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Zerschlag dein Spiegelbild
Zerschlag dein Spiegelbild




Josef Rauhenberg

jungbrunnen-verlag
EAN: 9783702656829 (ISBN: 3-7026-5682-0)
288 Seiten, hardcover, 14 x 21cm, 1996, Österreichischer Kinder- und Jugendbuchpreis 1997 Ehrenliste

EUR 16,40
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Gert ist Neonazi. Kritiklos plappern er und seine Freunde Parolen nach, die ihnen von ihren "Kameraden" vorgekaut werden. Sie bedrohen türkische Arbeitskollegen, greifen Gastarbeiterkinder an, schlagen einen Schwarzen halb tot- und finden gar nichts dabei.

In einer Gruppe Gleichgesinnter stark zu sein ist nicht besonders schwer. Aber was, wenn man plötzlich zu denen gehört, die auf dem Boden liegen und getreten werden?
Rezension
In „Zerschlag dein Spiegelbild“ erzählt uns Josef Rauhenberg eigentlich zwei Geschichten. Diejenige von Pierre Inengo, einem jungen Mann aus Zaire, der, von Mobutus Schergen als Staatsfeind gejagt, in Deutschland um Asyl nachsucht. Und diejenige von Gert, einem jungen deutschen Neonazi, der im Kreise seiner „Kameraden“ um die Anerkennung kämpft, die er sonst nirgends erhält. Pierre und Gert – und damit ihre Geschichten – treffen nur einmal aufeinander. Als Gert und seine „Kameraden“ auf dem Heimweg von einem Neonazitreffen auf der Suche nach „Spaß“ auf Pierre stoßen und ihn grundlos brutal zusammenschlagen.

Schwerpunkt des Romans ist die Geschichte von Gert. In der Neonaziszene eher Mitläufer als Anführer sucht er seinen Platz im Kampf „gegen den fremden Dreck“. Und er glaubt, diesen Platz immer besser zu finden. Je brutaler er wird, um so größer wird die Anerkennung, die er erhält. Und was mit starken Sprüchen in seiner Stammkneipe beginnt, endet in brutalen Übergriffen, eben auch auf Pierre.

Doch für Gert wendet sich das Blatt. Ein misslungener Überfall auf eine vermeintliche Schwulenkneipe und ein Steinwurf auf einen Polizeibeamten bringen ihn ins Gefängnis. Und ehe er sich versieht , ist er in der Gefängnisrangordnung auf der untersten Stufe. Seine Versuche, sich auch hier durch Brutalität gegenüber vermeintlich Schwächere hochzudienen, schlagen im Ergebnis fehl. Denn in der anstaltsinternen Neonaziszene wird bekannt, dass Gert einen homosexuellen Kontakt hatte – zum Bruder eines „Gauleiters“.

Pierres Schicksal ist noch härter. Anders als Gert ist er nur Opfer. Als Opfer von politischer Verfolgung in Zaire nach Deutschland geflohen, in Deutschland Opfer von rechtsradikalen Übergriffen geworden, glaubt man ihm seine Geschichte nicht. Er wird abgeschoben und zu Hause schon erwartet ... .

„Zerschlag dein Spiegelbild“ ist ein packendes Buch. Es ist eines der Bücher, von denen man nicht mehr loskommt, wenn man es zu lesen begonnen hat.

Fehr, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Inhalt
Gert ist 15 und arbeitet als Lehrling in einer Fabrik. Der Job ödet ihn an. Zu Hause gibt es auch ständig Krach. Wenigstens am Abend ist was los: Gert zieht mit einer Gruppe von Neonazis herum. Nach einem "Ausbildungswochenende" mit NS-Hetzreden und Kampfsportübungen überfallen Gert und seine Kumpel Ingo, Wilfried und Bleuel einen jungen Asylwerber, der ihnen zufällig begegnet. Pierre, ein politischer Flüchtling aus Zaire, wird von den vier Jugendlichen krankenhausreif geschlagen. Der Überfall hinterlässt bleibende Schäden. Auch für Gert hat er Folgen: Er bekommt die Bilder der Gewalttat nicht mehr aus dem Kopf. Trotzdem schafft er es nicht, sich von seinen "Kameraden" zu trennen. Bei einer Konfrontation mit der Polizei verletzt Gert einen Polizisten. Er wird angeklagt und zu sechs Monaten Haft verurteilt. Im Gefängnis muss Gert plötzlich erleben, was es heißt, nicht zur Gruppe der "Starken" zu gehören, sondern allein auf der Gegenseite zu stehen.

Pressestimmen
Der Roman besticht durch eine breite Personage, detaillierte und realistische Schilderungen von Arbeitswelt, Knastszene, Asylantensituation. Rauhenbergs Debüt ist frei von pädagogischem Impetus. Der Leser fiebert mit dem Helden, ohne sich identifizieren zu wollen. - Unbedingt und vor anderen Titeln zum Thema empfohlen. - Unbedingt und vor anderen Titeln zum Thema empfohlen.
Robert Elstner, ekz-informationsdienst
Dieses Buch sollten möglichst viele Jugendliche lesen, sich damit auseinandersetzen, darüber diskutieren. - Gerds Geschichte darf sich nicht wiederholen! Sehr empfohlen!
Regula Moser, BÜCHERBÄR - Besprechungen der Berner Jugendschriften- Kommission 3/1996, Seite 37

Leseprobe
"He, ´s wird kalt, mach die Türe zu!"
Der böige Wind drückte noch einen Schwall eisiger Luft ins Innere des spärlich erleuchteten Lokals, bevor jemand der Türe einen unsanften Tritt versetzte und sie ins Schloß krachen ließ. Die Schwaden von Zigarettenrauch, die über der Theke schwebten, kräuselten sich und flohen vor dem plötzlichen Luftstoß, für wenige Augenblicke nahm man einen frischen Hauch wahr, dann verlor er sich wieder in der abgestandenen Mischung aus Tabakqualm, fettigen Küchendünsten und Bieratem.
"... und wozu brauchen wir die denn überhaupt, die ganzen Fidschi-Asylanten, und die ganzen ... äh, die ganzen Kurden und Pygmäen und alles? Da kennt sich doch sowieso keiner mehr aus, bei dem ganzen Mischmasch!", dröhnte es durch die Gaststube. "Aber wisst ihr, wen ich am allermeisten hasse? Soll ich euch das mal sagen, wie?" Gert, der bisher nur wenig gesagt hatte, begann nun, nach dem fünften Glas Pilsener, langsam redselig zu werden. "Am meisten hass ich die Nigger!" verkündete er schließlich, nachdem er seine Effektpause genügend ausgekostet hatte. Wilfried, Bleuel und Ingo, die mit ihm am Tisch saßen, gaben müde Zustimmungsbekundungen von sich, während einige Gäste schon mal einen vorsichtigen Blick herwarfen.