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Was ist Krieg? Zur Grundlegung einer Kulturgeschichte des Kriegs
Was ist Krieg?
Zur Grundlegung einer Kulturgeschichte des Kriegs




Bernd Hüppauf

Transcript
EAN: 9783837621808 (ISBN: 3-8376-2180-4)
568 Seiten, paperback, 15 x 23cm, September, 2013

EUR 29,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Carl von Clausewitz bestimmt den Krieg als Zweikampf. Bernd Hüppaufs Grundlegung einer Kulturgeschichte des Kriegs widerspricht: Es gibt keinen Krieg ohne Diskurs. Der Blick auf den Kriegsdiskurs von seinen Anfängen in Mesopotamien bis zu den intelligenten Waffen in Cyberwar und Drohnenkrieg zeigt, dass Krieg aus militärischem Kampf und kulturellem Diskurs besteht.

Militärgeschichte fetischisiert die Fakten, die Kulturgeschichte des Kriegs dagegen baut sie in ein Netz aus Bedeutungen ein. Erst so geraten Begeisterung, Angst, Grausamkeit und Grauen als Elemente des Kriegs in den Blick. Und erst so wird das Netz aus Symbolen, Handlungen und Bedeutungen beschreibbar, aus denen jede Erinnerung die Wirklichkeit des Kriegs konstruiert. Es ist der Blick auf Erlebnis, Ethik, Subjektivität und Identität, der die Kontinuität von Krieg über 3000 Jahre Kriegsgeschichte bis in die Gegenwart erweist. Daraus ergibt sich nicht weniger als das Erfordernis einer zu schreibenden Gefühlsmoral um die Frage: Dürfen Soldaten überhaupt töten?
Rezension
Dieses Buch sucht zu klären, was Krieg ist, - jenseits einer auf Faktisches reduzierten Militärgeschichtsschreibung - , durchaus in der Absicht, den Traum vom Leben ohne Krieg wachzuhalten. Ein Schwerpunkt der Darstellung liegt dabei auf der Frage, wie Kriegsdiskurs und physischer Kampf miteinander zusammenhängen. Der Autor unterscheidet Krieg von anderen Formen der kollektiven Aggression wie Stammesfehden, Beutezüge, Morde etc. und begreift Krieg als ein sehr viel jüngeres Phänomen der urbanen Zivilisation, das mit Fragen nach Identität, Erlebnis, Trauma oder Medien zu tun hat. Das ist ein relativ unkonventioneller Zugang zum Thema, der neue Perspektiven aufzeigt. U.a. wird gefragt: Wird sich der Krieg in elektronischen Zeitalter angesichts von Cyberwar und Drohnenkrieg auflösen?

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Editorial zur Reihe "Histoire":
Die Geschichtswissenschaft stellt aktuell nicht zuletzt einen Ort interessanter Grundsatzdebatten um Forschungsprogramme dar, die vielfach über die eigenen Grenzen hinaus wichtige Impulse für das Selbstverständnis der Kultur- und Humanwissenschaften geben. Zugleich erweist sie sich durch die Rezeption interdisziplinär aktueller Themen und Ansätze als lebendiger Ort der Deutung der Gegenwart in ihrem Gewordensein.
Die Reihe Histoire möchte insbesondere der historischen Forschung einen editorischen Raum zur Verfügung stellen, die innovative Perspektiven auf die neuere Geschichte richten. Neben der Neuen Kulturgeschichte und der Sozialgeschichte sollen hier auch Ansätze aus der Geschlechtergeschichte, der Globalgeschichte, der Neuen Politikgeschichte und der Zeitgeschichte ihren Platz finden.

Interview
... mit Bernd Hüppauf

1. »Bücher, die die Welt nicht braucht.« Warum trifft das auf Ihr Buch nicht zu?
Mit Büchern lässt sich kein Krieg verhindern. Aber Krieg beginnt im Kopf – und dieses Buch zielt darauf, den Kopf zu klären und zu verstehen, was Krieg ist. Der Traum von einer Welt ohne Krieg hat sich seit einigen Jahrhunderten erhalten. Selbst wenn der ewige Frieden ein Traum bleibt, ist er es wert, entwickelt und fortgeführt zu werden. Dies Buch zielt darauf, die Wirklichkeit dem Traum ein Stück näher zu bringen.

2. Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?
Clausewitz's Vergleich von Krieg und Zweikampf ist seit beinahe 200 Jahren die Grundlage der meisten Kriegstheorien. Dies Buch versucht, ein neues Bild vom Krieg zu entwerfen und stellt dem physischen Kampf den Diskurs an die Seite. Krieg benötigt eine entwickelte Technik der Kommunikation und der materiellen Produktion: Schriftliche Aufzeichnung und Waffen aus Metall. Mit Keulen und Stöcken wird kein Krieg gefochten. Vor dem Entstehen eines öffentlichen Diskurses gab es keinen Krieg. Wie entsteht der Kriegsdiskurs und auf welche Weise ist er mit dem physischen Kampf verknüpft – etwa in den Türkenkriegen oder im Ersten Weltkrieg?

3. Welche Bedeutung kommt dem Thema in den aktuellen Forschungsdebatten zu?
Der Ursprung des Kriegs ist kontrovers. Das Buch entwickelt die These, dass er nicht in der menschlichen Aggression und nicht im Besitzstreben der sesshaft gewordenen Menschen, sondern in der Struktur urbaner Zivilisation zu finden ist. Sobald der Krieg von anderen Formen der kollektiven Aggression (Stammesfehden, Beutezüge, Mord usw.) getrennt wird, entsteht ein neues Kriegsbild, in dem Fragen nach Identität, Erlebnis, Trauma oder Medien im Zentrum stehen. Krieg ist gemäß dieser These jünger als die meisten Kriegstheorien vermuten. Wird er sich nach etwa 3000 Jahren mit den gegenwärtigen Veränderungen der Zivilisation grundlegend verändern?

4. Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten diskutieren?
Mit Carl von Clausewitz über Anfang und Ende des Kriegs der Moderne und mit Chantal Mouffe über Antagonismus als Konstitutionselement von Gesellschaft.

5. Ihr Buch in einem Satz:
Gibt es einen kohärenten Begriff vom Krieg, der von Mesopotamien ins 20. Jahrhundert reicht und vom Krieg des elektronischen Zeitalters, von Cyberwar, Drohnenkrieg und Lawfare, beendet wird?

Bernd Hüppauf (Prof. Dr.) ist Emeritus für Deutsche Literatur und Literaturtheorie der New York University. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Mentalitäts- und Kulturgeschichte der Moderne. Bei transcript erschien von ihm u.a. »Vom Frosch. Eine Kulturgeschichte zwischen Tierphilosophie und Ökologie« (2011).

»Dieses Buch liefert [...] eine umfangreiche und fundierte theoretische Begründung für einen kulturgeschichtlichen Umgang mit dem Phänomen Krieg.«
Andreas Wiedermann, www.media-mania.de, 04.11.2013

Besprochen in:
Wiener Zeitung, 26.11.2013

Schlagworte:
Krieg, Diskurs, Militärgeschichte, Hermeneutik, Krieg und Technik, Kulturgeschichte, Gewalt, Geschichte des 20. Jahrhunderts, Konfliktforschung, Kulturtheorie, Geschichtswissenschaft
Adressaten:
Neuere Geschichte, Literaturwissenschaft, Komparatistik, Kulturgeschichte, Kulturwissenschaften
Inhaltsverzeichnis
Vorwort | 9

I. Einleitung | 15

1. Krieg und Kultur – das Dilemma aus Vernunft und Anti-Vernunft | 15

2. Ein greller Gegensatz: Sigmund Freud und Folgen | 18

3. Drei Ebenen: Ereignisse, Diskurse, Kulturgeschichte | 24
3.1 Ereignisse | 25
3.2 Diskurs | 28
3.3 Kulturgeschichte | 38

4. Probleme: Ethik, Erkenntnisfragen, Medien | 47
4.1 Ethik | 48
4.2 Der Gegenstand: Krieg als Vorstellung | 58
4.3 Medien | 63
4.4 Fort von der Reduktion – Emergenz | 65

