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Unsere gefährdete Demokratie Wie wir mit Hass und Hetze gegen Politiker und Journalisten umgehen
Unsere gefährdete Demokratie
Wie wir mit Hass und Hetze gegen Politiker und Journalisten umgehen




Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Gunna Wendt

Hirzel
EAN: 9783777630137 (ISBN: 3-7776-3013-6)
247 Seiten, paperback, 14 x 21cm, Januar, 2022

EUR 20,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die Wellen des Hasses brechen

Auch in Deutschland erleben wir im Netz wie im »realen Leben« zunehmend Verleumdungen, Beleidigungen, Einschüchterungen, Hass und sogar körperliche Gewalt gegen Menschen, die sich für unsere Gesellschaft einsetzen. Doch wenn diese Angriffe von Engagement abschrecken, wird das zu einer Gefahr für unsere Demokratie, die auf Teilhabe beruht. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und die Schriftstellerin Gunna Wendt haben mit zehn Engagierten über Ursachen, Umstände und Folgen von Hass und Gewalt gesprochen. Die eindringlichen Porträts lassen die Gefahren sehr konkret werden, zeigen aber auch: Der Verrohung der politischen Auseinandersetzung können und müssen wir mit Haltung, Respekt und Toleranz begegnen - und mit einem wirksamen Schutz der Gefährdeten.

Die studierte Juristin Dr. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Jahrgang 1951, ist seit 1978 Mitglied der FDP und seit 1991 in deren Bundesvorstand. Die ehemalige Bundesministerin der Justiz (1992 bis 1996 sowie 2009 bis 2013) wurde im November 2018 zur Antisemitismus-Beauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen ernannt und ist seit 2019 nichtberufsrichterliches Mitglied des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes.

Gunna Wendt studierte Soziologie und Psychologie. Sie lebt als freie Autorin, Redakteurin, Dramaturgin und Kuratorin in München. Neben ihren Arbeiten für Rundfunk und Theater schrieb sie zahlreiche erfolgreiche Biografien, u. a. zu Erika Mann und Therese Giehse, Paula Modersohn- Becker, Helmut Qualtinger und Maria Callas.
Rezension
Leider ist es seit einigen Jahren - und angefeuert durch die Pandemie und sog. Quer"denker" - keine besondere Nachricht mehr, dass es Beleidigungen, Morddrohungen und gewalttätige Übergriffe auf Bürgermeister, Kommunalpolitiker, Landes- und Bundestagsabgeordnete sowie auf ehrenamtliche Helfer und Sanitäter gibt. Polizisten und Journalisten stehen schon länger im Fokus von Demokratiefeinden. Abgeordnete sollen unabhängig ihre Meinung vertreten und nur dem Wohl des Volkes verpflichtet sein. Wenn sie befürchten müssen, wegen ihrer politischen Auffassung beleidigt, bedroht oder angegriffen zu werden, kann das ihre freie Meinungsbildung beeinträchtigen – bis hin zur Aufgabe ihrer politischen Arbeit. Kommunale Mandatsträger, Bürgermeister und Landräte betrifft das genauso, vielleicht sogar noch härter. Sie sind vor Ort dauerhaft präsent, sie müssen bundespolitische Entscheidungen umsetzen und mit deren Auswirkungen umgehen. Einen durch nichts zu rechtfertigenden zivilisatorischen Bruch stellt es dar, wenn Andersdenkende bedroht, angegriffen oder gar ermordet werden, weil sie zum Beispiel bereit sind, Flüchtlinge aufzunehmen. In mehreren Porträts stellt dieses Buch Personen vor, die Opfer politisch motivierter Hetze und Gewalt wurden. In intensiven Gesprächen haben die Betroffenen erzählt, wie es dazu kam, was das mit ihnen gemacht hat und welche persönlichen Konsequenzen sie da­raus gezogen haben. Die persönlichen Erfahrungsberichte sind Ausgangspunkt für eine Gesamtanalyse, die die Fakten, Meinungen und Bewertungen dieser Entwicklung in Deutschland beleuchtet. Heute haben vergangene Stereotypen wieder Konjunktur, werden unter anderem mit Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und Homophobie Feindbilder gezeichnet, die die Unantastbarkeit der Menschenwürde aushebeln. Desinformation, Demagogie und Falschbehauptungen, verstärkt durch die sozialen Medien, sind Treiber dieser zerstörerischen Entwicklung. Antworten auf die genannte Entwicklung müssen vielfältig sein: Es braucht eine unabhängige Justiz, die keine politischen Urteile fällt und die Taten in den richtigen Gesamtzusammenhang stellt. Es braucht digitale Kommunikationswege und -mittel, die nicht wahl- und zügellos instrumentalisiert werden können und deren Betreiber Verantwortung tragen. Es braucht Aufklärung und Gegenöffentlichkeit zu diesen unterschiedlichsten massenhaften Falschbehauptungen: Fakten und Wissen statt Lügen und Populismus. Den Demagogen muss mit allem Nachdruck entgegengetreten werden. Es braucht die demokratische Kultur des von gegenseitiger Wertschätzung getragenen diskursiven Umgangs, der wieder gelernt und vermittelt werden muss. Und die bedrohten Politiker, Journalisten und ehrenamtlichen Helfer brauchen Mut, Rückgrat und vor allen Dingen Unterstützung.

