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Thekla - Paulusschülerin wider Willen? Strategien der Leserlenkung in den Theklaakten Zugl.: Diss., Univ. Münster, 2008
Thekla - Paulusschülerin wider Willen?
Strategien der Leserlenkung in den Theklaakten


Zugl.: Diss., Univ. Münster, 2008

Elisabeth Esch-Wermeling

Aschendorff
EAN: 9783402114360 (ISBN: 3-402-11436-4)
376 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 16 x 24cm, 2008

EUR 56,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Dass die heilige Thekla in der Frühzeit des Christentums eine echte Berühmtheit war, wissen heute nur noch die wenigsten. Wenn überhaupt, dann ist sie als passionierte Schülerin des Apostels Paulus ein Begriff - doch die Analyse der Erzählung um diese außergewöhnliche Christin zeigt, dass sie ursprünglich wahrscheinlich alles andere als eine lammfromme Paulusschülerin war. Die vorliegende Arbeit macht sich auf die spannende Entdeckungsreise der literarischen Entwicklung und des Bedeutungsspektrums dieser Erzählung, den Akten des Paulus und der Thekla.

Zunächst stehen die in der Forschung seit längerem angenommenen, aber bislang nicht im Detail eruierten Verbindungslinien zwischen den Pastoralbriefen und den Theklaakten zur Diskussion. Die Analyse des Verhältnisses der beiden Textcorpora, die an entgegengesetzten Polen der Paulustradition stehen, fördert eine interessante Strategie der Theklaakten zutage: angetäuschte Einstimmigkeit lautet die Devise. Doch nicht nur in Bezug auf die Pastoralbriefe, sondern vor allem auch textintern lässt sich eine dezidierte Strategie der Leserlenkung aufzeigen. Auf der Grundlage einer fruchtbaren Symbiose aus diachronen und synchronen Analyseverfahren werden die Textstrategien der Theklaakten offengelegt, die den Leser auf eine bestimmte Rezeption einspuren. Ziel der Untersuchung ist es, die inhaltlichen Bedeutungsverschiebungen bzw. das sich eröffnende Bedeutungsspektrum der Erzählung detailliert zu benennen. Je nachdem, ob Thekla eher im Gesamtzusammenhang der Theklaakten oder im Rahmen der älteren Antiochia-Erzählung betrachtet wird, erscheint ihre Figur in einem anderen Licht. Ihre Beziehung zu Paulus ist hier ein prominentes Thema - allerdings längst nicht das einzige...



Elisabeth Esch-Wermeling, geb. 1977, Studium der Katholischen Theologie und Französisch an der WWU Münster, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin von Herrn Prof. Dr. Martin Ebner und arbeitet im Rahmen des Münsteraner Exzellenzclusters „Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und Moderne" an einem Projekt zur Offenbarung des Johannes. Die vorliegende Arbeit ist die Promotionsschrift, mit der sie im WiSe 2007/08 an der WWU promoviert wurde.
Rezension
Wer kennt heute noch die Thekla-Akten? Die Proto-Märtyrerein Thekla war unter den frühen Christen ungefähr so bedeutsam wie der Märtyrer Stephanus und die Gottesmutter selbst ... Nach den apokryphen Theklaakten ist Thekla eine passionierte Paulus-Schülerin. Apokryphen sind biblische Texte, die nicht in den biblischen Kanon aufgenommen worden sind; im neutestamentlichen Bereich finden sich insbesondere apokryphe Evangelien und apokryphe Apostelakten. Die Theologie und mehr noch die Religionspädagogik sind kanonsfixiert. Dabei ist wissenschaftlich gesehen die Kanonsgrenze längst überwunden. Die Theklaakten erzählen die Geschichte einer glühenden Paulusverehrerin, die allerdings auf wenig Gegenliebe stößt. Obwohl Thekla bereit ist, alles für Paulus aufzugeben, lässt er sie just dann im Stich, wenn Not am Mann ist. In den Theklaakten artikuliert sich eine Gegenstimme zur Verdrängung von Frauen aus der Lehrverantwortung.

