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Schmerzgrenze Vom Ursprung alltäglicher und globaler Gewalt
Schmerzgrenze
Vom Ursprung alltäglicher und globaler Gewalt




Joachim Bauer

Random House , Blessing
EAN: 9783896674371 (ISBN: 3-89667-437-4)
288 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 14 x 22cm, 2011, 7 s/w Abbildungen

EUR 18,95
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Prof. Dr. med. Joachim Bauer lehrt als Universitätsprofessor an der Universität Freiburg. Er ist Arzt für Innere Medizin, Arzt für Psychosomatische Medizin sowie Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Für seine Forschungsarbeiten erhielt er 1996 den renommierten Organon-Preis der Deutschen Gesellschaft für Biologische Psychiatrie. Er veröffentlichte schon zahlreiche Sachbücher, unter anderem "Das Gedächtnis des Körpers. Wie Beziehungen und Lebensstile unsere Gene steuern", "Warum ich fühle, was du fühlst. Intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneurone" sowie "Lob der Schule. Sieben Perspektiven für Schüler, Lehrer und Eltern".
Rezension
Ohne Aggression hätte die Menschheit nicht überleben können. Doch Aggression ist kein „Trieb", wie Sigmund Freud behauptete. Es gibt keine tief in unserer Biologie verborgene „Macht des Bösen", die für Amokläufe an Schulen, Überfälle in der S-Bahn, für ethnische Konflikte und Kriege verantwortlich gemacht werden könnte. Erkenntnisse der modernen Neurobiologie machen es möglich, sich von der mythologisierenden Sichtweise der Gewalt zu verabschieden: Unser Gehirn bewertet Ausgrenzung und Demütigung wie körperlichen Schmerz und reagiert deshalb auch darauf mit Aggression. Die neuen Erkenntnisse haben eine politische Dimension: Auch Armut im Angesicht von Reichtum bedeutet Ausgrenzung. Angesichts begrenzter globaler Ressourcen stehen wir daher vor einer weltweiten Zuspitzung des Gewaltproblems. Der Neurowissenschaftler Prof. Dr. med. Joachim Bauer wirft mit Schmerzgrenze nicht nur einen neuen Blick auf das Phänomen der Gewalt. Er zeigt, warum es vor rund 10.000 Jahren - in Folge der sogenannten „neolithischen Revolution" und des damals einsetzenden zivilisatorischen Prozesses - zu einer dramatischen Zunahme zwischenmenschlicher Gewalt kommen musste. Schließlich beantwortet Bauers neues Buch die Frage, warum - und wie - sich menschliche Gemeinschaften seither durch die Etablierung von Moralsystemen vor ausufernder Gewalt zu schützen versuchen.

Dieter Bach, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Schmerz erzeugt Aggression. Doch die „Schmerzgrenze“ des Gehirns verläuft anders, als wir bisher dachten

Brutale Gewalt in aller Öffentlichkeit, Amokläufe an Schulen, tödliche ethnische Konflikte und Kriege um knapper werdende Ressourcen: Das Phänomen der Aggression wird immer bedrängender und macht uns Angst.

Der „Aggressionstrieb”, folgenreiche Erfindung von Sigmund Freud und Konrad Lorenz, erklärte die Gewalt zur unverrückbaren Konstante der menschlichen Natur. Joachim Bauer entlarvt den Mythos des Aggressionstriebes und liefert mit Schmerzgrenze eine Neukonzeption des Gewaltphänomens, die auf neuesten neurowissenschaftlichen Erkenntnissen beruht. Evolutionärer Zweck der Aggression ist, uns gegen die Zufügung von Schmerzen wehren zu können. Doch die Schmerzgrenze des Gehirns verläuft anders, als wir bisher dachten. Unser Gehirn bewertet Ausgrenzung und Demütigungen wie körperlichen Schmerz und reagiert deshalb auch darauf mit Aggression. Dies bedeutet: Aggression steht im Dienste der Verteidigung sozialer Bindungen.