Dieter Bach, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Die Autorinnen haben mit zehn Engagierten über Ursachen, Umstände und Folgen von Hass und Gewalt gesprochen. Die eindringlichen Porträts zeigen: Der Verrohung der politischen Auseinandersetzung müssen wir mit Haltung, Respekt und Toleranz begegnen – und mit einem wirksamen Schutz der Gefährdeten.

"Die Zahl von politisch motivierten Straftaten, die ist so hoch wie seit 20 Jahren nicht mehr, und deshalb kommt dieses Buch genau zur rechten Zeit."
Deutschlandfunk Kultur

Inhaltsverzeichnis
Prolog 9

Erfahrungen von betroffenen Mandatsträgern 13

Herbert Bengler, Kreisrat 13
Petra Berg, Landtagsabgeordnete 17
Karamba Diaby, Bundestagsabgeordneter 23
Timo Evans, Stadtrat 31
Susanne Günther, Stadträtin 37
Stefanie Kirchner, Bezirksrätin 41
Marian Offman, ehemaliger Stadtrat 45
Belit Onay, Oberbürgermeister 52
Nadine Schön, Bundestagsabgeordnete 62

Erfahrungen von Journalisten 65

Franziska Klemenz, Journalistin 65
Andrea Röpke, Politologin und Journalistin 73

Fakten, Zahlen – worüber reden wir überhaupt? 89

Kommunalpolitiker im Fadenkreuz von Hass und Gewalt 89
Politisch motivierte Angriffe auf Amts- und Mandatsträger 96
Opfern ein Gesicht geben 99
Parteipolitische Zuordnungen 102
Das Bild der Bedrohung 106

Woher kommt die Radikalisierung? 109

Soziale Medien als wichtige Nachrichtenquelle 109
Radikalisierungstreiber 111
Gründe für die Bedrohung von Kommunalpolitikern 118
Umgang von Kommunalpolitikern mit Bedrohungen 122
Die Bedeutung der ehrenamtlichen politischen Tätigkeit 126
Die Bedrohung von Bundes- und Landespolitikern 129
Gefährdung der Demokratie 134

Hass im Netz 143

Wann wird aus kommuniziertem Hass eine Straftat? 146
Volksverhetzung 147
Beleidigung, Ehrverletzung, Verleumdung 149
Trolle und Glaubenskrieger 153
Anzeigeverhalten betroffener Politiker 167
Schlussfolgerung 169

Was man tun muss und tun kann 171

Individuelle Reaktionen 171
Allgemeine Strategien 178
Unterstützung aus der Zivilgesellschaft 184
Faktenchecks für die inhaltliche Auseinandersetzung
mit Desinformation 187
Medienkompetenz verbessern 190
Mehr Transparenz der Plattformbetreiber 191
Social-Media-Councils als Instrument der Zivilgesellschaft 192

Perspektiven aus psychologischer Sicht 193

Aggressionsverschiebung 193
Empathie und Theory of Mind 197
Alarmismus und Angst 200
Biografiearbeit 202

Bedrohung von Journalisten 205

Zahlen zu den Angriffen auf Journalisten 208
Erfahrungen 209
Arbeitssituation vor Ort 211
Wirtschaftlicher Druck 214
Journalisten und Polizei 216
Verhaltensgrundätze für Polizei und Journalisten 217
Konkrete Forderungen 218

Fazit 223

Anhang 227

Initiativen und Beratungsstellen gegen Hass und Hetze im Netz 227
Anmerkungen 235
Verwendete und weiterführende Literatur 245