Thomas Bernhard, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
EINLEITUNG
Thekla, wer ist das? - Ein Annäherungsversuch

1 EIN ERSTER BLICK AUF DIE THEKLAAKTEN 12

2 ZUR DATIERUNG UND ÜBERLIEFERUNG DER THEKLAAKTEN 13

3 WAS BEREITS GESCHRIEBEN WURDE: ZUM FORSCHUNGSSTAND 15

4 ZIELSETZUNGEN UND AUFBAU DER ARBEIT 19

5 DER TEXT IM ÜBERBLICK 22

TEIL I
Angetäuschte Einstimmigkeit Die Theklaakten und ihr Verhältnis zu den Pastoralbriefen


1 VORÜBERLEGUNGEN 25

1.1 Der Stand der Dinge zur Beziehung von Theklaakten und Pastoralbriefen 25
1.2 Verhältnisbestimmungen ZI
1.3 Methodische Herangehensweise 30

2 INHALTLICHE ANALYSE: BERÜHRUNGSPUNKTE ZWISCHEN THEKLAAKTEN UND PASTORALBRIEFEN 32

2.1 Erster Referenztext: 1 Tim 2,9-15 33
2.2 Stilles Lob der Unterordnung? 36
2.2.1 Thekla, die Erste: In stiller Unterordnung 38
2.2.2 Thekla, die Zweite: Erste Wortmeldungen 39
2.2.3 Thekla, die Dritte: Unterordnung mit Vorbehalt 40
2.2.4 Thekla, die Vierte: Aktives Lernen 42
2.2.5 Thekla, die Fünfte: Kursänderung in Antiochia 43
2.3 Der widersprüchliche Paulus: Lehrauftragfür Thekla und Lehrverbot für Frauen 43
2.4 Zweifel an der Standhaftigen 44
2.4.1 Die Frau als Eva 45
2.4.2 Thekla ist nicht Eva! 47
2.4.3 Verführbar ist der Mann! 48
2.5 Haus und Öffentlichkeit: Die Auflösung einer geschlechterspezißschen Dichotomie 49
2.6 Enthaltsamkeit oder Kindergebären - Was führt zur Rettung? 53
2.7 Reichtum richtig eingesetzt 55
2.8 Irrlehrer als Zankhähne 56
2.9 Die wahre Lehre - Eine Frage der Kombination 58
2.10 Thekla als junge Witwe? 60
2.10.1 Zweiter Referenztext: 1 Tim 5,11-16 60
2.10.2 Sind junge Witwen falsche Witwen? 61
2.10.3 Gläubige und Witwe - Wer hilft wem? 62

3 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 63

3.1 Was geklärt wurde 63
3.1.1 Die Leerstellen in den Theklaakten 63
3.1.2 Die Strategie der Theklaakten 64
3.2 Was zu klären bleibt: Revue mit literarkritischer Brille 67

TEIL II
Thekla und/ohne Paulus
Eine literarkritische Analyse der Theklaakten


1 EINE ERSTE SPUR 71

2 SPURENSUCHE NACH STOLPERSTEINEN 74

2.1 Doppelungen 75
2.1.1 Das zweifache Martyrium 75
2.1.2 Parallele Figurenkonstellation 77
2.1.3 Kleines Zwei-mal-zwei: Ikonium und Erzählschluss 79
2.2 Spannungen und Widersprüche 80
2.2.1 Das Verschwinden des Paulus 80
2.2.2 Theklas Sinneswandlungen 81
2.2.3 Lehrtätigkeit und Lehrauftrag 82
2.2.4 Taufmotive 84
2.2.4.1 Taufvertröstung 84
2.2.4.2 Selbsttaufe? 85
2.2.4.3 Bluttaufe 87
2.2.5 „Ich werde mir ringsum die Haare scheren " 89
2.2.6 Die Reiseroute 92
Exkurs: Zur Frage nach dem syrischen oder pisidischen Antiochia 93
2.3 Stilistische Argumente 96
2.4 Kombination von Gattungen 97
2.4.1 Der antike Liebesroman 97
2.4.2 Die Theklaakten und der antike Liebesroman: Überschneidungen im Gattungsraster 102
2.4.3 Die Theklaakten und der antike Liebesroman: Abweichungen vom Gattungsraster 110
2.4.3.1 Christliche Invertierung des Liebesromans in den Theklaakten110
2.4.3.2 Die unromantische Seite der Theklaakten: Antiochia-Zyklus und Seleukia-Notiz 113
2.4.4 Erstes Fazit 119
2.4.5 Die Märtyrerberichte und der Antiochia-Zyklus 121
2.4.5.1 Die paganen Märtyrerakten 121
2.4.5.2 Die jüdischen Märtyrerberichte 130
2.4.5.3 Die christlichen Märtyrerakten 132
2.4.5.4 Besonderheiten und Einordnung des Antiochia-Zyklus 134
2.4.6 Differenziertes Fazit 135

