lehrerbibliothek.deDatenschutzerklärung
Sterben und Ehrenamt Eine Ethnographie der Ausbildung zur Sterbebegleitung
Sterben und Ehrenamt
Eine Ethnographie der Ausbildung zur Sterbebegleitung




Melanie Pierburg

Reihe: CARE - Forschung und Praxis


Transcript
EAN: 9783837656251 (ISBN: 3-8376-5625-X)
258 Seiten, paperback, 15 x 23cm, Mai, 2021

EUR 45,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Sterben ist ein Phänomen, das keinem Gesellschaftsmitglied erspart bleibt. Oftmals zeigt es sich in der Gegenwart in Form eines langen, konfrontativen Verlaufs. Wird seine Bewältigung zum Problem, bieten Hospizvereine Sterbebegleitungen an. Diese ehrenamtliche Tätigkeit wird in Vorbereitungskursen zum Gegenstand von Bildungspraktiken. Wie wird das Begleiten vermittelt, welche Bedeutungen erhält das Sterben und welcher gesellschaftliche Umgang mit der Endlichkeit wird dabei sichtbar? Diese ethnographische Studie widmet sich einem sozialen Bereich, der explizit macht, was in verwandten Feldern implizit bleibt.

Melanie Pierburg, geb. 1981, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sozialwissenschaften der Universität Hildesheim. Dort bietet sie Beratungen zur Anwendung empirischer Methoden an. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Thanatosoziologie, Wissenssoziologie und qualitative Methoden.
Rezension
Wie begegnen Gesellschaften den typischen kontemporären Sterbeprozessen? Das ist die zentrale Grundfrage dieses Buchs. Es bilden sich Organisationen aus, die auf das Sterben spezialisiert sind: Hospize, Palliativstationen in Krankenhäusern, ambulante Sterbeversorgungsformen. Daneben existieren die in dieser Arbeit fokussierten ehrenamtlichen Sterbebegleitungen als eigenständige Form der Zuwendung zu Dahinscheidenden. Die Thanatosoziologie, die sich in gesellschaftlicher Perspektive mit dem Sterben beschäftigt, ist eine noch eher randständige Disziplin in der deutschen Soziologie, aber unsere Gesellschaft wird immer älter und Sterben rückt zunehmend in den Blick. Der Soziologe Norbert Elias hat bereits in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts die Einsamkeit des Sterbenden in postmodernen Gesellschaften erkannt (und beklagt). Außerdem ist das kontemporäre Sterben in den westlichen Industrienationen ein typischerweise sich hinziehendes. Deshalb bieten z.B. Hospizvereine Sterbebegleitungen an. Sterbebegleitung in der Hospizbewegung setzt wesentlich auch auf das Ehrenamt. Seit dem Beginn der Hospizbewegung hat das Ehrenamt in der Sterbebegleitung eine zentrale Bedeutung. Diese ehrenamtliche Tätigkeit wird in Vorbereitungskursen zum Gegenstand von Bildungspraktiken. Wie wird das Begleiten vermittelt, welche Bedeutungen erhält das Sterben und welcher gesellschaftliche Umgang mit der Endlichkeit wird dabei sichtbar? Die Forschungsfrage, die allen weiteren Ausführungen zugrunde liegt, lautet: Wie werden Sterben und Sterbebegleitungen in einem Hospizkurs konstruiert und vermittelt? Diese Dissertation bietet eine Ethnographie über einen Hospizkurs. In Hospizkursen werden potenzielle zukünftige Ehrenamtliche auf ihre Tätigkeit vorbereitet, Moribunde zu begleiten. Hier sollen sie idealerweise lernen, Sterbenden eine hospizadäquate Stütze zu sein. Das Buch gibt Einblicke in einen Hospizkurs, in dem ehrenamtliche Sterbebegleitende auf ihre Aufgabe vorbereitet werden.

