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Traktat über kritische Vernunft  5., verbesserte und erweiterte Auflage 1991 / 1. Auflage 1968
Traktat über kritische Vernunft


5., verbesserte und erweiterte Auflage 1991 / 1. Auflage 1968

Hans Albert

UTB , Mohr
EAN: 9783825216092 (ISBN: 3-8252-1609-8)
304 Seiten, paperback, 12 x 19cm, 1991

EUR 12,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
"Der 'Traktat über kritische Vernunft' enthält die ausführliche Darstellung von Alberts erkenntnistheoretischer Position, seine Erläuterung der Idee der Kritik und ihre Bedeutsamkeit bei der Betrachtung von Ideologie, Theologie und Geschichts- und Sozialwissenschaft." Neue Zürcher Zeitung


Rezension
Neben Karl Popper ist Hans Albert einer der prominentesten Vertreter des kritischen Rationalismus im deutschsprachigen Raum. In diesem Band grenzt Albert den kritischen Rationalismus gegen einen philosophisch-hermeneutischen Positivismus ab, dem der Autor beschränkten Vernunftgebrauch und mangelhaften Kritizismus unterstellt, der das Gegebene nicht in Frage stelle, sondern sich mit deutendem Nachvollzug zufrieden gebe und damit ein irrationales Verschleierungsdenken unterstütze, wie es z.B. die moderne protestantische Theologie auszeichne. Letztlich geht es dabei um die Ausnutzung der Erkenntnis für eine Kritik an normativen Auffassungen, vor allem im Hinblick auf das Problem einer autonomen Ethik.

Jens Walter, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Rezension:

Traktat über kritische Vernunft
Autoren: Hans Albert
Verlag: UTB, Stuttgart
Kritiker: Jens Fleischhauer

Hans Albert gehört zu den wichtigsten Kritikern des Neopositivismus und vertritt, zumindest in diesem Buch, eine sehr stark an Karl Popper angelehnt Philosophie. Vielmehr kann man eigentlich sagen, dass Albert den kritischen Rationalismus Poppers vertritt.
Ausgehend von erkenntnistheoretischen Problemen, kommt Albert zum kritischen Rationalismus und zeigt auf, dass dieser nicht nur in der Wissenschaftstheorie ein zu vertretendes Konzept ist, welches Probleme vermeidet, die andere Positionen nicht vermeiden können, sondern dass sich diese Position auch auf weitere Bereiche, wie der Theologie, Ideologie, Ethik, Geschichts- und Sozialwissenschaft anwenden lässt.

Das erkenntnistheoretische Problem ist, von Albert, als Münchhausen-Trilemma bezeichnet worden und zeigt auf, dass jede Begründung in einem infiniten Regress, einem logischen Zirkel oder im Abbruch des Begründungsverfahrens hinauslaufen muss. Entweder kann keine sichere Begründung erfolgen oder sie erfolgt in Form einer dogmatischen Setzung, was aber ein willkürlicher Abbruch im Begründungsverfahren ist und somit auch kein sicheres Fundament erschafft.

Durch dieses Trilemma kritisiert Albert die klassischen epistemischen Positionen, wie Intellektualismus und Empirismus, aber auch Offenbarungsmodelle. Als Beispiel sei erwähnt, dass der Empirismus die Ebene der Sinneswahrnehmung als Begründung dogmatisch setzt und somit eine dogmatische Position ist, da die Sinneswahrnehmung selbst, als Lieferant von Wahrheit, begründet werden müsste. Stattdessen wird aber dogmatisch gesetzt, dass die Wahrnehmung wahre Erkenntnis liefert.
Der Dogmatismus erweist sich als größtes Problem der erkenntnistheoretischen Positionen und überwunden werden soll er, mittels des Prinzips der kritischen Prüfung. Dies bedeutet, dass der archimedische Punkt, auf den die Erkenntnis, in Form eines festen Fundaments, zurückgeführt werden soll, nicht länger gesucht wird, denn diese Suche muss, wie das Trilemma zeigt, scheitern und endet im Dogmatismus. Statt eines Dogmas werden nur noch zu überprüfende Hypothesen angenommen, im Sinne des popperschen Falsifikationismus. Albert schreibt auf Seite 43 dazu: „jeder Unfehlbarkeitsanspruch für irgendeine Instanz [wird] zugunsten eines konsequenten Fallibilismus zurückgewiesen.“

Diese gerade skizzierte Methode, versucht Albert von der Erkenntnistheorie zu übertragen und aufzuzeigen, dass überall wo man auf Dogmen trifft, die kritische Methode vorzuziehen sei. Besonders deutlich lässt sich dies in der Politik machen. Eine dogmatische Position wäre der Marxismus, der das Klassenbewusstsein dogmatisch setzt und zur Stützung seines Dogmas eine Immunisierungsstrategie fährt, nämlich jede Kritik als bürgerlich zu klassifizieren.
Dieses Beispiel stammt zwar nicht von Albert, sollte aber deutlich machen, wogegen er sich wendet.