Auch Armut bedeutet Ausgrenzung und Demütigung, zumal wenn sie sich im Angesicht von Reichtum ausbreitet. Wasser, Nahrung und Rohstoffe werden auf unserem Globus zur immer knapperen Ressource. Wenn wir das Problem der ungerechten Ressourcenverteilung nicht in den Griff bekommen, wird die Gewalt weltweit zunehmen und die menschliche Existenz bedrohen.

Joachim Bauers neues Buch „Schmerzgrenze” zeigt: Nur Fairness, Kooperation und ein neues Verständnis der Mechanismen der Gewalt können einen Weg aus der Aggressionsspirale weisen.
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1 Mythos Aggression 9

Theorien haben Einfluss auf die Wirklichkeit 11
Freuds "Aggressionstrieb" 13
Ein "Trieb zum Hassen und Vernichten" 15
Das Aggressionsverständnis bei Darwin: "Soziale Instinkte" statt "Aggressionstrieb" 16
Konrad Lorenz und »Das sogenannte Böse« 18
Wem und wozu dient der »Aggressionstrieb«? 20
Das Milgram-Experiment: Viel zitiert, nie genau gelesen 22
Der Aggressionstrieb ist tot, doch die Aggression lebt 25
Warum wir lernen müssen, Aggression neu zu verstehen 26

Kapitel 2 Worauf sind die Grundmotivationen des Menschen gerichtet 29

Was sind Gründbedürfnisse des Menschen? 30
Die Entdeckung des Motivationssystems 32
Aggression ohne Provokation »lohnt« sich nicht 34
Vertrauen und soziale Akzeptanz als »Triebziel« 35
Gerechtigkeit als menschliche Grundmotivation 38
Kein »Zeitalter des allgemeinen Gutmenschentums« 40
Schmerzgrenze Unfairness 40

Kapitel 3 Die Schmerzgrenze: Zur neurobiologischen Architektur der Gewalt 43

Das Ende eines Mythos 44
Zur Definition von Aggression und Gewalt 46
Methoden der neurowissenschaftlichen Aggressionsforschung 47
Schmerz als Aggressionsauslöser 48
Aggression im Kernspintomografen 50
Wie funktioniert der »Aggressionsapparat« des menschlichen Gehirns? 53
Stellvertretende Aggression und Mit-Leid 57
Das »Gesetz der Schmerzgrenze«:
Soziale Ausgrenzung bedeutet Schmerz und erzeugt Aggression 58
Der Aggressionsapparat als Hilfssystem des Motivationssystems 61
Konstruktiv oder destruktiv? – Die kommunikative Funktion der Aggression 63
»Gesunde« Aggression 63
Das Gesetz der Schmerzgrenze 64
Armut und Gewalt 66
Häusliche Gewalt 67
Die Bedeutung der Schmerzgrenze für die individuelle Aggressionsbereitschaft 68
»Bindungsstile« und Aggressionsbereitschaft 69
Männer: das gewalttätige Geschlecht? 70
Macht Testosteron aggressiv – oder produziert Aggression Testosteron? 74
Aggression am »falschen« Ort und zur »falschen« Zeit:
Das Phänomen der Aggressions-Verschiebung 76
Das neurobiologische Aggressionsgedächtnis 77
Aggression, die keiner versteht: Warum wir »Aggressions-Flüsterer« brauchen 79
Was macht Kinder und Jugendliche aggressiv? 81
Kinder lernen am Modell: die Bedeutung von Medien 85
Amokläufe in Schulen (»School Shootings«) 86
Antisoziale Persönlichkeiten und Psychopathen 91
Zwei Varianten pathologischen antisozialen Verhaltens: »heiße« und »kalte« Aggression 92
Neurobiologische Veränderungen bei Psychopathen 94
Kein Mensch wird als Psychopath geboren 97
Gene und Gewalt: Erbfaktoren alleine machen nicht gewalttätig 101
Die Bedeutung der Ernährung 102
Alkohol und Gewalt 106
Die Bedeutung der Erziehung 106
Wozu Aggression? 110
Aggression als Signal 111