Thomas Bernhard für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Schlagworte:
Thanatologie, Thanatosoziologie, Ethnographie, Bildung, Sterbebegleitung, Hospizforschung, Mensch, Bildungssoziologie, Alter, Pflege, Sozialarbeit, Soziologie

Care – Forschung und Praxis
Die Reihe Care - Forschung und Praxis bietet innovativer Forschung auf diesem Feld einen editorischen Ort. Care-Theoretiker_innen formulieren, ausgehend von den ethischen Implikationen unserer Angewiesenheit auf Andere, eine Ethik der Relationalität und fordern damit die (neo)liberale Hypostasierung des Individualismus sowie das androzentrische Konzept eines autonomen und selbstgenügsamen Subjekts heraus.
Die Debatte um Care fokussiert dabei nicht nur Sorge im engen Sinn als Geschehen zwischen Menschen, sondern in einem umfassenderen auch die Sorge um unsere Mit- und Umwelt. Damit wird die Vision einer sorgenden Gesellschaft als zentrales Moment für die sozial-ökologische Transformation herausgestellt und die Verwiesenheit auf Andere sowie die Verletzbarkeit des Seins zum Ausgangspunkt einer Kritik des Kapitalismus und dessen vergeschlechtlichter Struktur gemacht. Die Reihe umfasst Monografien und Sammelbände sowie Qualifikationsarbeiten.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung 7

Theoretischer Teil

2. Sterben, Hospiz und Forschung: Das sozialwissenschaftliche Vorlaufen in den Tod 17

3. Das lange Sterben und die Privatisierung der Ambivalenz 29

3.1 Sterben und Statistik 30
3.2 Sterben und sein Verlauf in der Soziologie 33
3.3 Sterben als präexitales Produkt der Kultur 35
3.4 Sterben und Umgang mit Ambivalenz 38
3.5 Exkurs: Die Modellierung des Sterbens 43
3.6 Sterben und zivilgesellschaftliches Engagement: Die Hospizbewegung 48
3.7 Das postmoderne Sterben und der Beitrag dieser Untersuchung 55

4. Ethnographische Zugänge zur Vermittlung des Sterbens und seiner Begleitung 59

4.1 Südfrüchte: Der Facettenreichtum der qualitativen Sozialforschung 60
4.2 Zitronen und Ethnographie: Eine herausfordernde Forschungspraxis 63
4.3 In die Zitrone gebissen: Die ethnographische Erforschung eines Hospizkurses 72

Empirischer Teil

Überblick über die Protagonisten und Protagonistinnen sowie die Struktur des Hospizkurses 87

5. Der Kurs: Erntedank-Mitte, sprechender Stein und das Gemälde der sterbenden Geliebten 89

5.1 Fallanalyse: Der erste Kursabend 91
5.2 Die dramaturgische Anrufung von aktualer Identität und Unbestimmtheit 107

6. Das Wie der Wissensvermittlung: Gemeinschaftliche Assoziationsräume 115

6.1 Vorbereitungspraktiken – ACDC und Kürbissuppe 118
6.2 Einstellungspraktiken – Wechselnde Pfade und das Gebet eines Seniors 123
6.3 Orientierungspraktiken – Organisation und Organisieren 127
6.4 Vermittlungspraktiken – Sterbephasen und Handmassagen 128
6.5 Vergemeinschaftungspraktiken – Floskeln und Fürsorge 143
6.6 Die Mikrosoziologie des Kurses 144

7. Buddha-Figuren und künstliche Rosen – die Banalität der großen Transzendenz 147

7.1 Die phänomenologische Perspektive: Symbole und Rituale 148
7.2 Das symbolische Arrangement: Die Mitte und der Kreis 153
7.3 Das rituelle Arrangement: Einlassen und Offenbaren 160
7.4 Der rituelle Übergang: Das verlorene Schaf und die Mission 164

8. Die Hermeneutik der Sterbebegleitung: Herausforderungen des existenziellen Auslegens 173

8.1 Das Curriculum: Jesus und der Weg in den Tod 175
8.2 Die Kurspraktiken: Sterben und die Arbeit am flüchtigen Wir 181
8.3 Exkurs: Der Praxisschock und das echte Sterben 203

9. Spiel des Sterbens: Soziales Handeln und die Frage nach Anfang oder Ende 209

9.1 Hospizarbeit: Individualisierte Moribunde und die Last des guten Sterbens? 218

Literarischer Teil

10. Ein autofiktionaler Schreibversuch 225

10.1 Das Feld Hospizausbildung und die Wirklichkeiten der Begleitung 226
10.2 Gesellschaft und Begleitung 231

11. Fazit 237

12. Literaturverzeichnis 243