildungsagentin. Ich hatte das Glück,
dass ich auf meinem Weg zahlreichen Bildungsagenten begegnet
bin, die mich gefördert haben. Ich möchte an dieser Stelle
allen ganz herzlich dafür danken. Ohne sie wäre ich nicht dort,
wo ich heute bin. Ohne sie hätte ich nicht jetzt schon mehr erreicht,
als ich mir je hätte erträumen können. Daher wünsche
ich allen, insbesondere Kindern mit schlechteren Startbedingungen,
dass sie in Zukunft mindestens einen Bildungsagen11
ten haben, der so sehr an sie glaubt und sie fördert wie meine
Literaturagentin mich. Und ich hoffe, dass ich mit diesem
Buch ein bisschen dazu beitragen und noch mehr Menschen
motivieren kann, dem Vorbild meiner Literaturagentin zu folgen
und Bildungsagenten zu werden, damit mehr Nicht-Akademikerkinder
den Bildungsaufstieg wagen und diesen erfolgreich meistern.
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