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Adornos Kritische Theorie des Subjekts
Jan Weyand
Reihe: Kritische Studien
zu Klampen! Verlag
EAN: 9783866748194 (ISBN: 3-86674-819-1)
223 Seiten, paperback, 15 x 21cm, August, 2021
EUR 30,00 alle Angaben ohne Gewähr
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Rezension
„Dialektik der Aufklärung“(1944), verfasst zusammen mit Max Horkheimer, „Studien zum autoritären Charakter“(engl. 1950, dt. 1973), „Minima Moralia“(1951), „Jargon der Eigentlichkeit“(1964), „Negative Dialektik“(1966), „Ästhetische Theorie“(1970) und „Erziehung zur Mündigkeit“(1971) sind weltweit bekannte Werke des Philosophen und Soziologen Theodor W. Adorno (1903-1969). Die Schriften des Gründungsvaters der älteren Kritischen Theorie erfahren zurzeit eine Renaissance. So werden diese beispielsweise für eine gesellschaftstheoretisch fundierte Medienkritik, für eine ideologiekritische Analyse des digitalen Kapitalismus oder zur Erklärung eines „libertären Autoritarismus“(Amlinger/Nachtwey) reaktualisiert. In diesem Kontext geht es auch um die Anfälligkeit des spätmodernen Subjekts für nationalistische Ideologien, was Adorno auf einen „kollektiven Narzißmus“ zurückführte. Der Philosoph liefert in seinen Schriften unter Bezugnahme auf Theoreme der Psychoanalyse Sigmund Freuds eine psychologische Erklärung für die global verbreitete Empfänglichkeit von Personen für autoritäre Denkmuster in den gesellschaftlichen Zwängen des Spätkapitalismus.
Nachvollziehbar wird Adornos Analyse vor dem Hintergrund des von ihm entwickelten kritischen Subjektbegriffs, der, so behauptet Jan Weyand (*1966) in seiner Dissertation „Adornos Kritische Theorie des Subjekts“, den „Schnittpunkt philosophischer, gesellschaftstheoretischer, psychologischer und pädagogischer Überlegungen“(S. 10) bildet. Die an der Universität Hannover eingereichte Arbeit erschien 2001 in Buchform bei zu Klampen und wurde dort 2021 unverändert wiederaufgelegt. Weyand hat mittlerweile eine Professur für Soziologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg inne - mit dem Schwerpunkt Wissenssoziologie und Antisemitismusforschung. In seiner Monographie aus dem Jahre 2001 kann Weyand überzeugend belegen, dass Adorno von einer Einheit von Gesellschaftstheorie und Gesellschaftskritik ausging und in seiner Sozialphilosophie einen dialektischen Ichbegriff entwickelt hat. Diese These des Soziologen kann unter Heranziehung von veröffentlichten nachgelassenen Vorlesungen Adornos über „Dialektik“, die zum Abfassungszeitpunkt der Dissertation noch nicht publiziert waren, gestützt werden. Ebenfalls erwähnenswert ist, dass Weyand die unterschiedlichen Interpretationen von Adornos Subjekttheorie auf Inkonsistenzen im Werk des Philosophen zurückführen kann.
Die gut verständlich verfasste Dissertation Weyands, welche sich primär an Forscher:innen, Hochschuldozent:innen und Studierende richtet, ist m.E. auch für Philosophielehrkräfte von Interesse. Sie erhalten durch die Monographie fundiertes Fachwissen, um sich in ihrem Unterricht differenziert und problemorientiert mit Adornos Subjekttheorie auseinandersetzen zu können. Aus eigener unterrichtlicher Erfahrung kann bestätigt werden, dass Oberstufenschüler:innen eines Philosophiekurses durch Zitate des Denkers aus seinen Schriften zu tiefsinnigen philosophischen Reflexionen angeregt werden können (vgl. Adornos Gesellschafts- und Medienkritik. In: Zeitschrift für Didaktik der Philosophie und Ethik 43 H. 4/2021, S. 97-111).
Fazit: Die hervorragende Arbeit „Adornos Kritische Theorie des Subjekts“ von Jan Weyand demonstriert, dass es sich zur Aufklärung über die gegenwärtige Gesellschaft lohnt - angesichts der Panökonomisierung der Lebensbereiche - die „Flaschenpost“ der älteren Frankfurter Schule (wieder) zu öffnen.
Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Mit der Orientierung des Denkens vom Sein aufs Subjekt nahm die kopernikanische Wende der modernen Philosophie ihren Ausgang. Ohne Reflexion auf die subjektiven Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis schien fortan kein gesichertes Wissen mehr denkbar. Moderne Philosophie mußte somit immer auch Theorie des Subjekts sein.