3 VERBINDUNGSLINIEN AUF DEM PRÜFSTAND 137

4 ENDERGEBNIS 140

4.1 Scheidung der Texteinheiten und literarkritisches Modell 140
4.2 Konkurrierende Erzähltraditionen? 144
4.3 Inhaltliche Entspannungen und Restspannungen 145
4.4 Der Kreis schließt sich: Eine Schlussbemerkung zum Anfang 147
4.5 Ausblick 148

TEIL III
„Paulus suche ich ... " - vergebens
Die Antiochia-Erzählung


1 OPTIONEN DER UNTERSUCHUNG UND AUFRISS DES TEXTES 150

2 DIE DICHOTOMIEN - EINE ANALYSE DER ANTIOCHIA-ERZÄHLUNG 153

2.1 Die Geschlechterfrage 153
2.1.1 Gruppenkonstellationen 154
2.1.2 Die Adjuvantinnen 157
2.2 Alles was (ge-)recht ist! 158
2.2.1 Das Urteil gegen Thekla 159
2.2.2 Der Einwand der Frauen: Das Recht ist nicht gerecht! 161
2.2.3 Phalkonilla und der Ort der Gerechten 163
2.2.4 Thekla vor dem Statthalter: Der Tag des Gerichts steht noch aus 165
2.3 Machtfragen 166
2.3.1 Die weltlichen Machthaber 167
2.3.2 Die wahren Machthaberinnen 168
2.3.2.1 Der Kampfgeist der Helferinnen 168
2.3.2.2 Die Macht Theklas 171
2.3.2.3 und ihres Gottes 172
2.4 Leben und Tod 174
2.4.1 Wer zuletzt lacht - Ein Blick auf die Wortfelder Lebenund Tod174
2.4.2 In der Arena: Wie man (frau) den Spieß umdreht 175
2.4.2.1 Theklas Bad im Robbenbecken 176
2.4.2.2 Der Scheintod Tryphänas 176
2.4.3 Außerhalb der Arena: Auswirkungen und Begleiterscheinungen 177
2.5 Diesseits undjenseits 179
2.6 Vermitteltes Wort und miterlebte Tat 180

3 DIE WELT STEHT KOPF: PRAGMATISCHE OPTIONEN DER ANTIOCHIA-ERZÄHLUNG 183

TEIL IV
Im Wechselbad der Interpretation: Leserlenkung in den Theklaakten


1 VORÜBERLEGUNGEN ZUM PHÄNOMEN DER LESERLENKUNG 189

1.1 Vorbemerkungen zur Rezeption von Texten 189
1.2 Vorschaltung eines Textes 191
1.2.1 Beispiel I: „Voraktivierung" 192
1.2.2 Beispiel II: Der „Kuleshov-Effekt" 194
1.3 Rahmungeines Textes durch Vor-und Nachschaltung von Texten 197
1.4 Grafisches Modell zur Veranschaulichung der Thesen 201