Kapitel 4 Armut, Ungleichheit und Gewalt: Menschliche Gesellschaften an der Schmerzgrenze 113

Was beeinflusst die Gewaltbereitschaft innerhalb eines Landes? 114
Ungleichheit beeinflusst Gesundheit und Bildung 116
Von krasser Ungleichheit zur Zerrüttung eines Landes 117
Vertrauen senkt die Empfindlichkeit der Schmerzgrenze 119
Welche Faktoren beeinflussen das in einem Land herrschende Vertrauen? 120
Gesellschaftliche Fairness: Zum soziologischen Konzept der Anerkennung 121

Kapitel 5 Auf der Suche nach den Ursprüngen oder:
Der Mensch vor und nach der neolithischen Revolution 125


Das Bindeglied zwischen Mensch und Affe: der Australopithecus 126
Unsere Vorfahren: Jäger oder Gejagte? 129
»Demonic Males«: Dämonische männliche Wesen 130
Das Biotop des Australopithecus 132
Homo rudolfensis: Werkzeugmacher betreten die Bühne 135
Voraussetzung für die Jagd in größerem Stil: Feuer und Jagdwaffen 136
Das evolutionäre Erfolgsrezept des Menschen: Zusammenhalt und Intelligenz 137
Schimpansen, eine aggressive Spezies? 138
Evolutionär angekommen: der Homo sapiens 141
Wie lebten vorzivilisatorische Jäger und Sammler? 142
Keiner hungert wenn nicht alle hungern 143
Jäger und Sammler im Visier der Neuroökonomen 144
Gebärmutter der Zivilisation: der »fruchtbare Halbmond« 147
Das »Event« oder: das Ende des »fruchtbaren Halbmondes« 151
Das Ende des egalitären Lebens 152
Ressourcenmangel, die Erfindung des Eigentums und der Einzug des ökonomischen Prinzips 153
Worüber berichten die nahöstlichen Paradieslegenden? 154
Die zwei Seiten der zivilisatorischen Medaille 157
Gewalt als Folge des zivilisatorischen Prozesses 160

Kapitel 6 Gegenpole zur Dynamik der Aggression:
Die Entstehung von Moralsystemen, Religion und Recht 163


Die Erforschung der Moral 164
Empathie als »Grundstein« der Moral (Charles Darwin) 164
Vom Zweck der Moral 165
Neurobiologie der Moral: intuitive Reaktion und intellektuelle Einschätzung 166
Der »freie Wille« – Sind Menschen für ihre Handlungen moralisch verantwortlich? 168
Wenn eine »richtige« Entscheidung nicht möglich ist: moralische Dilemmata 170
Der Verlust der moralischen Unschuld 173
Zivilisatorische Stressoren gegen soziale Instinkte 175
Ein besonderes Moralsystem: die Religion 176
Gläubige und Gottlose im Testlabor 177
Religion als »solidarisches System« 178
Die Kehrseite der moralischen Medaille 179
Moralischer Freibrief für Scheinheilige 180
Der Heiligenschein im Testlabor 182
Zerknirschung macht den Menschen »gut« 184
»Wir« und »die anderen«: Moralsysteme als Ursache von Gewalt 186
»Ingroup« versus »outgroup« 188
»Ingroups« in der Krise: Rettung durch Erzeugung einer »outgroup« 190

Kapitel 7 Alltägliche und globale Gewalt verstehen und begrenzen lernen 191

Zum Wesen der Aggression 192
Perspektiven des Alltags 194
Politische Perspektiven 197
Internationale Perspektiven 199
Eine »neolithische Revolution im globalen Maßstab«? 200

Danksagung 203
Anmerkungen 205
Literaturverzeichnis 251
Register 279