Adornos Philosophie steht in dieser modernen Tradition, da auch für sie der Subjektbegriff zentral ist. Aber seine Theorie des Subjekts ist eine kritische. Das Subjekt, das er untersucht, ist nicht primär das der Weltkonstitution, sondern das des Leidens an den blinden gesellschaftlichen Mechanismen, denen es unterworfen ist. Obwohl von Individuen gemacht, wirft sich die Gesellschaft, deren Prinzip die Verwertung des Werts und nicht die Befriedigung der Bedürfnisse der Individuen ist, selber wiederum zu einem Subjekt auf, dessen Zwang die Subjekte verinnerlichen, statt ihn abzuschaffen.
Indem Jan Weyand sich auf Adornos kritische Theorie des Subjekts konzentriert, bringt er die schon seit langem kontrovers diskutierte Frage nach dem Maßstab der Kritik in der kritischen Theorie einer Beantwortung näher.
Autor(en): Jan Weyand, Jan Weyand
Inhaltsverzeichnis
Danksagung 8
Einleitung 9
1 Voraussetzungen eines kritischen Subjektbegriffs 21
1.1 Gesellschaftstheoretische Reflexion der Philosophie 22
1.1.1 Ausgang vom Idealismus 22
1.1.2 Vorrang des Objekts 24
1.1.3 Zum Unterschied von Individuum und Subjekt -
Mehrdeutigkeit des Subjektbegriffs 30
1.2 Gesellschaftliche A rbeit und Herrschaft - Die Genesis
des Subjekts 31
1.2.1 Die Begründung des Fortschritts in der Distanz zur Natur
aus dem Verhältnis Gattung Mensch - äußere Natur 34
1.2.2 Die Begründung des Fortschritts in der Distanz zur Natur
aus gesellschaftlicher Herrschaft 41
1.2.3 Zum Verhältnis der beiden Varianten der Argumentation 43
1.2.4 Modelle für die unterschiedlichen Konsequenzen
aus der doppelten Bestimmung der Genesis des Subjekts 44
1.2.5 Das historische Moment der Argumentation 54
1.3 Begriff der Versöhnung 57
2 Die Begründung eines kritischen Subjektbegriffs
als Zwang zur Produktion von Mehrprodukt 63
2.1 Totalität als universaler Tauschzusammenhang 65
2.2 Totalität als gesellschaftliches Gesamtkapital 69
Zur Begründung eines negativ bestimmten Subjektbegriffs 75
2.3 Tauschverhältnis und Kapitalverhältnis 79
2.4 Historische Momente in der Bestimmung
des gesellschaftlichen Zwangszusammenhangs 83
2.4.1 Veränderung der ökonomischen Struktur? 83
2.4.2 Integration 94
3 Die Verinnerlic hung gesellschaftlicher Herrschaft 101
3.1 Theoriegeschichtliche Voraussetzung: Max Horkheimer
und die Bestimmung des Kitts der Gesellschaft 104
3.1.1 Verhältnis von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen 108
3.1.2 Bedürfnis und Gesellschaftsstruktur 110
3.1.3 Stummer Zwang und physische Gewalt 111
3.2 Systematische Voraussetzung: Der dialektische Begriff des Ichs 113
3.2.1 Die zweifache Bestimmung des Ichs im dialektischen
Begriff des Ichs 117
3.2.2 Die doppelte Bestimmung des Ichs bei Freud
und das Problem der Freiheit im Psychischen 122
3.2.3 Exkurs: Konsequenzen des dialektischen Begriffs des Ichs
für die empirische Forschung - dargestellt
an The Authoritarian Personality 126
3.3 Darstellung und Begründung des verinnerlichten Zwangs 128
3.3.1 Zum Verhältnis von autoritärer Charakterstruktur
und narzißtischer Beschädigung in den Schriften Adornos 130
3.3.2 Freud und das Problem des Narzißmus 132
3.3.3 Die systematische Beziehung von gesellschaftlicher Herrschaft
und ihrer Verinnerlichung: Erpreßter Narzißmus 134
3.4 Historische Momente der inneren Vergesellschaftung -
die These von der zunehmenden Ich-Schwäche 140
3.4.1 Der charakterlose Charakter 140
3.4.2 Darstellung des Widerspruchs bei Adorno 142
3.4.3 Reaktionen in der Sekundärliteratur auf den Widerspruch 145
3.5 Auflösung des Widerspruchs 147
4 Die Wendung aufs Subjekt 151
4.1 Das historische Moment der Wendung aufs Subjekt 151
4.2 Das systematische Moment der Wendung aufs Subjekt 156
Anmerkungen 159
Literaturverzeichnis 211
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