5. Grundfragen | 68

6. Angelpunkt Erster Weltkrieg: Ende und Anfang | 77

7. Neue Kriege | 81

8. Die Kapitel des Buches | 83
8.1 Theorie | 84
8.2 Methode | 86
8.3 Praxis | 90
8.4 Ausblick | 92

II. Theorie | 95

1. Reduktionismus und Kriegsdiskurs | 95

2. Der Kriegsdiskurs in der Geschichte | 112

3. Grundfragen | 133
3.1 Erlebnis und Erfahrung | 147
3.2 Kontinuität und Unterbrechung | 161
3.3 Perspektivik | 170
3.4 Kohärenz | 183
3.5 Authentizität und Darstellbarkeit | 190
3.6 Krieg und Emotionen | 210
3.7 Krieg und Gedächtnis | 228
3.8 Dissoziation | 239

III. Methode | 247

1. Öffnung | 247

2. Kultur in der Kulturgeschichte des Kriegs | 257
2.1 Was kann und was will die Kulturgeschichte des Kriegs? | 264

3. Reduktion und Reduktionismus | 274
3.1 Hermeneutik: das Subjekt des Erlebnisses | 277

4. Diskursanalyse | 283
4.1 Gespräch und Macht | 285
4.2 Emergenz | 288

5. Ereignis und Erwartung im Widerspruch – Ernst Jüngers Pirsch: Töten wie am Anfang | 292

6. Plastizität – Negative Plastizität und Verwüstung des Subjekts | 297

7. Dissoziation | 301

8. Krieg und Medien | 304
8.1 Kriegsmalerei | 307
8.2 Fotografie als Zäsur | 308

9. Was heißt den Krieg erinnern? | 317
9.1 Ethik des Erinnerns – Ethik des Vergessens? | 325
9.2 Erinnerung und die Dinge | 333
9.3 Eine europäische Kriegserinnerung? | 338

IV. Praxis | 343

1. Krieg und vorgestellter Krieg – Forschungspraxis: sein, sollen, können | 343

2. Kriegstypen | 355
2.1 Archaische Kriege? | 356
2.2 Der Krieg entsteht in und mit der Stadt | 358
2.3 Die frühe Neuzeit und der Krieg des Verderbens | 364
2.4 Die Erfindung der Türkenfrage und das Entstehen des Kriegsdiskurses der Moderne | 370
2.5 Der Übergang zum Krieg der Industrialisierung und Bertolt Brechts Krieg | 375
2.6 In den Krieg der Moderne: die Revolutionskriege | 379
2.7 Der Medienkrieg kommt | 381
2.8 Kriege der Postmoderne | 383

3. Objektivität, partielle Objektivität und Perspektivik | 385
3.1 Perspektiven der Nationen | 391
3.2 Kulturelle Gruppenperspektiven 1: Geschlechterfragen | 397
3.3 Kulturelle Gruppenperspektiven 2: Kinder | 399

4. Krieg und Moral | 406
4.1 Gesinnungsethik – Verantwortungsethik | 409
4.2 Theorietypen | 413
4.3 Ein Beispiel aus dem Ersten Weltkrieg: Otto Baumgarten | 417
4.4 In den Zweiten Weltkrieg | 422

5. Grausamkeit | 424
5.1 Angst und Grausamkeit | 435
5.2 Systemische Grausamkeit | 444
5.3 Verdun und Folgen | 445

6. Der Krieg in Bildern – vom Relief zum Handy | 453
6.1 Fotografie, Amateurfotografie und das neue Schlachtfeld | 461
6.2 Krise der Dokumentation als Krise der Fotografie | 466
6.3 Programmatische Unprofessionalität | 469

7. Raum | 474
7.1 Die Auflösung des Kriegsraums in der Postmoderne – zwischen Schlachtfeld und Smartphone | 480

V. Ausblick | 485

1. Der Krieg des gläubigen Tötens kommt wieder und der High Tech War entsteht | 485
1.1 Die Neuen Kriege und neue Kriege | 486
1.2 Ökonomisierung und Eigennutz | 488
1.3 Krieg ohne Tote? | 491
1.4 Lawfare | 495
1.5 Unblutiger Krieg im Cyberspace | 498

2. Drohnenkrieg – ein Krieg mit Toten | 500

3. Gefühlsmoral | 504

Literatur | 509

1. Theorie und Methode | 509
2. Allgemeines zu Krieg und Kriegstheorie | 522
3. Einzelne Kriege | 536

Abbildungsverzeichnis | 549
Personenverzeichnis | 551