2 DIE TEXTINTERNEN LESEANWEISUNGEN IN DEN THEKLAAKTEN 204

2.1 Die Pauluszentrierung 205
2.1.1 Der Ikonium-Zyklus: Paulus, Paulus und nochmals Paulus 205
2.1.2 Die eingespurte Wahrnehmung des Antiochia-Zyklus: Paulus indirekt 206
2.2 Das Auftreten Theklas 212
2.2.1 Der Ikonium-Zyklus: Thekla als Musterschülerin 212
2.2.2 Leseanweisung für die Gesamtlektüre: Gelernt ist gelernt 213
2.3 Die öffentliche Bekenntnisrede 216
2.3.1 Die Antiochia-Erzählung: Glauben heißt das Zauberwort 216
2.3.2 Der Ikonium-Zyklus: Eine theologisch fundierte Rede 217
2.3.3 Tenor der Gesamtlektüre: Theklas Wurzeln in der Paulusschule 219
2.4 Die Lehrtätigkeit Theklas 221
2.4.1 Die Antiochia-Erzählung: Verkünderin des Wortes 221
2.4.2 Rahmung und Gesamtlektüre: durch Paulus legitimiert 221
2.5 Lamm oder Löwin'? - Die Tiermetaphorik 224
2.5.1 Die Antiochia-Erzählung: Thekla als Herrin der Tiere 224
2.5.2 Der Ikonium-Zyklus: Spinnt Thekla? 228
2.5.3 Gesamtduktus: Die lammfromme Löwenbändigerin 229
2.6 Die Enthaltsamkeit 230
2.6.1 Der Antiochia-Zyklus: Keine Spur von Enthaltsamkeit 230
2.6.2 Der Ikonium-Zyklus: Im Dienst differenzierter Enthaltsamkeit 232
2.6.3 Gesamtlektüre: Enthaltsamkeit auf ganzer Linie 237
2.7 Zugangsbeschränkungen zum Christentum 241
2.7.1 Die Antiochia-Erzählung: Glaubenseinsteiger willkommen! 241
2.7.2 Der Ikonium-Zyklus: Glaube allein genügt nicht 241
2.7.3 Gesamtduktus: Die Messlatte wird höher gelegt 242
2.8 Präsentische und futurische Heilsbotschaften 243
2.8.1 Die Antiochia-Erzählung: Rettung hier und jetzt 243
2.8.2 Der Ikonium-Zyklus: Eschatologische Prioritäten 244
2.8.3 Konsequenzen für die Gesamtlektüre: Die eschatologische Rahmung 245
2.9 Die Konstellation der christlichen Hausgemeinden 247
2.9.1 Die Antiochia-Erzählung: Autonomes Frauenhaus 248
2.9.2 Ikonium-Zyklus und Schlussteil: Differenziertes Modell 248
2.9.3 Gesamtlektüre: Autonomie als Lohn der Unterordnung 250
2.10 Wort und Wirkmacht Gottes 252
2.10.1 Die Antiochia-Erzählung: Priorität der Primärerfahrung 252
2.10.2 Ikonium-Zyklus und Schlussteil: Priorität des Wortes 253
2.10.3 Gesamtlektüre: Prioritätenverschiebung von der Tat zum Wort 254
2.11 Frauen-und männerzentrierteFokussierungen 255
2.11.1 Die Antiochia-Erzählung: Männer bleiben außen vor 255
2.11.2 Der Ikonium-Zyklus: Gemäßigte Androzentrik 256
2.11.3 Gesamtduktus: Frauen und Männer werden ins Boot geholt 263
2.12 Thekla imFokus der Genderfrage: Schön vermännlicht?! 265
2.12.1 Die Antiochia-Erzählung: Weiblichkeit - Schönheit - Körper 265
2.12.2 Ikonium-Zyklus und Schlussteil: Thekla steht ihren Mann 266
2.12.3 Gesamtlektüre: Pro Frau-Contra Weiblichkeit 269
2.13 Der Konflikt zwischen Thekla und Alexander: Eine Zerreißprobe 272
2.13.1 Die Antiochia-Erzählung: Politik-Macht-Religion 272
2.13.2 Ikonium-Zyklus: Liebe 278
2.13.3 Gesamtlektüre: Religionspolitische Entschärfungsstrategie 280
Exkurs: Zur (Be-)Deutung der Zerreißungsstrafe 283
2.14 Die Taufe 290
2.14.1 Die Antiochia-Erzählung: Das Bad 290
2.14.2 Die erste Ebene: Vom Bad zur Taufe 292
2.14.3 Die zweite Ebene: Ikonium-Zyklus und Schlussteil 293
2.14.4 Konsequenzen für die Gesamtlektüre 294

3 ZUSAMMENFASSUNG 296

3.1 Auswertung des Leserlenkungsskonzepts in den Thehlaakten 296
3.2 Akzentsetzungen der Theklaakten: Enthaltsamkeit -Lehrtätigkeit - Gender 298

SCHLUSS
Was noch zu sagen bleibt


1 AUßER- UND INNERCHRISTLICHE DISKURSE IN DEN THEKLAAKTEN 299

1.1 Die Antiochia-Erzählung: Paganer Kontext 299
1.2 Ikonium-Zyklus und Schlussteil: Innerchristlicher Kontext 303

2 INTEGRATION STATT OPPOSITION: DIAMETRALE POSITIONEN VON THEKLAAKTEN UND PASTORALBRIEFEN 304

3 EIN LETZTER BLICK AUF DIE THEKLAAKTEN 308


ANHANG

Praxeis Paulou kai Theklas. Der griechische Text 311
Übersetzung der Theklaakten 327
Verzeichnis der Abbildungen und Karten 337
Abbildungen und Karten 339
Abkürzungen 343
Literatur 345
Register 365