Um für die Übertragbarkeit der kritischen Methode zu argumentieren, muss er einige weitere Punkte betrachten. Einmal ist die Diskussion um Entdeckungs- und Begründungszusammenhang zu nennen, als weiteres der Theorienpluralismus und besonders deutlich auch Max Webers Wertneutralitätsthese. Nachdem er diese Punkte abgehandelt hat, im Verlauf des Buchs bezieht sich Albert häufiger noch einmal auf sie, geht er dann über sowohl Theologie, Ethik, Geschichts- als Sozialwissenschaft zu diskutieren.

Zur Verteidigung von Alberts Positionen befinden sich auch drei Anhänge im Buch, die sich einmal mit dem Kritizismus und seinen Kritikern, mit Georg Simmel und dem Begründungsproblem und schließlich mit der Begründungsproblematik beschäftigen.

Insgesamt ist dieses Buch nicht immer leicht zu lesen. Es wird auf sehr viel Literatur und Diskussionen verwiesen, sodass die Fußnoten zahlreich und umfangreich sind, außerdem werden manche Punkte nur angerissen und nicht weiter erläutert, sondern es findet sich nur ein Verweis auf andere Publikationen. Dennoch ist dieses Buch, sofern man sich ein wenig mit der Thematik beschäftigt hat, durchaus verständlich und meiner Meinung nach auch sehr wesentlich. Besonders das Münchhausen-Trilemma halte ich für sehr relevant. Man kann dem Buch also durchaus einige Bedeutung zusprechen und gewiss ist es, wenn man Poppers Philosophie kennt, eine große Erweiterung dieser.

Laut dem, auf der Buchrückseite abgedruckten, Kommentar von Axel Bühler und Horst Wolfgang Boger enthält dieses Buch die umfangreichste Darstellung der erkenntnistheoretischen Position Hans Alberts. Ebenso auch seine ausführlichsten Betrachtungen zur kritischen Methode und ihre Anwendung auf die oben genannten Gebiete.

Dieses Buch ist sowohl für Philosophen, als auch für Historiker, Theologen und Sozialwissenschaftler interessant, die sich für die Grundlagen und Methoden ihren Forschungsbereichs interessieren und eine kritische, aber konstruktive Kritik lesen wollen.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort VII
Vorwort zur zweiten Auflage IX
Vorwort zur dritten Auflage XII
Vorwort zur vierten Auflage XIV
Vorwort zur fünften Auflage XV
Einleitung: Rationalität und Engagement 1

I. Kapitel: Das Problem der Begründung

1. Die Suche nach sicheren Grundlagen 9
2. Das Prinzip der zureichenden Begründung
und das Münchhausen-Trilemma 13
3. Das Offenbarungsmodell in der Erkenntnislehre 18
4. Die klassische Erkenntnislehre:
Intellektualismus und Empirismus 24

II. Kapitel: Die Idee der Kritik

5. Überwindung des Dogmatismus:
Das Prinzip der kritischen Prüfung 35
6. Begründungs- und Entdeckungszusammenhang:
Der Charakter der Methodologie 44
7. Dialektisches Denken: Die Suche nach Widersprüchen 50
8. Konstruktion und Kritik: Theoretischer Pluralismus 56

III. Kapitel: Erkenntnis und Entscheidung

9. Das Problem der Begründung ethischer Überzeugungen 66
10. Wissenschaft und Praxis: Das Problem der Wertfreiheit 74
11. Das klassische Rationalitätsmodell
und die Wertdiskussion 81
12. Kritizismus und Ethik:
Die Rolle kritischer Prinzipien 82

IV. Kapitel: Geist und Gesellschaft

13. Das Ideologieproblem in kritizistischer Perspektive 96
14. Ideologie und Methodologie:
Rechtfertigungsproblem und Ideologiekritik 104
15. Die Seinsverbundenheit des Denkens als wissenschaftliches Problem 109
16. Dogmatisierung als soziale Praxis und das Problem der Kritik 116

V. Kapitel: Glaube und Wissen

17. Die Theologie und die Idee der doppelten Wahrheit 124
18. Die Entmythologisierung als hermeneutisches Unternehmen 129
19. Das Problem der Existenz Gottes und die moderne Theologie 137
20. Moderne Theologie, christlicher Glaube und Gesellschaft 146

VI. Kapitel: Sinn und Wirklichkeit

21. Das Sinnproblem in der Tradition des Historismus 156
22. Hermeneutisches Denken: Die Philosophie als Fortsetzung der Theologie 160
23. Analytisches Denken: Die Philosophie als Analyse der Sprache 171
24. Das Sinnproblem in kritizistischer Perspektive 178

VII. Kapitel: Das Problem einer rationalen Politik

25. Der Kult der Offenbarung: Politische Theologie und sakramentale Politik 189
26. Die Hoffnung auf die Katastrophe: Politische Eschatologie und utopische Politik 193
27. Der Rekurs auf das Interesse: Politische Arithmetik und kalkulatorische Politik 196
28. Die Idee der rationalen Diskussion: Politische Dialektik und experimentelle Politik 207

Anhang
I. Der Kritizismus und seine Kritiker 219
II. Georg Simmel und das Begründungsproblem.
Ein Versuch der Überwindung des Münchhausen-Trilemmas 257
III. Ein Nachtrag zur Begründungsproblematik 264

Personenregister 278
Sachregister 282