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Was ist Behinderung? Abwertung und Ausgrenzung von Menschen mit Funktionseinschränkungen vom Mittelalter bis zur Postmoderne
Was ist Behinderung?
Abwertung und Ausgrenzung von Menschen mit Funktionseinschränkungen vom Mittelalter bis zur Postmoderne




Christoph Egen

Reihe: Medical Humanities


Transcript
EAN: 9783837653335 (ISBN: 3-8376-5333-1)
270 Seiten, paperback, 15 x 23cm, 2020

EUR 49,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Der Behinderungsbegriff spiegelt die menschliche Vielfalt nicht adäquat wider, sondern transportiert das Bild einer scheinbar homogenen Menschengruppe, die symbolisch auf das Piktogramm des Rollstuhlfahrers reduziert wird.

Christoph Egen geht den Fragen nach, was »Behinderung« überhaupt ist und wie sich der gesellschaftliche Blick auf Menschen mit Funktionseinschränkungen vom Mittelalter bis zur Gegenwart gewandelt hat. Dabei greift er auf die Prozesssoziologie von Norbert Elias zurück, um die Abwertungs- und Ausgrenzungsprozesse von Menschen zu untersuchen – und liefert so einen wertvollen Beitrag zur interdisziplinären Fachdiskussion.

Christoph Egen, Medizinische Hochschule Hannover, Deutschland
Rezension
Behindert ist man nicht, - behindert wird man (von der Gesellschaft) gemacht und definiert. "Was ist Behinderung?" (Buchtitel) Jedenfalls eine "Abwertung und Ausgrenzung von Menschen mit Funktionseinschränkungen" (Untertitel). Der Autor dieses insbesondere auch für Heil- und Sonderpädagog/inn/en interessanten Buchs betrachtet unter Anwendung des prozesssoziologischen Ansatzes von Norbert Elias den Begriff der Behinderung vom Mittelalter bis zur heutigen Postmoderne.
Die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen beschreibt Menschen mit Behinderungen als »Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können« (UN-BRK 2006). Ist damit alles gesagt? Bei weitem nicht! In der Gesellschaft und insbesondere im pädagogischen und medizinischen Bereich finden nach wie vor intensive und teilweise sehr kontroverse Diskussionen darüber statt, was Behinderung ist und wie damit umzugehen sei: • Wie sind Menschen mit Behinderungen von Menschen ohne Behinderungen zu differenzieren? Wer entscheidet hierüber? • Wie wird innerhalb dieser machtvollen Normierungsprozesse Behinderung hergestellt? • Stellt die Rehabilitation eine passende Gesundheitsstrategie oder Maßnahme dar, um Behinderung zu reduzieren und die Funktionsfähigkeit zu erhöhen? • In welchem Zusammenhang stehen Behinderung und Identität? • Wie kann die von in der UN-Behindertenrechtskonvention geforderte Inklusion operationalisiert werden? Behinderung erweist sich als ein interdisziplinäres Querschnittthema mit hoher gesellschaftlicher Relevanz. Die soziologische Prozesstheorie von Norbert Elias ist ausgezeichnet dafür geeignet, miteinander verschränkte Entwicklungen sozialer Strukturen, Machtverhältnisse und Verhaltensformen über einen längeren Zeitraum zu analysieren und lässt sich für ein tiefergehendes Verständnis von Behinderungsprozessen besonders fruchtbar anwenden, da diese in komplexer Form »biopsychosozial« angelegt sind. Dabei zeigt sich: Die Behindertenfeindlichkeit ist im Menschenbild der Moderne tief verwurzelt – genährt auch oder vor allem durch eine scheinbar wertfreie Wissenschaft.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Schlagworte:
Behinderung, Abweichung, Normalität, Prozesssoziologie, Medizin, Norbert Elias, Devianz, Religion, Mittelalter, Frühe Neuzeit, Zeitgeschichte, Medizingeschichte, Postmoderne, Gesellschaft, Kulturgeschichte, Körper, Soziale Ungleichheit, Sozialgeschichte, Deutsche Geschichte, Geschichtswissenschaft

Inhaltsverzeichnis
Danksagung 9
Vorwort 13

Einleitung und Gliederung 17

1. Modelle von Behinderung 23

1.1 Medizinisches Modell von Behinderung 23
1.2 Soziales Modell von Behinderung 26
1.3 Kulturelles Modell von Behinderung 32
1.4 WHO-Modell von Behinderung (ICF-Modell) 35

2. Der deutsche Behinderungsbegriff 43

2.1 Juristische Definition und Etymologie 43
2.2 Entwicklung des Begriffs der körperlichen Behinderung 45
2.3 Entwicklung des Begriffs der geistigen Behinderung 49
2.4 Weitere Begriffsentwicklung in der Nachkriegszeit 52
2.5 Gesellschaftliche Implikationen der Begriffsentwicklung 53
2.6 Zur Vielschichtigkeit des deutschen Behinderungsbegriffs und Festlegung des Behinderungsverständnisses dieser Arbeit 54

3. Konzeptualisierung und methodische Vorgehensweise 59

3.1 Gegenstand der Untersuchung 59
3.2 Definition von Behinderungsprozessen 60
3.3 Konzeptualisierung von Behinderungsprozessen 62
3.4 Fragestellungen 68
3.5 Theoretisches Konzept 69

4. Menschen mit Funktionseinschränkungen im Mittelalter bis zum 17. Jahrhundert 77

4.1 Mittelalterliche Gesellschaftsstruktur und Mentalitäten 77
4.2 Wahrnehmung von Devianz und körperlicher Differenz 80
4.3 Religiöse und medizinische Vorstellungen bezüglich Krankheit und Funktionseinschränkung 85
4.4 Institutionalisierte Reaktionen auf kranke und funktionseingeschränkte Menschen 93
4.5 Zusammenfassung und weiterführende Reflexionen 103

5. Menschen mit Funktionseinschränkungen in der Moderne (18. bis Mitte des 20. Jahrhunderts) 109

5.1 Entwicklung moderner Gesellschaftsstrukturen und Mentalitäten 109
5.2 Wahrnehmung von Devianz und körperlicher Differenz 117
5.3 Naturwissenschaftliche Vorstellungen bezüglich Krankheit und Funktionseinschränkung 128
5.4 Institutionalisierte Reaktionen auf kranke und funktionseingeschränkte Menschen 146
5.5 Zusammenfassung und weiterführende Reflexionen 154

6. Gesellschaftliche Konstruktion von Normalität und Abweichung 165

7. Menschen mit Funktionseinschränkungen in der Postmoderne (Nachkriegszeit bis Gegenwart) 171

7.1 Postbürgerliche Gesellschaftsstrukturen und Mentalitäten 171
7.2 Wahrnehmung von Devianz und körperlicher Differenz 177
7.3 Bewertung von Menschen mit Funktionseinschränkungen als Rechtssubjekte 185
7.4 Institutionalisierte Reaktionen auf (potenziell) kranke und funktionseingeschränkte Menschen 191
7.5 Zusammenfassung und weiterführende Reflexionen 202

8. Prozesssoziologische Schlussfolgerungen und persönliche Reflexionen 209

8.1 Bestimmung der Richtung von Behinderungsprozessen 210
8.2 Exkurs: »Apokryphen« des wissenschaftlichen Methodenkanons und Reflexion des eigenen Involvierungsgrads 223
8.3 Die Modelle von Behinderung und der Behinderungsbegriff in der Retrospektive 232
8.4 Ein prospektiver Blick 235

Literatur- und Quellenverzeichnis 239
Anhang 267